Joachim Mutter: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 15. August 2012, 22:47 Uhr
Joachim Mutter (geb. 11. März 1967) ist ein deutscher promovierter Arzt und Buchautor, der aktuell in Konstanz in einer Praxis für Umwelt- und Integrative Medizin mit Schwerpunkt Homotoxikologie und Komplexmittelhomöopathie tätig ist. Zusammen mit weiteren Personen (u.a. Juliane Sacher, John Gruia Ionescu) wird Mutter auch als zeitweiliger Mitarbeiter einer so genannten "Funklochklinik" in Brasilien genannt.
Mutter ist als Amalgam- und Mobilfunkgegner[1] für Vermutungen und Hypothesen zu Ursachen verschiedener chronischer Erkrankungen bekannt geworden, die er in Fachzeitschriften, Vorträgen, Esoterikblättern, auf Impfgegnerwebseiten, aber auch auf Veranstaltungen der umstrittenen so genannten Anti-Zensur-Koalition (Anti-Zensur-Konferenz) des Schweizer Sektenführers Ivo Sasek verbreitet. Beachtung fanden Mutters Ansichten in der Zeitschrift CoMed[2], im Esoterikblatt Elexier-Magazin, in Naturarzt[3], im Impfgegnerblatt Impf-Report[4] des Medizinlaien Hans Tolzin sowie bei Alpenparlament.TV von Martin Frischknecht.
Zu einem impfgegnerischen Buch von Claus Köhnlein und Torsten Engelbrecht (Viruswahn)[5] schrieb Mutter ein Vorwort. Im März 2011 wurde Mutter als Vortragender bei einer Massen-Geistheilveranstaltung des brasilianischen Scharlatans und Psychochirurgen João de Deus in Wien genannt. Beim Internetportal Symptome.ch, auf dem pseudomedizinische Methoden beworben werden und massiv gegen Impfungen agitiert wird, ist Mutter im Blog aktiv und seit Anfang 2012 Mitglied eines sog. Fachausschusses, neben Andres Bircher und Ingrid Gerhard.
Kurzbiografie
Joachim Mutter hat eine Berufsausbildung zum Elektroniker absolviert und später ein Medizinstudium in Freiburg im Breisgau. Er gibt an, eine Ausbildung in Regulationsdiagnostik nach Klinghardt und Psychokinesiologie bei Dietrich Klinghardt zu haben. Bis 2008 war er an der Universitätsklinik in Freiburg am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene tätig, das wiederholt durch Projekte mit pseudomedizinischen Inhalten in Erscheinung getreten ist.
Amalgam-Kritik
Mutter wird zuweilen als "Deutschlands populärster Amalgamkritiker" bezeichnet, dem allerdings nach Ansicht der Zeitschrift Stern die Front seiner wissenschaftlich aktiven Mitstreiter im Lande mittlerweile "wegbröckele",[6] während Mutter selbst sich machtvollen Gegnern in Form einer "Weltverschwörung der Wissenschaft" aus Verbänden, und Experten gegenüber sieht, die sich energisch dafür einsetzten, dass Amalgam mit nur wenigen Einschränkungen als Füllstoff legal in der Zahnheilkunde eingesetzt werden kann. Dazu gehört mittlerweile auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Robert-Koch-Institut (RKI). Die Auseinandersetzung um Zahnamalgam habe nach Mutter auch dazu geführt, dass das Renommee angesehener Toxikologen und Institute zerstört worden sei und habe prominente Zahnheilkundler, die auf der Seite der Kritiker standen, womöglich in den Selbstmord getrieben.
Glaubt man Mutter, verursacht das in Zahnamalgamen enthaltene Quecksilber Alzheimer, Autismus, ADHS und andere Krankheiten.[7] Man wisse überdies, "dass Mütter von autistischen Kindern signifikant mehr Amalgam haben als Mütter, die keine autistischen Kinder geboren haben." Die Wirkung von Quecksilber werde durch in Impfstoffen enthaltenes Aluminium drastisch verstärkt. Mutter wörtlich: "Wenn Sie eine Quecksilberbelastung haben im Gehirn und es kommt eine Impfung mit Aluminium hinzu [...], kann das dazu führen, dass das Kind nach der Impfung autistisch ist." Im Zusammenhang mit Mobilfunk stellte Mutter Behauptungen auf, dass Zahnmetalle "Feldverstärkungen" hervorrufen und dadurch eine seiner Meinung nach schädigende Wirkung des Mobilfunks verstärken.[7]
Um die schädliche Wirkung von Zahnamalgamen zu unterbinden, müssten sämtliche Zahnplomben mit Amalgam entfernt werden. Dabei würde üblicherweise falsch vorgegangen, wodurch es den Patienten hinterher oft schlechter ginge als vorher. Unmittelbare Folge könnte beispielsweise die Erkrankung an Multiple Sklerose sein.[7] Besonders wichtig sei, dass der Patient bei der Behandlung eine Atemmaske trage, um keinen Quecksilberdampf einzuatmen. Die Klinik, in der Mutter arbeitet, gehöre zu den wenigen Einrichtungen, die eine solche Behandlung richtig durchführen. Nach dem Entfernen der Amalgamfüllungen müsse eine Schwermetallentgiftung durch Sonnenbaden, Ausleitetherapien und frische Nahrung erfolgen.
AZK-Auftritt
Unterstützung in seinen Aktivitäten gegen Zahnamalgame und Elektrosmog fand Mutter in Ivo Sasek, dem Schweizer Anführer der OCG-Sekte und Organisator der so genannten Anti-Zensur-Konferenzen, auf denen Personen wie Jo Conrad, Hans Tolzin, Werner Altnickel oder Rauni-Leena Luukanen-Kilde zu allen möglichen absurden Verschwörungstheorien vortragen. 2009 hielt Mutter hier einen Vortrag mit dem Titel Nanotechnologie – (k)ein Risiko? Über Betrug in der Wissenschaft und Alltagsgifte. Wie gelangten Supergifte in unseren Mund? Und vor allem – wie bringen wir sie da wieder raus?[8]
In seinem Vortrag, der als Beispiel für Mutters Argumentationsstil dienen kann, vermittelt er den Zuhörern, dass der Mensch durch Medikamente und Nahrungsmittel zunehmend "Supergiften, Schwermetallen und Fremdstoffen" ausgesetzt sei. Gefährlich seien vor allem Titan, Blei und Quecksilber, letzteres insbesondere durch Zahnfüllungen aus Amalgam. Wörtlich meint Mutter: "Die einzigen zwei sicheren Plätze, die sie haben auf der Welt, wo man das Amalgam deponieren kann, sind die Hochsicherheitsstufen-Sondermülldeponien oder die Zähne des Menschen." Ferner kritisiert er, dass an Risikobewertungen von Amalgam als Zahnfüllmaterial, z.B. durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), auch Zahnärzte und zahnärztliche Vereinigungen mitgewirkt haben: "Da können Sie auch die Mafia damit beauftragen, das Strafgesetzbuch zu überarbeiten."
Abgesehen von solchen plakativen Äußerungen versucht sich Mutter in seinem Vortrag als seriöser Wissenschaftler zu präsentieren, dessen Äußerungen allesamt durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt sind. Tatsächlich stellt er jedoch mehrfach unbelegte Behauptungen auf, konstruiert Zusammenhänge zu Quecksilber bzw. Amalgam und zitiert die Fachliteratur selektiv einseitig. Bei näherem Hinsehen ist auch festzustellen, dass sich einige der von ihm angeführten Literaturstellen nicht mit seinen Aussagen decken. Mit häufigen Formulierungen wie "man weiß inzwischen, dass..." versucht Mutter dabei den Eindruck zu erwecken, dass seine Statements wissenschaftlichen Konsens darstellen und nicht nur seine persönliche Meinung. Wörtlich sagt er z.B.: "Wir wissen, dass mittlerweile ungefähr 70% aller chronischen Krankheiten aus dem Kiefer stammen". Oder: "Man weiß mittlerweise, dass Quecksilber die Hauptursache für Autismus ist." Des Weiteren stellt er einen fragwürdigen Zusammenhang zwischen Amalgam und Multipler Sklerose her: Er habe "genug Patienten" mit Multipler Sklerose, die "ein paar Tage oder Wochen", nachdem Zahnärzte diesen Personen Amalgamfüllungen entfernt hätten, erstmals aufgetreten sei. Mutter suggeriert, dass die MS durch das Einatmen von Quecksilberdampf bei den Behandlungen ausgelöst worden sei.
Mutter behauptet auch einen Einfluss von Mobilfunkstrahlung auf die Quecksilberbelastung. In Experimenten, habe man festgestellt, dass durch Benutzung von Mobiltelefonen "das Freiwerden von Quecksilberdampf aus Amalgam dramatisch zugenommen hat". Dazu führt er eine bei Mobilfunkgegnern beliebte Untersuchung aus dem Jahr 2008 an,[9] in der der Quecksilbergehalt im Urin gemessen wurde (von Quecksilberdampf ist keine Rede), nachdem die Probanden Zahnfüllungen aus Amalgam erhalten hatten und an den Folgetagen jeweils 15 Minuten der Strahlung eines Mobiltelefons ausgesetzt wurden. Die Arbeit ist von der Methodik her allerdings kaum geeignet, Mutters Behauptung zu belegen, siehe auch Elektrosmog und Quecksilber.
Im Zusammenhang mit Mobilfunk meint Mutter außerdem, dass Zahnmetalle "Feldverstärkungen" verursachen ("da gibt's um jeden Zahn herum ein riesen-elektromagnetisches Feld"), und zwar infolge von "Resonanz", und dass "diese Felder in das Gehirn eindringen" und so die seiner Ansicht nach schädigende Wirkung des Mobilfunks verstärken. Diese nach den Gesetzmäßigkeiten der Elektrodynamik unsinnigen Aussagen illustriert er mit einer Fantasiezeichnung eiförmiger "Feldlinien" um einen Zahn. Dabei bezieht er sich auf eine der pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen des Zahnarztes Johann Lechner zum diffusen Begriff Störfelder, der mit Elektromagnetismus nichts zu tun hat. Um die Verbindung zu seinem Thema Amalgam herzustellen, fabuliert Mutter weiter, das gleiche gelte für "diese Quecksilberpartikel, die Sie vermehrt im Gehirn haben" und die "wie kleine Mikroantennen" wirken würden.
Elektrosmog-Schutzprodukt TerraPro
Mutter untersuchte 2007 zusammen mit Kollegen am Freiburger Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene die TerraPro Energieauflage.[10] Dieses Produkt wird vom Hersteller, der Firma TerraPro International AG, mit der pseudowissenschaftlichen Behauptung auf dem Esoterikmarkt angeboten, gegen Erdstrahlen und elektromagnetische Felder schützen und eine ominöse "Harmonisierung aller magnetischen Störeinflüsse" herbeiführen zu können. Dazu muss ein an die Auflage angeschlossenes Kabel an den Schutzleiter einer Steckdose angeschlossen werden, um dem Produkt die vermeintliche Wunderwirkung zu verleihen.
Anekdote: Haarausfall nach zerbrochener Energiesparlampe
Sowohl in dem alarmistischen Anti-Energiesparlampenfilm "Bulb Fiction"[11] wie auch in einem ZDF-Beitrag der Reihe ZDFzoom vom 8. August 2012 ("Giftiges Licht") wird Joachim Mutter zu einem behaupteten Fall eine Haarausfalls nach Zerbrechen einer Energiesparlampe zitiert. Laut kolportierter Anekdote soll einem vierjährigen Max Laus aus Linden in Oberbayern nach Zerbrechen einer Lampe eine so schwere Quecksilbervergiftung aufgetreten sein, dass er seine Haare verlor und unter "Zitterschüben" und Depressionen gelitten habe. Mutter soll dabei eine Quecksilberbelastung festgestellt haben, die für die Symptome des Jungen verantwortlich gewesen sei. Die Familie Laus soll danach das Haus verlassen haben, meldet die ARD.[12] Energiesparlampen enthalten in der Tat meist eine kleine Menge Quecksilber, durchschnittlich etwa 2 mg. Tatsächlich aber gibt es keine Hinweise dafür, daß die chemische Belastung der Umwelt zu einem vermehrten Haarverlust führt.[13] Die aus dem Quecksilberamalgam der Zahnfüllungen freigesetzten Quecksilbermengen reichen nicht aus, um Haarausfall herbeizuführen. Andererseits sind Haarausfälle nach hohem Fieber, schweren emotionalen Streß, durch Fehlernährung und verschiedene Medikamente beschrieben.
Werke
- Amalgam. Risiko für die Menschheit: Quecksilbervergiftungen richtig ausleiten. Neue Fakten und Hilfe, auch nach der Amalgamentfernung. Natura Viva 2008. ISBN-10: 3898815226, ISBN-13: 978-3898815222
- Gesund statt chronisch krank. Der ganzheitliche Weg: Vorbeugung und Heilung sind möglich. Natura Viva 2009
Quellennachweise
- ↑ Dialog zwischen Ralf Dieter Wölfle und Joachim Mutter vom Dezember 2009
- ↑ CO'MED, April und Mai 2008
- ↑ Naturarzt Heft 9/2008
- ↑ Joachim Mutter: Wie das Quecksilber in die Impfstoffe kam, Impf-Report
- ↑ Claus Köhnlein, Torsten Engelbrecht: Viruswahn - Vogelgrippe (H5N1), SARS, BSE, Hepatitis C, AIDS, Polio - Wie die Medizin-Industrie ständig Seuchen erfindet und auf Kosten der Allgemeinheit Milliarden-Profite macht
- ↑ http://www.stern.de/zaehne/aktuelles/amalgam-streit-der-heisse-tanz-um-den-hohlen-zahn-631653.html
- ↑ 7,0 7,1 7,2 Auftritt von Joachim Mutter auf der "Anti-Zensur-Konferenz" am 27. Juni 2009
- ↑ http://74.125.77.132/search?q=cache:SNwmyFvI7NUJ:therealstories.wordpress.com/2009/06/27/bericht-uber-anti-zensur-koalition-27-06-2009/+%22Joachim+Mutter%22+sekte&cd=7&hl=de&ct=clnk&gl=de
- ↑ Mortazavi SMJ, Daiee E, Yazdi A, Khiabani K, Kavousi A, Vazirineja R, Behnejad B, Ghasemi M, Balali Mond M (2008): Mercury Release from Dental Amalgam Restorations after Magnetic Resonance Imaging and Following Mobile Phone Use. Pak. J. Biol. Sci. 11(8): 1142-1146
- ↑ Alexandra Heiland, Dr. Corina Güthlin, Dr. Johannes Naumann, Dr. Joachim Mutter: Untersuchung der Wirkung einer Bettauflage (TerraPro®). Projekt des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universitätsklinik Freiburg im Auftrag der Firma TerraPro International AG
- ↑ Rezension: http://www.artechock.de/film/text/kritik/b/bufict.htm
- ↑ http://www.daserste.de/ttt/beitrag_dyn~uid,jwekp4na8t5cvw8c~cm.asp
- ↑ Mühlendahl, Karl Ernst von; Ständer, Hartmut; Traupe, Heiko. Haarausfall und Umwelteinflüsse, Dtsch Arztebl 1999; 96(23) Artikel