Tantra: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 3. Februar 2011, 14:02 Uhr
Tantra ist eine Meditationsschule, die ihre Wurzeln in esoterischen hinduistischen Traditionen hat und in den Buddhismus übernommen wurde. Die Ursprünge des Tantra beginnen im 2. Jahrhundert, in voller Ausprägung liegt die Lehre jedoch frühestens ab dem 7./8. Jahrhundert vor.
Die bekannteste Schrift ist der Vigyana Bhairava Tantra, in dem der Hindu-Gott Shiva seiner Gefährtin Shakti in 112 Versen (Sutras) offenbart, wie sexuelle Vereinigung in göttliche Ekstase verwandelt werden kann. Allerdings sieht von den verschiedenen traditionellen tantrischen Formen nur das sogenannte „linkshändige Tantra“ Praktiken mit Partnerinnen und tatsächliche sexuelle Vereinigung vor. Der überwiegende Teil des Tantra besteht ausschließlich aus Visualisierungen und enthält viele okkulte Praktiken.
Die Hauptelemente des Tantrismus sind:[1]
- Die Darstellung und Vergegenwärtigung geistiger Prinzipien mittels sexueller Symbolik, da angenommen wird, die Polaritäten aktiv und passiv, bzw. männlich und weiblich bildeten durch ihre Wechselwirkung das Universum. Shiva, das männliche Prinzip, gilt als passiv und Shakti, das weibliche Prinzip, als aktiv.
- Das System feinstofflicher Energiezentren (Chakren) und -kanäle (Nadis) auf denen die yogischen und meditativen Praktiken basieren, wie z.B. das körperliche Kundalini-Yoga, die Visualisation von Gottheiten oder die sexuelle Vereinigung:
- Die Arbeit mit geometrischen Symbolen wie Mandala und Yantra als Ausdruck des Makro- und Mikrokosmos
- Das Arbeiten mit Mantras und Mudras
- Die Transformation der Körperzentren in geistige Orte durch Mantras und Symbole
- Das Einfließen magischer Vorstellungen
Entstehung westlicher tantrisch-esoterischer Anschauungen und Praktiken
Durch den indischen Sektenführer Osho (Baghwan Shree Rajneesh, 1930-1990) wurde der Begriff Tantra Ende der 70er Jahre weltweit bekannt. Seine Vorträge über Tantrische Liebeskunst begründeten seinen Ruf als Sexguru. Tantragruppen zählten zu den beliebtesten Veranstaltungen in seinem Ashram in Poona. In diesen Gruppen lehrte er ungehindertes Ausleben von Sex als Weg zur Erleuchtung. Mit dem Umzug der Rajneesh-Kommune 1980 nach Oregon in die USA endete die sexuelle Freizügigkeit innerhalb der Anhängerschaft abrupt. Aus Angst vor Aids wurde vorerst strenge Enthaltsamkeit verordnet und der Schwerpunkt von Sex hin zu körpertherapeutischer Selbsterfahrung verlagert. Später war mit strenger Kontrolle, Aidstest und Gummi alles wieder erlaubt. Nach der Auflösung des Ashrams 1985 kehrten viele Osho-Anhänger nach Europa zurück, machten sich selbständig und vermarkteten die »therapeutischen« Erfahrungen. Im deutschsprachigen Raum wird in nahezu jeder größeren Stadt Tantra angeboten. Die Tantratherapeutlnnen sind in einem »Netzwerk für tantrische Körper- und Energiearbeit« zusammengeschlossen, über eine klinische Ausbildung verfügen sie meist aber nicht.
Als Ziel der Tantragruppen gilt eine erhöhte Genussfähigkeit, die genitale Sexualität zwar einschließt, aber zugleich auch überwinden will. Tantra versteht sich als Training für Ekstase und Liebe, und es geht davon aus, dass psychische Störungen und psychosomatische Erkrankungen aus der Unterdrückung der sexuellen Energie entstehen.
Ablauf einer Sitzung
Tantragruppen treffen einander zwanglos, die Veranstaltungen sind nicht reglementiert. Meist nehmen etwa 16 bis 20 Personen teil. Es gibt allerdings auch Gruppen mit 50 und mehr Mitgliedern. Leicht bekleidet oder nackt widmen sich die Teilnehmerinnen Meditationsübungen und ekstatischen Tänzen. Körperübungen sollen die Sinne zum Vibrieren bringen. Bioenergetik, Primärtherapie und Rebirthing das Erleben vertiefen. Tantra wird in Abendveranstaltungen, in Wochenendworkshops und in fortlaufenden Gruppen praktiziert, die sich über einen längeren Zeitraum wöchentlich treffen. Gelegentlich werden auch Einzelsitzungen angeboten.
Anwendungsbereiche
Tantra soll angeblich die Sexualität befreien und dazu anregen, sie bewusster, sinnlicher und meditativer zu gestalten und sexuelle Störungen umfassend heilen. Aber auch als allumfassende Lebenshilfe wird Tantra angepriesen, wie z.B. als bei zur Loslösung von persönlichen Unfreiheiten, Linderung von Schmerzen und Leid, Beseitigung von einengenden Denk- und Verhaltenmustern, unguten Bindungen an vergangene Erlebnisse aus Kindheit und Lebensgeschichte. Die Übergänge zwischen Wellness und Therapie sind fließend.
Kritik
Tantra ist ursprünglich ein Erlösungsweg ausschließlich für Männer, bei den Übungen sind Frauen lediglich Objekte. Im der östlichen Tradition ist Tantra nicht auf Sex gerichtet - nur die Anwender aus dem Westen schreiten gleich zur Tat. Die von Osho entwickelte Tantra-Variante entspricht nicht der ursprünglichen Form und Tradition des Tantras. Nur jene Anbieter mit Bezug zu den echten Traditionen praktizieren keinen Sex. Westliche Tantratechniken sind willkürlich zusammengefügte Elemente aus unterschiedlichen Ansätzen und religiösen Übungen, zum Teil auch frei erfunden. Sie sind auf ihre Wirkung hin nicht überprüft.
Dagegen werden erotisch überzogene Hoffnungen genährt, die sich kurzfristig mit den neuen Partnerinnen im Kurs auch erfüllen können. Das Sexualleben wird dadurch insgesamt kaum befriedigender.
Das kann zu seelischen Komplikationen führen. Es besteht die Gefahr von Infektionen, da manche Teilnehmer den esoterischen Grundsätzen glauben, dass allein die mentale Überzeugung gegen die Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten hilft. Da psychosexuelle Probleme oder Verletzungen (Traumata) durch die künstlichen Ekstaserituale überdeckt werden, besteht die Gefahr, da ß sie später verschärft zutage treten.
Einige der eingesetzten Techniken sind für psychisch labile Menschen gefährlich, sie können verdrängte Erinnerungen, zum Beispiel an sexuellen Missbrauch, allzu heftig wiederbeleben und auch Psychosen auslösen. Die psychotherapeutisch meist mangelhaft qualifizierten Kursleiterinnen sind nicht in der Lage, Krisen zu erkennen und aufzufangen.
Tantra bezieht sich ausschließlich auf Heterosexualität. Homo- oder Bisexualität werden diskriminiert.
Die Tantragruppen sind ideologisch überfrachtet, was der individuellen Entfaltung und der Behebung von Störungen entgegenwirkt. Tantra als Selbsterfahrungsprozess kann psychisch stabilen Menschen wertvolle Anregungen geben. Zur Behandlung sexueller Probleme oder seelischer Störungen ist Tantra nicht geeignet.