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==Die GERAC-Studien==
 
==Die GERAC-Studien==
Die bislang größte prospektive und randomisierte Untersuchung zur Akupunktur wurde in Deutschland ab 2002 in Form von vier getrennten Studien unter der Bezeichnung ''GERAC-Studien'' (german acupuncture trials) durchgeführt. Die Studien liefen über mehrere Jahre und sorgten bereits zur Laufzeit für Aufmerksamkeit und Polemik in den Medien. Im Kern kommt die Auswertung der GERAC-Studien im Dezember 2005 zum Schluss, dass einerseits die Wirksamkeit einer Akupunkturbehandlung nicht nachgewiesen werden konnte und dass die Akupunktur genauso wirksam sei, wie eine Scheinbehandlung (''sham'') durch eine Placebo-Akupunkturbehandlung, die studienintern als ''Gerac-Akupunktur'' durchgeführt wurde.<ref>S. Witte u.a.: ''[http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/inst_med_biometrie/pdf/51_geracGA_Bericht.pdf Wirksamkeit und Sicherheit von Akupunktur bei gonarthrosebedingten chronischen Schmerzen: Multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie.]'' Dezember 2005</ref><ref>[http://www.annals.org/cgi/content/abstract/145/1/12] H. P. Scharf u.a.: ''Acupuncture and Knee Osteoarthritis A Three-Armed Randomized Trial.'', In: ''Annals'' 145/2006, S.12–20.</ref>. (Bericht in Der Spiegel: [http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=32565481&top=SPIEGEL]). Die Placebo-Akupunkturbehandlung unterschied sich von der echten Akupunktur (''verum'') (entsprechend der Traditionellen Chinesischen Medizin) in der Wahl der Einstichorte. Vom Behandler wurden dazu willkürlich gewählte ''Akupunkturorte'' verwendet. Andererseits wurde den beiden Akupunkturmethoden (Verum '''und''' Placebo) bei bestimmten Erkrankungen jedoch eine Wirkung attestiert, die diejenige einer herkömmlichen symptomatischen medikamentösen Schmerztherapie übertrafen. Die TCM-Postulate eines Meridiansystems und der laut klassischer Lehre therapierelevanten Akupunkturpunkte konnten widerlegt werden, in Bestätigung zu bereits vorher durchgeführten anderen Studien. Die Studie selbst besagt in ihrer Auswertung, dass es unklar bleibt, ob und wie sehr die Wirkung psychologischer oder physiologischer Natur ist. Ebenso bleibt unklar, wie stark eine eventuelle Wirkung von Einstichstelle und -tiefe abhängt.<br>
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Die bislang größte prospektive und randomisierte Untersuchung zur Akupunktur wurde in Deutschland ab 2002 in Form von vier getrennten Studien unter der Bezeichnung ''GERAC-Studien'' (german acupuncture trials) durchgeführt. Die Studien liefen über mehrere Jahre und sorgten bereits zur Laufzeit für Aufmerksamkeit und Polemik in den Medien. Im Kern kommt die Auswertung der GERAC-Studien im Dezember 2005 zum Schluss, dass einerseits die Wirksamkeit einer Akupunkturbehandlung nicht nachgewiesen werden konnte und die Akupunktur genauso wirksam sei wie eine Scheinbehandlung (''sham'') durch eine Placebo-Akupunkturbehandlung, die studienintern als ''Gerac-Akupunktur'' bezeichnet wurde.<ref>S. Witte u.a.: ''[http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/inst_med_biometrie/pdf/51_geracGA_Bericht.pdf Wirksamkeit und Sicherheit von Akupunktur bei gonarthrosebedingten chronischen Schmerzen: Multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie.]'' Dezember 2005</ref><ref>[http://www.annals.org/cgi/content/abstract/145/1/12] H. P. Scharf u.a.: ''Acupuncture and Knee Osteoarthritis A Three-Armed Randomized Trial.'', In: ''Annals'' 145/2006, S.12–20.</ref>. (Bericht in Der Spiegel: [http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=32565481&top=SPIEGEL]). Die Placebo-Akupunkturbehandlung unterschied sich von der echten Akupunktur (''verum'') (entsprechend der Traditionellen Chinesischen Medizin) hinsichtlich der Einstichorte. Der Behandler wählte dazu willkürliche ''Akupunkturorte''. Andererseits wurde den beiden Akupunkturmethoden (Verum '''und''' Placebo) bei bestimmten Erkrankungen jedoch eine Wirkung attestiert, die diejenige einer herkömmlichen symptomatischen medikamentösen Schmerztherapie übertrafen. Die TCM-Postulate eines Meridiansystems und der laut klassischer Lehre therapierelevanten Akupunkturpunkte konnten widerlegt werden, in Bestätigung bereits vorher durchgeführter Studien. Die Studie selbst besagt in ihrer Auswertung, dass es unklar bleibt, ob und in welchem Maße die Wirkung psychologischer oder physiologischer Natur ist. Ebenso bleibt unklar, wie stark eine eventuelle Wirkung von Einstichstelle und -tiefe abhängt.<br>
 
An den GERAC-Studien wurde auch Kritik geübt. So wurde Folgendes zur Randomisierung und Verblindung im Zusammenhang mit den im Vergleich schlechteren Ergebnissen der konventionellen Schmerzbehandlung vorgebracht:
 
An den GERAC-Studien wurde auch Kritik geübt. So wurde Folgendes zur Randomisierung und Verblindung im Zusammenhang mit den im Vergleich schlechteren Ergebnissen der konventionellen Schmerzbehandlung vorgebracht:
 
* Patienten mit langjähriger Schmerzgeschichte (z.B. 8&nbsp;Jahre bei Kreuzschmerzen) haben in der Regel schon viele konventionelle Behandlungen ohne oder mit nur geringem Erfolg durchlaufen. Ein Einschluss derartiger Patienten führt also von vornherein zu Patientengruppen, bei denen kein guter Erfolg der konventionellen Behandlung zu erwarten ist.
 
* Patienten mit langjähriger Schmerzgeschichte (z.B. 8&nbsp;Jahre bei Kreuzschmerzen) haben in der Regel schon viele konventionelle Behandlungen ohne oder mit nur geringem Erfolg durchlaufen. Ein Einschluss derartiger Patienten führt also von vornherein zu Patientengruppen, bei denen kein guter Erfolg der konventionellen Behandlung zu erwarten ist.
 
* Die über zehnfache Zahl der Studienrückzieher in der konventionell zu behandelnden Migräne-Gruppe (109 gegenüber ca.&nbsp;10 aus jeder Akupunkturgruppe) zeigt eine hohe Erwartungshaltung der Teilnehmer. Entsprechend stark sollte auch der Einfluss auf den Placeboeffekt ausfallen.
 
* Die über zehnfache Zahl der Studienrückzieher in der konventionell zu behandelnden Migräne-Gruppe (109 gegenüber ca.&nbsp;10 aus jeder Akupunkturgruppe) zeigt eine hohe Erwartungshaltung der Teilnehmer. Entsprechend stark sollte auch der Einfluss auf den Placeboeffekt ausfallen.
* Die konventionell behandelten Teilnehmer wussten, dass sie "nur" in der Kontrollgruppe sind. Dies kann zur einer negativen Einstellung gegenüber der Behandlung führen, zumal die hier untersuchten chronischen Schmerzpatienten i.d.R. alles Konventionelle schon ausprobiert haben. Dies kann dann den zur Verstärkung des Noceboeffekts führen.
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* Die konventionell behandelten Teilnehmer wussten, dass sie "nur" der Kontrollgruppe angehören. Dies kann zur einer negativen Einstellung gegenüber der Behandlung führen, zumal die hier untersuchten chronischen Schmerzpatienten i.d.R. bereits viele konventionelle Methoden angwendet haben. Dies kann zur Verstärkung des Noceboeffekts führen.
 
* Eine ''wasserfeste'' Verblindung war unmöglich zu realisieren. Die Probanden konnte ihre Einstichstellen nachträglich mit Angaben aus der Akupunkturliteratur vergleichen. Akupunkturerfahrene Patienten konnten auch die Stichtiefe einschätzen.
 
* Eine ''wasserfeste'' Verblindung war unmöglich zu realisieren. Die Probanden konnte ihre Einstichstellen nachträglich mit Angaben aus der Akupunkturliteratur vergleichen. Akupunkturerfahrene Patienten konnten auch die Stichtiefe einschätzen.
 
* Vorzeitige Entblindung: Das Design der Gonarthrose-Studie und die Art und Weise der Scheinakupunktur wurde schon während der Studie in Onlinepublikationen und öffentlichen Bibliotheken und Internet veröffentlicht.
 
* Vorzeitige Entblindung: Das Design der Gonarthrose-Studie und die Art und Weise der Scheinakupunktur wurde schon während der Studie in Onlinepublikationen und öffentlichen Bibliotheken und Internet veröffentlicht.
* Beeinflussung der Studienteilnehmer: Bei bzw. schon vor dem Studieneinstieg wurden die Teilnehmer durch die GERAC selbst mit Werbung für die TCM beeinflusst. GERAC-Originalton: "Herzlich willkommen bei GERAC [...] Haben Sie Schmerzen im Knie oder im Rücken? Dann profitieren Sie von GERAC [...] Wenn Sie an den Studien teilnehmen, werden Sie am Ende den Schmerz allemal ausstechen [...] Über die Akupunktur berichten die Patienten Fantastisches [...] Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) hat uns etwas voraus [...] Bis Mitte 2003 haben Sie die Chance, sich bei einem von 400&nbsp;ausgesuchten Ärzten behandeln zu lassen. Dann nehmen Sie an Studien teil, die weltweit große Beachtung finden [...] Wir, das Team der Wissenschaftler von GERAC, würden uns freuen, Sie als Patienten in unseren Studien begrüßen zu dürfen [...]."
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* Beeinflussung der Studienteilnehmer: Bei bzw. schon vor Studieneinstieg wurden die Teilnehmer durch die GERAC selbst mit Werbung für die TCM beeinflusst. GERAC-Originalton: "Herzlich willkommen bei GERAC [...] Haben Sie Schmerzen im Knie oder im Rücken? Dann profitieren Sie von GERAC [...] Wenn Sie an den Studien teilnehmen, werden Sie am Ende den Schmerz allemal ausstechen [...] Über die Akupunktur berichten die Patienten Fantastisches [...] Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) hat uns etwas voraus [...] Bis Mitte 2003 haben Sie die Chance, sich bei einem von 400&nbsp;ausgesuchten Ärzten behandeln zu lassen. Dann nehmen Sie an Studien teil, die weltweit große Beachtung finden [...] Wir, das Team der Wissenschaftler von GERAC, würden uns freuen, Sie als Patienten in unseren Studien begrüßen zu dürfen [...]."
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Aber es wurde auch Kritik am Studienprotokoll bekannt. So gab es bei der Rückenschmerzstudie Unterschiede zwischen den verwendeten Protokollen der Akupunktur- und der konventionellen Behandlung. Für die konventionellen Behandlung waren nur Dokumentationsspalten für 6&nbsp;Sitzungen vorgesehen und nicht&nbsp;10, wie bei der Akupunkturgruppe. Eine detaillierte Auflistung der Kritikpunkte ist hier [http://www.annals.org/cgi/eletters/145/1/12] zu finden.
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Ebenfalls wurde Kritik am Studienprotokoll bekannt. So gab es bei der Rückenschmerzstudie Unterschiede zwischen den verwendeten Protokollen der Akupunktur- und der konventionellen Behandlung. Für die konventionelle Behandlung waren nur Dokumentationsspalten für 6&nbsp;Sitzungen vorgesehen und nicht&nbsp;10 wie bei der Akupunkturgruppe. Eine detaillierte Auflistung der Kritikpunkte ist hier [http://www.annals.org/cgi/eletters/145/1/12] zu finden.
    
==Bekannte methodische Probleme kontrollierter Akupunkturstudien==  
 
==Bekannte methodische Probleme kontrollierter Akupunkturstudien==  
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