Fünf Tibeter: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 25. Oktober 2010, 11:27 Uhr
Die Fünf Tibeter sind fünf yoga-ähnliche gymnastische Übungen, denen von ihren Anhängern alle möglichen und unmöglichen positiven Wirkungen bis hin zur ewigen Jugend angedichtet werden. Die Übungen sollen, wie der Name schon sagt, aus Tibet stammen, sind dort aber unbekannt.
In der Esoterik-Szene wird seit Anfang der 1990er Jahre eine Yoga-ähnliche Übung als gymnastisches Allheilmittel angepriesen, das sich Die 5 Tibeter nennt. Dabei werden von den Anhängern folgende Übungen durchgeführt:
- 1. Tibeter: Man steht aufrecht und hat die Arme seitlich parallel zum Boden ausgestreckt. Die Handflächen weisen nach unten, die Finger sind geschlossen und liegen flach aneinander. In dieser T-förmigen Position dreht man sich im Uhrzeigersinn ohne Unterbrechung um die eigene Achse, bis einem leicht schwindlig wird. Man bleibt dann stehen und fixiert den Daumen einer Hand, bis man wieder senkrecht im Lot ist.
- 2. Tibeter: Man legt sich mit ausgestreckten Beinen rücklings auf den Boden. Die Hände werden mit den Handflächen nach unten parallel zum Körper auf den Boden gelegt. Man atmet durch die Nase ein und hebt gleichzeitig die beiden durchgestreckten Beine hoch bis zur Senkrechten. Gleichzeitig hebt man den Kopf an und zieht ihn fest in Richtung der Brust. Der Rücken- und Beckenbereich bleiben dabei auf dem Boden liegen. Dann atmet man aus und bringt die Beine und den Kopf wieder in Ausgangslage.
- 3. Tibeter: Man kniet sich auf den Boden, wobei die Oberschenkel parallel gestellt sind und man auf den Unterschenkeln hüftbreit auseinander kniet. Man stellt die Zehen auf, so dass sich das Fußgelenk in einem etwa 90-Grad-Winkel befindet. Die Handflächen werden auf der dem Rücken zugewandten Seite der Oberschenkel flach etwas unterhalb des Beckenbereichs aufgelegt. Der Oberkörper ist aufrecht. Beim Einatmen wird der Kopf nach hinten gebeugt, beim Ausatmen wird das Kinn wird auf die Brust gedrückt. Als Ausgleichsübung lässt man das Becken auf die Unterschenkel herab und lässt die Arme und Schultern locker pendeln oder auf dem Boden ruhen (Handflächen nach oben).
- 4. Tibeter: Man setzt sich auf den Boden und streckt die Beine senkrecht nach vorne aus. Dabei sollten die Fußgelenke einen Abstand von ca. 30 cm aufweisen. Die Handflächen werden neben dem Becken parallel zu den Hüften auf den Boden gestellt. In dieser Stellung zieht man beim Ausatmen das Kinn an die Brust. Beim Einatmen hebt man aus dieser L-förmigen, sitzenden Position das Becken in Richtung Decke, so dass man eine schiefe Ebene oder eine Art "Brücke" bildet. Der Kopf wird dabei in den Nacken gelegt und jeder Muskel im Körper wird angespannt.
- 5. Tibeter: Man nimmt die Ausgangsposition einer Liegestütze ein, wobei die Zehen aufgestellt sind. Hände und Füße sind etwa 60 cm weit auseinander zu positionieren. Die Arme sollen senkrecht zum Boden aufgestellt werden, so dass die Wirbelsäule ein bisschen durchgebogen wird. Der Kopf soll weitestmöglich in den Nacken gehoben werden, um die Decke anzusehen. Beim Einatmen hebt man das Becken und zieht das Kinn auf die Brust (eine Art "Katzenbuckel").
Hamburger Heilpraktikerin ist Hauptpropagandistin
Die Hamburger Heilpraktikerin und Diplom-Politologin Barbara Simonsohn preist diese Übungen – ganz im Sinne fernöstlicher Heilslehren – in ihrem Buch Die fünf Tibeter als ein die Muskeln aufbauendes und die Drüsen stimulierendes System an. Jede Übung sollte man anfänglich 3- bis 6-mal durchführen und wöchentlich steigern, bis man sie jeweils 21-mal zu absolvieren in der Lage ist. In der Tat bringt diese simple Rückengymnastik einen unsportlichen Menschen anfänglich schon ganz schön ins Schwitzen, denn es sind z.T. klassische Übungen aus der Krankengymnastik und der körperliche Stress setzt bestimmt das eine oder andere Adrenalinmolekül zusätzlich frei.
Diese Botschaften der Heilpraktikerin sind ausgesprochen fragwürdig. Sie ist stark mit Multi-Level-Marketing-(MLM)-Firmen wie Sanacell liiert, saß aber auch am Beratertelefon des Bundes für Gesundheit des Franz Konz (siehe Urkost). Simonsohn verkauft sich selbst und ihre Botschaften in typischer MLM-Manier. Bücher flankieren von ihr angebotene Seminare und sie propagiert gleichzeitig auch andere Wundermittel wie Afa-Algen. Wer unreflektiert die Simonsohn'schen Behauptungen glaubt, kann mit anderen Wundermitteln oder Sektenideologien abgeledert werden.
Eine typische Behauptung der Simonsohn ist, dass man mit dem 5. Tibeter eine Brücke zwischen Keimdrüsen und Zirbeldrüse gebildet würden, wobei man alle Energieflüsse des Körper vor und zurück bewegt. Dem Gebildeten zeigt sich sofort dieser Unfug als ein Marketing-Abklatsch der in fernöstlichen Kulturkreisen verbreiteten Chi- und Chakren-Lehre.
Die 5 Tibeter stammen nicht aus Tibet, sondern aus Romanen der 1930er Jahre
Lügen und Halbwahrheiten sind im Esoterikzirkus normal. So ist die wegen der Bezeichnung 5 Tibeter naheliegende Schlussfolgerung, die Übungen stammten aus Tibet, schlicht falsch. Die Heilslehre ist eine rein westliche Erfindung. James Hilton verfasste ein im Jahre 1933 erschienenes Buch mit dem Titel Der verlorene Horizont, wo er sein Leben in einem fiktiven Kloster namens Shangri-la veröffentlichte. Er prägte mit diesem Roman damals im Westen die Vorstellung von Tibet als einem Ort der Ruhe, der Abgeschiedenheit, der Spiritualität und Ewigkeit. Angesichts der damaligen wirtschaftlichen Depression nach dem Börsencrash kein schlechter Lesestoff, aus dem 1937 sogar ein Film wurde, der eine wahre Shangri-la-Euphorie auslöste (Achim Bayer 1999).
Ein angeblicher Tatsachenbericht, der sich Die Fünf Tibeter nannte, kam als Taschenbuch Anfang der 1990er Jahre auf den Markt. Dort wurde die Geschichte eines englischen Colonels beschrieben, der das Geheimnis der ewigen Jugend suchte und in diesen fünf Übungen gefunden haben wollte. Dass es diese Romanfigur im wahren Leben nie gab, ist zwar klar, hält aber einen eingefleischten New-Age-Fan nicht davon ab, derartiges zu glauben.
Die Zeitung Die Welt ging der Frage nach, ob diese Übungen in Tibet überhaupt bekannt seien. Journalisten fragten Geshe Khedup, einen tibetanischen Mönch, der unweit von Zürich in einem Wald in einem der größten Tibet-Zentren Europas mit angegliedertem Lamakloster lebt. Dieser hatte in seinen 68 Lebensjahren aber noch niemals von den Fünf Tibetern gehört und betrachtete die ihm vorgelegten Farbfotos mit turnenden Anhängern dieser Übungen mit sichtlichem Vergnügen. Er meinte: "Wir turnen nicht. Wir arbeiten und meditieren. Für das Turnen hätten wir keine Zeit. Ich habe solche Übungen bei uns noch nie gesehen. Vielleicht sind sie aus Indien". Es stimme zwar, dass sich tibetanische Mönche mit fünf größeren Problemen beschäftigen würden, aber es seien weder Riten noch Turnübungen. Es ginge auch nicht um Vegetarismus oder Trennkost ("Wir essen alles"), nicht um Wunderglauben, nicht um Lebensenergie wie Prana ("Was ist das? Das ist nicht tibetanisch") und schon gar nicht um das ewige Leben (Susanne Schwage 1999).
Vom Fünften zum Sexten Tibeter dank Barabara Simonsohn
Dass die Übungen für Kreislaufgesunde und nicht an Rückenleiden erkrankte Personen ein nur geringes Gefährdungspotential beinhalten, ist sicherlich richtig. Allerdings sollte man als Patient darauf achten, dass gerade solche Argumente hauptsächlich in denjenigen Szenen angeboten werden, die es auf wesentlich mehr als nur die körperliche Fitness oder Wellness abgesehen haben. Nicht selten dienen solche Kurse als Selektionsinstrument für Klientel, dem nach der Absolvierung so richtig teure New-Age-Produkte angedreht werden kann. Damit die Sache für gestresste Singles einen neuen Kick bekommt, hat sich Simonsohn einen weiteren Tibeter einfallen lassen, der zur Transformation sexueller Energien dienen soll.
Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen