Alternativmedizin: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Unter '''Alternativmedizin''' (zur Etymologie: siehe <ref>"alternativ": etymologische Bedeutung. Adj. "eine zweite Möglichkeit bildend". In lateinischer Form begegnet das Adverb alternative (vgl. mlat. alternativus Adj.) seit dem 15. Jh. in dt. Texten. Mit beginnendem 18. Jh. wird das auslautende -e aufgegeben und adjektivischer Gebrauch möglich. Zugrunde liegt lat. alternus "abwechselnd". Ableitung von lat. alter "der eine von zweien, der andere". - Alternative für "Entscheidungszwang zwischen zwei Möglichkeiten." Zuerst in lat. Form Alternativa (Leibniz 1670); danach gewinnt das Wort mit deutscher Endung (wohl unter Einfluss von gleichbed. frz. alternative) rasch an Verbreitung. Quelle: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 5. Auflage 2000. München: DTV</ref>) versteht man Methoden und Behandlungen, welche nicht von der wissenschaftsbasierten Medizin (auch ''evidenzbasierte Medizin'' oder ''evidence based medicine, EBM'') angewendet werden | + | Unter '''Alternativmedizin''' (zur Etymologie: siehe <ref>"alternativ": etymologische Bedeutung. Adj. "eine zweite Möglichkeit bildend". In lateinischer Form begegnet das Adverb alternative (vgl. mlat. alternativus Adj.) seit dem 15. Jh. in dt. Texten. Mit beginnendem 18. Jh. wird das auslautende -e aufgegeben und adjektivischer Gebrauch möglich. Zugrunde liegt lat. alternus "abwechselnd". Ableitung von lat. alter "der eine von zweien, der andere". - Alternative für "Entscheidungszwang zwischen zwei Möglichkeiten." Zuerst in lat. Form Alternativa (Leibniz 1670); danach gewinnt das Wort mit deutscher Endung (wohl unter Einfluss von gleichbed. frz. alternative) rasch an Verbreitung. Quelle: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 5. Auflage 2000. München: DTV</ref>) versteht man Methoden und Behandlungen, welche nicht von der wissenschaftsbasierten Medizin (auch ''evidenzbasierte Medizin'' oder ''evidence based medicine, EBM'') angewendet werden. Vor allem von Befürwortern werden auch die Begriffe ''Komplementärmedizin'', ''Erfahrungsmedizin'' und ''Integrative Medizin'' benutzt. Im englischen Sprachraum, aber zunehmend auch bei uns, werden komplementär- und alternativmedizinische Verfahren als ''CAM'' bezeichnet. Richard Dawkins meinte: "Es gibt keine Alternativmedizin. Es gibt nur Medizin die wirkt und Medizin die nicht wirkt."<ref>Dawkins, Richard (2003). A Devil's Chaplain. United States: Houghton Mifflin. p. 58. ISBN 978-0-618-33540-4.</ref>, eine Sicht, die auch von Tim Minchin in seinem animierten Gedicht "Storm" geteilt wird.<ref>[http://www.timminchin.com/2011/04/08/storm/ Storm!!!!!!!!], by Tim Minchin, April 8, 2011, abgerufen am 4. Juni 2011</ref> |
− | + | Edzard Ernst, Professor für Komplimentärmedizin an der Universität von Exeter in England argumentiert, dass die Bezeichnung "Complementary and Alternative Medicine"("CAM") ein fast sinnloser Überbegriff ist und das Unterscheidungen zwischen diesen Modalitäten gemacht werden müssten. Alle Behandlungen, ob "etabliert" oder "alternativ" müssen den selben Standards der wissenschaftlichen Methodik entsprechen. Die "Evidenzbasierte Medizin" ist ein Ideal, das weder von der etablierten noch von der alternativen Medizin erreicht wurde. Ernst bezeichnet die Beweislage für viele alternative Techniken als schwach, nichtexistent oder negativ, aber gibt an, dass für etwa 20 Behandlungsmethoden Belege vorliegen, speziell für manche Kräuter und Akupunktur – was aber nicht bedeutet, dass die Behandlungsmethoden etabliert sind, speziell nicht weltweit.<ref>[http://www.cosmolearning.com/topics/alternative-medicine/ Cosmo Learning: Alternative medicine], abgerufen am 4. Juni 2011</ref><ref name="GWUP2">[http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/06/gwuptagung-in-wien-zweiter-tag-homoopathie-und-der-mozarteffekt.php GWUP-Tagung in Wien, zweiter Tag: Homöopathie und der Mozart-Effekt], Florian Freistetter, ScienceBlogs, abgerufen am 4 Juni 2011</ref> | |
− | + | Das ''National Center for Complementary and Alternative Medicine NCCAM'' in den USA definiert komplementär- und alternativmedizinische Therapien als Behandlungen, die anstatt ("alternativ") oder zusätzlich ("komplementär") zu einer konventionellen, etablierten Therapie durchgeführt werden.<ref>[http://nccam.nih.gov/health/whatiscam/ What Is Complementary and Alternative Medicine?], National Center for Complementary and Alternative Medicine NCCAM, abgerufen am 3. Juni 2011</ref> Eine Behandlung gilt dann als etabliert, wenn die klinische Wirksamkeit in prospektiven, randomisierten Studien zweifelsfrei belegt ist oder eine biologische Rationale die Behandlung als sinnvoll erscheinen lässt. Eine Englisch-Australische Forschergruppe zeigte 2009 mit einem Rechenmodell, dass merkwürdigerweise gerade wenig wenig oder nicht wirksame Methoden die Eigenschaft haben, sich schnell zu verbreiten.<ref name="Tanaka">Tanaka MM, Kendal JR, Laland KN (2009) [http://www.plosone.org/article/fetchObjectAttachment.action?uri=info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0005192&representation=PDF From Traditional Medicine to Witchcraft: Why Medical Treatments Are Not Always Efficacious]. PLoS ONE 4(4): e5192. doi:10.1371/journal.pone.0005192</ref><ref>[http://www.newscientist.com/article/dn17064-quack-remedies-spread-by-virtue-of-being-useless.html Quack remedies spread by virtue of being useless], New Scientist, May 01, 2009</ref> | |
− | In der Regel beruhen die Konzepte der Alternativ- und Komplementärmedizin auf einem Axiom.<ref>http://www.uni-marburg.de/ivv/download/praesentationen/adhs081217trott | + | Die Begriffe ''Alternativmedizin'' und ''Komplementärmedizin'' sind daher beschönigend, da sie in der Regel keine wirklichen Alternativen anbieten, sondern nicht oder weniger wirksame, pseudomedizinische Methoden. Das gilt auch für die Bezeichnung ''Erfahrungsmedizin'', mit der die Berufung auf anekdotische Heilerfolge statt auf solide Wirkungsnachweise als positive Eigenschaft dargestellt werden soll.<ref>[http://www.skepdic.com/compmed.html complementary medicine] im Skeptic Dictionary, abgerufen am 4. Juni 2011</ref> Fast alle alternativmedizinischen Verfahren sind der [[Pseudomedizin]] zuzurechnen. In der Regel beruhen die Konzepte der Alternativ- und Komplementärmedizin auf einem Axiom.(eine selbstverständliche Wahrheit, die keinen Beweis benötigt).<ref>http://www.uni-marburg.de/ivv/download/praesentationen/adhs081217trott page 10</ref><ref>axiom. Dictionary.com. Dictionary.com Unabridged. Random House, Inc. http://dictionary.reference.com/browse/axiom (accessed: June 03, 2011).</ref> |
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+ | CAM hat sich zu einem großen Geschäft entwickelt, der weltweite Umsatz wird auf 60 Milliarden U.S. Dollar geschätzt.<ref name="Tanaka" /> | ||
==Der Alternativmedizin-Markt== | ==Der Alternativmedizin-Markt== |
Version vom 9. Juni 2011, 20:26 Uhr
Unter Alternativmedizin (zur Etymologie: siehe [1]) versteht man Methoden und Behandlungen, welche nicht von der wissenschaftsbasierten Medizin (auch evidenzbasierte Medizin oder evidence based medicine, EBM) angewendet werden. Vor allem von Befürwortern werden auch die Begriffe Komplementärmedizin, Erfahrungsmedizin und Integrative Medizin benutzt. Im englischen Sprachraum, aber zunehmend auch bei uns, werden komplementär- und alternativmedizinische Verfahren als CAM bezeichnet. Richard Dawkins meinte: "Es gibt keine Alternativmedizin. Es gibt nur Medizin die wirkt und Medizin die nicht wirkt."[2], eine Sicht, die auch von Tim Minchin in seinem animierten Gedicht "Storm" geteilt wird.[3]
Edzard Ernst, Professor für Komplimentärmedizin an der Universität von Exeter in England argumentiert, dass die Bezeichnung "Complementary and Alternative Medicine"("CAM") ein fast sinnloser Überbegriff ist und das Unterscheidungen zwischen diesen Modalitäten gemacht werden müssten. Alle Behandlungen, ob "etabliert" oder "alternativ" müssen den selben Standards der wissenschaftlichen Methodik entsprechen. Die "Evidenzbasierte Medizin" ist ein Ideal, das weder von der etablierten noch von der alternativen Medizin erreicht wurde. Ernst bezeichnet die Beweislage für viele alternative Techniken als schwach, nichtexistent oder negativ, aber gibt an, dass für etwa 20 Behandlungsmethoden Belege vorliegen, speziell für manche Kräuter und Akupunktur – was aber nicht bedeutet, dass die Behandlungsmethoden etabliert sind, speziell nicht weltweit.[4][5]
Das National Center for Complementary and Alternative Medicine NCCAM in den USA definiert komplementär- und alternativmedizinische Therapien als Behandlungen, die anstatt ("alternativ") oder zusätzlich ("komplementär") zu einer konventionellen, etablierten Therapie durchgeführt werden.[6] Eine Behandlung gilt dann als etabliert, wenn die klinische Wirksamkeit in prospektiven, randomisierten Studien zweifelsfrei belegt ist oder eine biologische Rationale die Behandlung als sinnvoll erscheinen lässt. Eine Englisch-Australische Forschergruppe zeigte 2009 mit einem Rechenmodell, dass merkwürdigerweise gerade wenig wenig oder nicht wirksame Methoden die Eigenschaft haben, sich schnell zu verbreiten.[7][8]
Die Begriffe Alternativmedizin und Komplementärmedizin sind daher beschönigend, da sie in der Regel keine wirklichen Alternativen anbieten, sondern nicht oder weniger wirksame, pseudomedizinische Methoden. Das gilt auch für die Bezeichnung Erfahrungsmedizin, mit der die Berufung auf anekdotische Heilerfolge statt auf solide Wirkungsnachweise als positive Eigenschaft dargestellt werden soll.[9] Fast alle alternativmedizinischen Verfahren sind der Pseudomedizin zuzurechnen. In der Regel beruhen die Konzepte der Alternativ- und Komplementärmedizin auf einem Axiom.(eine selbstverständliche Wahrheit, die keinen Beweis benötigt).[10][11]
CAM hat sich zu einem großen Geschäft entwickelt, der weltweite Umsatz wird auf 60 Milliarden U.S. Dollar geschätzt.[7]
Der Alternativmedizin-Markt
Für die Beliebtheit von Angeboten außerhalb der wissenschaftsbasierten Medizin können verschiedene Faktoren angenommen werden. Neben den bekannten Argumenten wie "Heilpraktiker nehmen sich mehr Zeit für den Patienten als Ärzte" können z.B. auch Enttäuschungen und Misstrauen im Zusammenhang mit herkömmlichen Behandlungen eine Rolle spielen. Viele Patienten und Kunden finden auch Gefallen an einer mehr oder weniger deutlichen Kritik an "der Schulmedizin" oder auch "der Pharmaindustrie", die im alternativmedizinischen Umfeld nicht selten ist. Eine Attraktivität kann sich auch aus den typischen Merkmalen pseudomedizinischer Verfahren ergeben, beispielsweise schlichte, anschauliche Erklärungen zum Wirkmechanismus oder das angebliche Fehlen von Nebenwirkungen.
In Deutschland ist ein Anstieg der CAM-Anbieter zu verzeichnen. Von 1993 bis 2000 stieg die Anzahl der Heilpraktiker als wichtigster, nichtärztlicher CAM-Beruf um 90% (von 11/100.000 auf 21/100.000 Einwohner). Die ärztlichen CAM-Qualifikationen erhöhten sich im gleichen Zeitraum um 125% (von 19/100.000 auf 43/100.000).[12]
Jährlich werden in Deutschland pflanzliche Heilmittel für rund zwei Milliarden Euro verschrieben und rund neun Milliarden Euro für komplementär- und alternativmedizinische Verfahren ausgegeben (Stand 2006).[13] Fünf Milliarden Euro davon zahlen die Patienten selbst. Vier Milliarden Euro erstatten die Krankenkassen. 40.000 Ärzte bieten entsprechende Therapien an.[14] Eine andere Schätzung ergibt, dass in Deutschland der Gesamtumsatz der Branche bei etwa 20% der gesamten Wellnessbranche liegt, die jährlich etwa 50 Milliarden Euro umsetzt, und würde demnach bei etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr liegen.[15] Weltweit wird der Jahresumsatz auf 60 Milliarden US-Dollar geschätzt.[16] Laut Zahlen des Wirtschaftsforschungsunternehmens "Global Insight" wird der jährliche Umsatz der Wellness-Branche in Deutschland inzwischen auf rund 73 Milliarden Euro geschätzt.
Zahlen zu Umsätzen der Alternativ- und Komplementärmedizin sind auch aus den USA bekannt. Für das Jahr 2007 gibt das National Health Statistic Report in einem Artikel vom 30. Juli 2009[17] an, dass amerikanische Patienten 33,9 Milliarden Dollar für CAM-Leistungen und Produkte ausgegeben haben. Auf die Homöopathie entfielen 3 Milliarden, auf Qigong 4 Milliarden. Bei dieser Summe sind Ausgaben für Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen nicht enthalten.[18] 1997 wurden in den USA für Komplementärmedizin 36 bis 47 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Davon wurden 12 bis 20 Milliarden USD aus eigener Tasche für Komplementär-Therapeuten eingesetzt.[19] Dies entspricht der Hälfte der aus eigener Tasche ausgegebenen Summe für eine ärztliche Dienstleistung. Nach einer anderen Quelle wurden im Jahr 2002 27 Milliarden US-Dollar für komplementär- und alternativmedizinische Verfahren durch die Konsumenten selbst ausgegeben.[20] Nach einer Untersuchung des Autors McGinnis wurde in den USA 1987 viermal mehr Geld für Komplementärmedizin ausgegeben als für die gesamte Krebsforschung.[21] 1981 erzielte Laetrile, ein damals populäres, unwirksames, alternatives Krebsmedikament aus Aprikosenstein-Extrakt, einen Umsatz von 2 Milliarden US-Dollar. Im gleichen Zeitraum wurde für Chemotherapie 0,2 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Dem National Center for Complementary and Alternative Medicine in den USA steht ein Jahresbudget von 122 Millionen Dollar zur Verfügung, finanziert vom Staat.
Forschungsausgaben für Alternativmedizin
Forschungsgelder für den Bereich der Alternativmedizin stammen in Deutschland zu einem großen Teil von privaten Stiftungen wie:
- Karl und Veronica Carstens-Stiftung (27 Mio. Euro). Im Mai 2008 sponserte sie mit 1,5 Mio. Euro die Stiftungsprofessur für alternative Medizin an der Berliner Charité.
- Krupp-Stiftung
- Kneipp-Stiftung
- Gerhard Kienle Stiftung
- Erich Rothenfußer Stiftung
Aber auch Hersteller von alternativmedizinischen Präparaten finanzieren Forschung auf diesem Gebiet. Bionorica und Schwabe haben Forschungsetats von 17 und 25 Mio. Euro. Zwar lassen sich Substanzen, die in der Natur (etwa Pflanzen) vorkommen, nicht patentieren, spezielle Zubereitungen hingegen schon.
In den USA wurden seit 1999 durch das staatliche National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) 2,5 Milliarden US-Dollar für die Forschung über Alternativmedizin aufgebracht.[22]
Zur Zeit (2010) geben das amerikanische "National Center for Complementary and Alternative Medicine" (NCCAM) und das "Office of Cancer Complementary and Alternative Medicine" (OCCAM) zusammen pro Jahr 240 Millionen US Dollar der NIH-Behörde aus.[23]
Patienten der Alternativmedizin
Der typische Patient bzw. Kunde lässt sich durch folgende Attribute charakterisieren:
- jung (30-50 Jahre)[24]
- höhere Bildung
- neigt politisch zu "Links" und "Grün"[25]
- relativ hohes Einkommen
- weiblich
Kritik
Anwender alternativmedizinischer Methoden berufen sich bei der Frage nach einer Wirksamkeit häufig lediglich auf ihre eigene Erfahrung, die sich auf die selektive Auswahl bestimmter eigener Wahrnehmungen in der Vergangenheit bezieht. Derartige retrospektive Betrachtungen haben jedoch keinen beweisenden Charakter. Auch die gelegentlich zu hörende Argumentation Wer heilt hat Recht ist nicht zielführend, da er fast immer eine Verwechslung von Kausalität mit Korrelation aufgrund anekdotischer Erlebnisse oder Berichte ist. Anders ausgedrückt, die Erkrankung könnte statt durch homöopathische Globuli auch genau so gut "von selbst" verschwunden sein.
Der Begriff einer postulierten und unscharf formulierten "Ganzheitlichkeit" (meist verbunden mit "von Körper, Geist und Seele") bleibt innerhalb der Alternativmedizin ein reines Versprechen, das auf Grund des zeitlichen oder finanziellen Bedarfs auch nur schwer umzusetzen wäre (siehe Ganzheitlichkeit nach Issels).
Gefahrenpotential
Die Alternativmedizin birgt Gefahren und Risiken[26][27][28]:
- Ablehnung effektiver Diagnostik oder Therapie zu Gunsten von pseudomedizinischen Methoden ohne Wirksamkeitsnachweis, mit der Folge einer Verschleppung einer Krankheit, oder dem Erscheinen vermeidbarer Symptome
- Fehldiagnosen aufgrund mangelhafter medizinischer Ausbildung von in der Alternativmedizin Tätigen
- Verschlechterung der Therapieaussichten durch vergebliche pseudomedizinische Bemühungen
- Entstehung von Schuldgefühlen bei Misserfolg, sich selbst oder Angehörigen gegenüber
- Psychische oder finanzielle Ausbeutung aufgrund eines Heilangebots, das sektenartige Strukturen aufweist
- Entstehung einer psychischen Abhängigkeit bis hin zur Heilersucht
- Todesfälle oder körperliche Schäden durch nicht geeignete Verfahren
In einer im Dezember 2010 veröffentlichten Studie des Royal Children's Hospital in Melbourne wurden 39 Fälle untersucht, bei denen Kinder nach alternativmedizinischen Behandlungen zu Schaden kamen. In 30 Fällen konnte ein Zusammenhang zwischen der Schädigung der Patienten und dem Einsatz alternativmedizinischen Therapieansätzen beziehungsweise der Verweigerung der von den Ärzten verordneten Medikamente hergestellt werden. Vier der Kinder starben, weil die Eltern medizinische Therapien verweigerten. Ein acht Monate alter unterernährter Säugling erlag einem septischen Schock, nachdem er seit dem 3. Lebensmonat wegen einer vermeintlichen Verstopfung auf eine “naturopathische” Reismilchdiät gesetzt worden war. Ein 10 Monate alter Säugling starb ebenfalls an einem septischen Schock, nachdem er wegen eines chronischen Ekzems auf eine restriktive Diät gesetzt worden war. Ein weiteres Kind starb nach mehrfachen epileptischen Anfällen, nachdem die Eltern die antiepileptischen Medikamente aus Angst vor Nebenwirkungen abgesetzt und das Kind mit alternativmedizinischen Mittelchen behandelt hatten. Das vierte Kind erlitt tödliche Blutungen, weil die Eltern die Therapie mit Gerinnungsfaktoren zugunsten einer komplementärmedizinischen Behandlung verweigert hatten.[29][30]
Einschüchterungsversuche und Aktivitäten gegen Kritiker
Personen oder Institutionen, die die Alternativmedizin kritisch betrachten und auf den pseudomedizinischen Charakter hinweisen, müssen auch mit persönlichen Angriffen rechnen. So wurden zwei Frauen, die auf einer Veranstaltung von Helmut Pilhar zur Germanischen neuen Medizin in Frankfurt kritische Fragen zu dem Verfahren stellten, von glatzköpfigen Herren "nach Hause" begleitet. Die zwei Frauen mussten die Polizei zu Hilfe holen. Auch wollten Frischzellentherapeuten einem Kritiker gerichtlich verbieten lassen, gegenüber der Presse auf Anfrage seine Beurteilung der Frischzellentherapie mitzuteilen.[31] Ein weiteres Beispiel sind Zivilklagen gegen das Projekt Paralexx, die zur dessen zeitweiser Einstellung führten.
Die Stiftung Warentest wollte ein Buch mit kritischer Analyse und Bewertung von Natur- und Alternativmedizin herausgeben. Die Zeitschrift Stern nahm die Chance für eine Vorveröffentlichung auf: Krista Federspiel, eine der beiden Autorinnen, und ihr Kollege Hans Weiss boten an, eine "Wallraffiade" durch diese Szene zu unternehmen und sich von je zehn Naturheilern eine Diagnose erstellen zu lassen. Der Stern garantierte eine großzügige Bezahlung für die Reportage und forderte einen zweiten Teil an, in dem von Alternativmethoden Geschädigte namentlich vorgestellt werden sollten. Zum Nachweis, dass die Journalisten tatsächlich bei den Naturheilern waren, hielt ein Fotograf das Geschehen fest. Jeder besuchte Heiler dichtete den Probanden mehrere Krankheiten an: Insgesamt wurden 38 verschiedene Krankheiten sowie eine Unzahl von Störungen und Allergien attestiert und mehr als 130 Medikamente verschrieben. Als die Reportage "Wunderheiler und Krankbeter" im Stern 49/1991 zu lesen war, löste die darin erhobene Kritik so viel Empörung und massive Proteste von Heilpraktikern aus, dass die Redaktion aus Angst vor Leserverlust die Veröffentlichung des zweiten Teils scheute und ihn schließlich ganz absagte. Man gab die Rechte an die Autoren zurück.[32]
In einer Sendung des ZDF vom 5. September 2007 mit dem Titel "Heilen mit dem Nichts?" berichtete der Journalist Joachim Bublath über wissenschaftliche Erkenntnisse zur Homöopathie (unter anderem über eine Analyse des renommierten The Lancet [3]), die eine etwaige Wirksamkeit dieser umstrittenen Methode gegenüber Placebos in Frage stellte. Die Folge waren Aufrufe von Homöopathie-Befürwortern zum spamming und das ZDF kuschte, indem es die Webseiten mit den zitierten Lancet-Angaben löschte.[33][34]
Literatur
- Shermer M. und Lee Traynor: Heilungsversprechen - Alternativmedizin zwischen Versuch und Irrtum, Skeptisches Jahrbuch III, Alibri, 2004, ISBN 3-932710-86-X
- Ullmann Christian: Fakten über die „andere Medizin“. Augsburg: Foitzick 2006
- Lambeck Martin, Irrt die Physik?: (2003) Über alternative Medizin und Esoterik, Beck Verlag
- Heyll Uwe, Wasser, Fasten, Luft und Licht: Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland, (2006) Campus Verlag
- Singh Simon, Ernst Edzard, Trick or Treatment: The Undeniable Facts about Alternative Medicine, (2008) Random House
- Goldner C: Alternative Diagnose- und Therapieverfahren: Eine kritische Bestandsaufnahme. Alibri 2008 ISBN-10: 3865690432
- Federspiel K., I. Lackinger-Karger: Kursbuch Seele. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1996 (544 S.)
- Beyerstein B.L.: Warum falsche Therapien zu wirken scheinen. In Shermer/Traynor (s. u.)
- Harder Bernd: Stimmt es, dass Recht hat, wer heilt? Skeptiker 2/07, 74-75
- Much Theodor: Der veräppelte Patient?: Alternativmedizin zwischen (Aber-)Glauben und Wissenschaft. Verlag: EDITION VA bENE, Klosterneuburg; 2003. ISBN-10: 3851671430
- Oepen I.: An den Grenzen der Schulmedizin. Eine Analyse umstrittener Methoden. Köln: Dt. Ärzte-Verlag 1985
- Oepen I., O. Prokop (Hrsg.): Außenseitermethoden in der Medizin. Ursprünge, Gefahren, Konsequenzen. WBG 1989
- Oepen I. (1993): Unkonventionelle medizinische Verfahren, Stuttgart.
- Oepen I., Amardeo Sarma (Hrsg.)(1998): Paramedizin - Analysen und Kommentare, Muenster.
- Oepen I., R. Scheidt: Wunderheiler heute. Eine kritische Literaturstudie. München: Zuckschwerdt 1989
- Randi J.: Flim-Flam! Buffalo: Prometheus 1982, ch. 7 (Wunderheiler entlarvt)
- Siebert A.: Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit. Berlin: Springer 1983
- Stalker D., C. Glymour (eds.): Examining holistic medicine. Buffalo: Prometheus 1985
- Ernst E.: The Desktop Guide to Complementary and Alternative Medicine. An evidence-based approach. Mosby, Harcourt Publishers Limited 2001
- Simon Singh, Edzard Ernst: "Gesund ohne Pillen - was kann die Alternativmedizin?". Verlag Hanser GmbH. ISBN: 3446233016
- R. Barker Bausell: Snake Oil Science. The Truth about Complementary and Alternative Medicine, B&T, 2007
- Weber Tobias: Christian Ullmanns „Fakten über die andere Medizin“. Skeptiker 19 (3/06) 103-106
- Margaret Thaler Singer und Janja Lalich: (1996) "Crazy" Therapies - What are they? Do They Work? San Francisco: Jossey-Bass Publishers, 1996
- Ernst E. How to get rich quickly with 'alternative' medicine Skeptical Inquirer 2009, Mar-Apr S. 57
Siehe auch: Helsana-Studie
Weblinks
- http://www.faz.net/s/RubF3CE08B362D244869BE7984590CB6AC1/Doc~EFE6249A7501E4254B8EEA47E0CA266ED~ATpl~Ecommon~Scontent.html
- http://www.hauszumdolder.ch/docs/03_01_Robert_Juette.pdf
- Edzard Ernst: komplementärmedizinische Diagnoseverfahren
- http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gastg&p_aid=&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=7861::Medizin
- http://www.zm-online.de/zm/14_01/pages2/mediz1.htm
- http://www.zm-online.de/zm/15_01/pages2/mediz1.htm
- http://www.zm-online.de/zm/16_01/pages2/mediz1.htm
- http://www.zm-online.de/zm/17_01/pages2/mediz1.htm
- Der Spiegel: Alternativmedizin und Artenschutz
- blog.ebook-insel: Anthroposophie-Homöopathie-co wie verhalten sich dazu Kassen und Politiker in Deutschland
- Laborjournal: Ein Flussdiagramm der Alternativen Medizin (engl.)
- Sekten-Info NRW: Kriterien zur Beurteilung alternativer/komplementärer Heilmethoden
Quellenangaben
- ↑ "alternativ": etymologische Bedeutung. Adj. "eine zweite Möglichkeit bildend". In lateinischer Form begegnet das Adverb alternative (vgl. mlat. alternativus Adj.) seit dem 15. Jh. in dt. Texten. Mit beginnendem 18. Jh. wird das auslautende -e aufgegeben und adjektivischer Gebrauch möglich. Zugrunde liegt lat. alternus "abwechselnd". Ableitung von lat. alter "der eine von zweien, der andere". - Alternative für "Entscheidungszwang zwischen zwei Möglichkeiten." Zuerst in lat. Form Alternativa (Leibniz 1670); danach gewinnt das Wort mit deutscher Endung (wohl unter Einfluss von gleichbed. frz. alternative) rasch an Verbreitung. Quelle: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 5. Auflage 2000. München: DTV
- ↑ Dawkins, Richard (2003). A Devil's Chaplain. United States: Houghton Mifflin. p. 58. ISBN 978-0-618-33540-4.
- ↑ Storm!!!!!!!!, by Tim Minchin, April 8, 2011, abgerufen am 4. Juni 2011
- ↑ Cosmo Learning: Alternative medicine, abgerufen am 4. Juni 2011
- ↑ GWUP-Tagung in Wien, zweiter Tag: Homöopathie und der Mozart-Effekt, Florian Freistetter, ScienceBlogs, abgerufen am 4 Juni 2011
- ↑ What Is Complementary and Alternative Medicine?, National Center for Complementary and Alternative Medicine NCCAM, abgerufen am 3. Juni 2011
- ↑ 7,0 7,1 Tanaka MM, Kendal JR, Laland KN (2009) From Traditional Medicine to Witchcraft: Why Medical Treatments Are Not Always Efficacious. PLoS ONE 4(4): e5192. doi:10.1371/journal.pone.0005192
- ↑ Quack remedies spread by virtue of being useless, New Scientist, May 01, 2009
- ↑ complementary medicine im Skeptic Dictionary, abgerufen am 4. Juni 2011
- ↑ http://www.uni-marburg.de/ivv/download/praesentationen/adhs081217trott page 10
- ↑ axiom. Dictionary.com. Dictionary.com Unabridged. Random House, Inc. http://dictionary.reference.com/browse/axiom (accessed: June 03, 2011).
- ↑ Susanne Weinbrenner, MPH FG Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
- ↑ Anja Achenbach: Millionenmarkt Naturheilkunde. In: Financial Times, 21. Januar 2009
- ↑ http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=57593 Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 46 vom 16. November 2007
- ↑ Horst Klinkmann, dritte nationale Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft (Rostock)
- ↑ Tanaka MM, Kendal JR, Laland KN (2009) From Traditional Medicine to Witchcraft: Why Medical Treatments Are Not Always Efficacious. PLoS ONE 4(4): e5192. doi:10.1371/journal.pone.0005192 [1]
- ↑ Richard L. Nahin, Patricia M. Barnes, Barbara J. Stussman, Barbara Bloom. NHSR, Number 18 n July 30, 2009. Costs of Complementary and Alternative Medicine (CAM) and Frequency of Visits to CAM Practitioners: United States, 2007
- ↑ http://www.quackometer.net/blog/2009/07/what-would-34-billion-of-quack-money.html
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- ↑ Curt G.A.: Introduction: Complementary and Alternative Medicine in Cancer Treatment. Sem Oncol 2002; 29: 529-530
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- ↑ http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/44039/Paediatrie--Tod-nach-Alternativmedizin.htm
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- ↑ http://kritischgedacht.wordpress.com/2007/12/25/sanfte-alternative/
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- ↑ http://docs.google.com/gview?a=v&q=cache%3AyI15cEvKzLYJ%3Awww.bdhn-ev.de%2Fuploads%2Fmedia%2FDie_modernen_Wunderheiler.pdf+%22Die+modernen+Wunderheiler%22+Aufruf&hl=de&gl=de&sig=AFQjCNEeIW2yCgFsl__3f69O5E8oV-HJCQ&pli=1