Bicarbonat-Therapie nach Simoncini: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Die [[ | + | Die [[pseudowissenschaft]]lich begründete '''Bikarbonat-Therapie nach Tullio Simoncini''' (intern auch ''bica'' genannt) kann als einer der unwirksamsten und unsinnigsten Versuche angesehen werden, einem Krebskranken medikamentös zu helfen. Das Verfahren ist für den Patienten nutzlos und extrem teuer. Der Erfinder dieser Methode, '''Tullio Simoncini''', wurde in Zusammenhang mit Todesfällen nach Anwendung der Bikarbonat-Therapie bei Krebskranken wegen Totschlags und Betrug verurteilt und verlor seine Approbation. Seine Ansicht, Pilze würden Krebs auslösen (Krebs als Mykose), ist mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema nicht vereinbar. Wissenschaftliche Nachweise für eine mögliche Eignung fehlen genauso wie seriöse klinische Studien. Inhaltliche Bezüge bestehen zu Ansichten von [[Alfons Weber]], der glaubte, dass Krebs durch Protozoen entstünde und der Krebspatienten daher mit Antimalariapräparaten behandelte, und zum widerlegten [[Pleomorphismus]]konzept des 19. Jahrhunderts. |
− | Die | + | Die Bikarbonat-Therapie nach Simoncini fand völlig unkritische Resonanz im [[NEXUS Magazin]]<ref>NEXUS Magazin 13, Oktober-November 2007</ref> und wird in Deutschland über den Verein [[Menschen gegen Krebs]] von [[Lothar Hirneise]] beworben<ref>Zitat: ''Dieses Seminar ist offen für alle Interessenten, jedoch besonders geeignet für Ärzte und Heilpraktiker. Dr. Simoncini wird dabei alle Krebsarten im Detail besprechen. Das Seminar ist strukturiert aufgebaut, so dass jeder Teilnehmer in die Praxis seiner Therapie eingeweiht wird und erfährt, wie man diese sofort umsetzen kann.'' [http://www.dgk-buoch.de/simoncini.pdf]</ref> und Seminarteilnehmern kostenpflichtig vermittelt. Die Simoncini-Lehre wird auf der Webseite von Simoncini von den Niederlanden aus in mehreren Sprachen beworben. |
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− | Simoncini ist der irrigen Meinung, dass sämtliche Krebsfälle durch den Pilz Candida albicans bedingt seien und dass daher Krebs als eine Infektionskrankheit, eine Mykose, anzusehen wäre. Anstatt jedoch auf seit langem bewährte Antimykotika (Antipilzmittel) zurückzugreifen um damit die ''Krebsinfektion'' anzugehen, empfielt er Natriumbikarbonat. Na-Bikarbonat ist in vielen Haushalten als Backpulver vorhanden und ist zudem relativ preiswert. Als Lebensmittel bzw. als nicht zugelassenes Krebsheilmittel kann es jedoch nicht zur Krebsbehandlung eingesetzt werden, eine Indikation fehlt völlig. Klinisch kann das preiswerte Na-Bikarbonat in Fällen einer schweren Azidose als Infusion eingesetzt werden. Simoncini glaubt jedoch, damit 80% aller Krebspatienten zu einer "Heilung" verhelfen zu können. Die Kunden für sein Verfahren gewann Simoncini im Internet. Reportern der Sendung ''striscia la notizia'' des Senders RAI gelang es mit versteckter Kamera nachzuweisen, wie er Krebspatienten zu seiner | + | Simoncini ist der irrigen Meinung, dass sämtliche Krebsfälle durch den Pilz Candida albicans bedingt seien und dass daher Krebs als eine Infektionskrankheit, eine Mykose, anzusehen wäre. Anstatt jedoch auf seit langem bewährte Antimykotika (Antipilzmittel) zurückzugreifen, um damit die ''Krebsinfektion'' anzugehen, empfielt er Natriumbikarbonat. Na-Bikarbonat ist in vielen Haushalten als Backpulver vorhanden und ist zudem relativ preiswert. Als Lebensmittel bzw. als nicht zugelassenes Krebsheilmittel kann es jedoch nicht zur Krebsbehandlung eingesetzt werden, eine derartige Indikation fehlt völlig. Klinisch kann das preiswerte Na-Bikarbonat in Fällen einer schweren Azidose als Infusion eingesetzt werden. Simoncini glaubt jedoch, damit 80% aller Krebspatienten zu einer "Heilung" verhelfen zu können. Die Kunden für sein Verfahren gewann Simoncini im Internet. Reportern der Sendung ''striscia la notizia'' des Senders RAI gelang es mit versteckter Kamera nachzuweisen, wie er Krebspatienten zu seiner Bikarbonat-Therapie aufforderte und versuchte, sein Mittel ohne Mehrwertsteuer zu verkaufen. Eine Bikarbonat-Therapie kostete dabei 7.750 Euro, der zugehörige Aufenthalt in seiner Privatklinik weitere 3.700 Euro. Seine Methode wurde eine zeitlang auch in den Niederlanden populär, wohin Simoncini nach seiner Verurteilung flüchtete, spielt jedoch in deutschsprachigen Ländern bislang keine besondere Rolle. |
==Der Erfinder Tullio Simoncini== | ==Der Erfinder Tullio Simoncini== | ||
− | [[image:simoncini4.jpg|thumb]] '''Tullio Simoncini''' ist ein römischer ehemaliger Arzt und Geschäftsmann und ist "Präsident" des privaten Vereins ''Associazione italiana Fungo è Tumore (A.I.F.è.T.)'', was soviel bedeutet wie "Italienischer Verein Pilz und Krebs". In wissenschaftlichen Datenbanken sind keine Veröffentlichungen von Simoncini zu finden. | + | [[image:simoncini4.jpg|thumb]] |
+ | '''Tullio Simoncini''' ist ein römischer ehemaliger Arzt und Geschäftsmann und ist "Präsident" des privaten Vereins ''Associazione italiana Fungo è Tumore (A.I.F.è.T.)'', was soviel bedeutet wie "Italienischer Verein Pilz und Krebs". In wissenschaftlichen Datenbanken sind keine Veröffentlichungen von Simoncini zu finden. | ||
− | Nachdem es zu Todesfällen nach einer | + | Nachdem es zu Todesfällen nach einer Bikarbonat-Therapie bei Krebs kam, wurde Simoncini von Angehörigen der Verstorbenen verklagt. Er verlor seine Approbation und wurde 2003 wegen Betruges in drei Fällen verurteilt und wegen Totschlags in einem Fall. Auch sein Bruder Angelo Simoncini wurde in der Sache wegen Betrug verurteilt. Sein Name ist in der italienischen Datenbank der zugelassenen Ärzte nicht mehr aufgeführt.<ref>http://application.fnomceo.it/Fnomceo/public/visioneProfessionisti.ot?page=1&rowsPerPage=30]</ref> |
− | Auch in den Niederlanden kam es im Oktober 2007 zu einem Todesfall bei | + | Auch in den Niederlanden kam es im Oktober 2007 zu einem Todesfall bei der 58-jährigen Brustkrebspatientin Sylvia Millecam, die dort mit Bikarbonat-Infusionen an einer alternativmedizinischen Klinik namens ''Kliniek voor Preventieve Geneeskunde Berg en Bosch (KPG)'' in Bilthoven behandelt worden war.<ref>http://www.volkskrant.nl/binnenland/article475419.ece/Arts_overleden_vrouw_niet_behandeld</ref><ref>http://mistersandman.rtvkatwijk.nl/website/index.php?option=com_content&view=article&id=13038:verbod-op-omstreden-therapie&catid=7:wetenschap&Itemid=14</ref><ref>http://www.kwakzalverij.nl/681/De_kankertherapie_van_Dottor_Tullio_Simoncini_uit_Rome</ref> Die niederländische Gesundheitsbehörde schritt ein und untersagte diese Therapie. |
==Weblinks== | ==Weblinks== |
Version vom 3. Juli 2009, 21:40 Uhr
Die pseudowissenschaftlich begründete Bikarbonat-Therapie nach Tullio Simoncini (intern auch bica genannt) kann als einer der unwirksamsten und unsinnigsten Versuche angesehen werden, einem Krebskranken medikamentös zu helfen. Das Verfahren ist für den Patienten nutzlos und extrem teuer. Der Erfinder dieser Methode, Tullio Simoncini, wurde in Zusammenhang mit Todesfällen nach Anwendung der Bikarbonat-Therapie bei Krebskranken wegen Totschlags und Betrug verurteilt und verlor seine Approbation. Seine Ansicht, Pilze würden Krebs auslösen (Krebs als Mykose), ist mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema nicht vereinbar. Wissenschaftliche Nachweise für eine mögliche Eignung fehlen genauso wie seriöse klinische Studien. Inhaltliche Bezüge bestehen zu Ansichten von Alfons Weber, der glaubte, dass Krebs durch Protozoen entstünde und der Krebspatienten daher mit Antimalariapräparaten behandelte, und zum widerlegten Pleomorphismuskonzept des 19. Jahrhunderts.
Die Bikarbonat-Therapie nach Simoncini fand völlig unkritische Resonanz im NEXUS Magazin[1] und wird in Deutschland über den Verein Menschen gegen Krebs von Lothar Hirneise beworben[2] und Seminarteilnehmern kostenpflichtig vermittelt. Die Simoncini-Lehre wird auf der Webseite von Simoncini von den Niederlanden aus in mehreren Sprachen beworben.
Die Methode
Simoncini ist der irrigen Meinung, dass sämtliche Krebsfälle durch den Pilz Candida albicans bedingt seien und dass daher Krebs als eine Infektionskrankheit, eine Mykose, anzusehen wäre. Anstatt jedoch auf seit langem bewährte Antimykotika (Antipilzmittel) zurückzugreifen, um damit die Krebsinfektion anzugehen, empfielt er Natriumbikarbonat. Na-Bikarbonat ist in vielen Haushalten als Backpulver vorhanden und ist zudem relativ preiswert. Als Lebensmittel bzw. als nicht zugelassenes Krebsheilmittel kann es jedoch nicht zur Krebsbehandlung eingesetzt werden, eine derartige Indikation fehlt völlig. Klinisch kann das preiswerte Na-Bikarbonat in Fällen einer schweren Azidose als Infusion eingesetzt werden. Simoncini glaubt jedoch, damit 80% aller Krebspatienten zu einer "Heilung" verhelfen zu können. Die Kunden für sein Verfahren gewann Simoncini im Internet. Reportern der Sendung striscia la notizia des Senders RAI gelang es mit versteckter Kamera nachzuweisen, wie er Krebspatienten zu seiner Bikarbonat-Therapie aufforderte und versuchte, sein Mittel ohne Mehrwertsteuer zu verkaufen. Eine Bikarbonat-Therapie kostete dabei 7.750 Euro, der zugehörige Aufenthalt in seiner Privatklinik weitere 3.700 Euro. Seine Methode wurde eine zeitlang auch in den Niederlanden populär, wohin Simoncini nach seiner Verurteilung flüchtete, spielt jedoch in deutschsprachigen Ländern bislang keine besondere Rolle.
Der Erfinder Tullio Simoncini
Tullio Simoncini ist ein römischer ehemaliger Arzt und Geschäftsmann und ist "Präsident" des privaten Vereins Associazione italiana Fungo è Tumore (A.I.F.è.T.), was soviel bedeutet wie "Italienischer Verein Pilz und Krebs". In wissenschaftlichen Datenbanken sind keine Veröffentlichungen von Simoncini zu finden.
Nachdem es zu Todesfällen nach einer Bikarbonat-Therapie bei Krebs kam, wurde Simoncini von Angehörigen der Verstorbenen verklagt. Er verlor seine Approbation und wurde 2003 wegen Betruges in drei Fällen verurteilt und wegen Totschlags in einem Fall. Auch sein Bruder Angelo Simoncini wurde in der Sache wegen Betrug verurteilt. Sein Name ist in der italienischen Datenbank der zugelassenen Ärzte nicht mehr aufgeführt.[3]
Auch in den Niederlanden kam es im Oktober 2007 zu einem Todesfall bei der 58-jährigen Brustkrebspatientin Sylvia Millecam, die dort mit Bikarbonat-Infusionen an einer alternativmedizinischen Klinik namens Kliniek voor Preventieve Geneeskunde Berg en Bosch (KPG) in Bilthoven behandelt worden war.[4][5][6] Die niederländische Gesundheitsbehörde schritt ein und untersagte diese Therapie.
Weblinks
Weblinks auf Englisch zu einem holländischen Todesfall nach Simoncini Therapie
Links auf Italienisch zum Thema
- http://www.mimandaraitre.rai.it/MMR_servizio/0,10135,1067083,00.html
- http://www.striscialanotizia.mediaset.it/video/2005/03/31/video_1237.shtml?adsl
- http://www.striscialanotizia.mediaset.it/video/2005/04/07/video_1276.shtml?adsl
- http://www.lavozdeasturias.es/noticias/noticia.asp?pkid=39747
Links auf Niederländisch
- http://cryptocheilus.wordpress.com/2008/06/02/oproep-ex-patienten-simoncini/
- http://www.kwakzalverij.nl/681/De_kankertherapie_van_Dottor_Tullio_Simoncini_uit_Rome
- http://www.igz.nl/actueel/nieuwsberichten/natriumcarb
Quellennachweise
- ↑ NEXUS Magazin 13, Oktober-November 2007
- ↑ Zitat: Dieses Seminar ist offen für alle Interessenten, jedoch besonders geeignet für Ärzte und Heilpraktiker. Dr. Simoncini wird dabei alle Krebsarten im Detail besprechen. Das Seminar ist strukturiert aufgebaut, so dass jeder Teilnehmer in die Praxis seiner Therapie eingeweiht wird und erfährt, wie man diese sofort umsetzen kann. [1]
- ↑ http://application.fnomceo.it/Fnomceo/public/visioneProfessionisti.ot?page=1&rowsPerPage=30]
- ↑ http://www.volkskrant.nl/binnenland/article475419.ece/Arts_overleden_vrouw_niet_behandeld
- ↑ http://mistersandman.rtvkatwijk.nl/website/index.php?option=com_content&view=article&id=13038:verbod-op-omstreden-therapie&catid=7:wetenschap&Itemid=14
- ↑ http://www.kwakzalverij.nl/681/De_kankertherapie_van_Dottor_Tullio_Simoncini_uit_Rome