Binaural Beats: Unterschied zwischen den Versionen
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Als '''Binaural Beats''' bezeichnet man einen Wahrnehmungseffekt, der auftritt, wenn zwei Töne mit leicht unterschiedlicher Frequenz getrennt den beiden Ohren zugeführt werden. Man hört dann eine Schwebung (engl. "beat"), also ein periodisches Schwanken der Lautstärke mit der Differenzfrequenz, obwohl die Töne sich physikalisch nicht überlagern; die Schwebung entsteht im Gehirn.<ref>[http://psiram.com/media/Binaural_Beats/Binauralbeatdemo.mp3 Diese Audiodatei] enthält im linken Kanal einen konstanten Ton mit 440 Hz, im rechten Kanal 12 Sekunden lang einen Ton mit 438 Hz, gefolgt von 12 Sekunden mit 430 Hz. Bei Lautsprecher- oder Mono-Wiedergabe hört man eine Schwebung, also ein rhythmisches Schwanken der Lautstärke, in der ersten Hälfte der Aufnahme mit 2 Hz, in der zweiten Hälfte mit 10 Hz. Die Schwebung ist aber auch bei stereofonischer Wiedergabe mit Kopfhörer wahrnehmbar, obwohl sie dann physikalisch nicht vorhanden ist.</ref> Der Effekt ist von Bedeutung für das Verständnis der auditorischen Signalverarbeitung im Gehirn. In der [[Esoterik|esoterischen]] und [[alternativmedizin]]ischen Szene werden binaural beats positive Wirkungen zugeschrieben. So wird behauptet, man könne damit Schlafstörungen, Depressionen und ADHS behandeln. | Als '''Binaural Beats''' bezeichnet man einen Wahrnehmungseffekt, der auftritt, wenn zwei Töne mit leicht unterschiedlicher Frequenz getrennt den beiden Ohren zugeführt werden. Man hört dann eine Schwebung (engl. "beat"), also ein periodisches Schwanken der Lautstärke mit der Differenzfrequenz, obwohl die Töne sich physikalisch nicht überlagern; die Schwebung entsteht im Gehirn.<ref>[http://psiram.com/media/Binaural_Beats/Binauralbeatdemo.mp3 Diese Audiodatei] enthält im linken Kanal einen konstanten Ton mit 440 Hz, im rechten Kanal 12 Sekunden lang einen Ton mit 438 Hz, gefolgt von 12 Sekunden mit 430 Hz. Bei Lautsprecher- oder Mono-Wiedergabe hört man eine Schwebung, also ein rhythmisches Schwanken der Lautstärke, in der ersten Hälfte der Aufnahme mit 2 Hz, in der zweiten Hälfte mit 10 Hz. Die Schwebung ist aber auch bei stereofonischer Wiedergabe mit Kopfhörer wahrnehmbar, obwohl sie dann physikalisch nicht vorhanden ist.</ref> Der Effekt ist von Bedeutung für das Verständnis der auditorischen Signalverarbeitung im Gehirn. In der [[Esoterik|esoterischen]] und [[alternativmedizin]]ischen Szene werden binaural beats positive Wirkungen zugeschrieben. So wird behauptet, man könne damit Schlafstörungen, Depressionen und ADHS behandeln. | ||
==Binaural Beats in der Wissenschaft== | ==Binaural Beats in der Wissenschaft== | ||
− | [[image:BinauralBeatsDove.png|thumb| | + | [[image:BinauralBeatsDove.png|thumb|320px|Überlegungen von Dove aus dem Jahr 1839<ref name="Dove">H.W. Dove (Hrsg.): Repertorium der Physik. III. Band. Akustik, Theoretische Optik, Meteorologie. S.404: Nachtrag zu den Combinationstönen. Berlin: Verlag von Veit & Comp. 1839</ref>]] |
− | [[image:BinauralBeatsPerrott.png|thumb| | + | [[image:BinauralBeatsPerrott.png|thumb|320px|In Hörversuchen ermittelte Wahrscheinlichkeiten für die Wahrnehmung von binaural beats als Funktion der Differenzfrequenz zwischen linkem und rechtem Ohr und für verschiedene Frequenzen eines der Einzeltöne<ref>D.K. Perrott, M.A. Nelson (1969): Limits for the Detection of Binaural Beats. J. Acoust. Soc. Am. 46(6), 1477-1481</ref>]] |
Erstmalig beschrieben wurde der Effekt von dem Physiker und Meteorologen Heinrich Wilhelm Dove (1803-1879).<ref name="Dove"/> Gelegentlich wird auch der Physiker Silvanus Thompson (1851-1916)<ref>S. Thompson (1877): On binaural audition. Phil. Mag. 4, 274-276</ref> als Entdecker genannt. Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Bedingungen, unter denen binaural beats auftreten, weitgehend bekannt:<ref>J.C.R. Licklider, J.C. Webster, J.M. Hedlun (1950): On the Frequency Limits of Binaural Beats. J. Acoust. Soc. Am. 22(4), 468-472</ref> Der Effekt ist bei Schallen mit Frequenzen unter etwa 1500 Hz zu beobachten, die maximale Differenzfrequenz zwischen linkem und rechtem Ohr, bei denen er auftritt, ist vom Frequenzbereich der beiden Schallsignale und etwas von der Lautstärke abhängig. Bei mehr als einigen 10 Hz Unterschied zwischen links und rechts verschwindet der Effekt und man nimmt beide Töne getrennt wahr. | Erstmalig beschrieben wurde der Effekt von dem Physiker und Meteorologen Heinrich Wilhelm Dove (1803-1879).<ref name="Dove"/> Gelegentlich wird auch der Physiker Silvanus Thompson (1851-1916)<ref>S. Thompson (1877): On binaural audition. Phil. Mag. 4, 274-276</ref> als Entdecker genannt. Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Bedingungen, unter denen binaural beats auftreten, weitgehend bekannt:<ref>J.C.R. Licklider, J.C. Webster, J.M. Hedlun (1950): On the Frequency Limits of Binaural Beats. J. Acoust. Soc. Am. 22(4), 468-472</ref> Der Effekt ist bei Schallen mit Frequenzen unter etwa 1500 Hz zu beobachten, die maximale Differenzfrequenz zwischen linkem und rechtem Ohr, bei denen er auftritt, ist vom Frequenzbereich der beiden Schallsignale und etwas von der Lautstärke abhängig. Bei mehr als einigen 10 Hz Unterschied zwischen links und rechts verschwindet der Effekt und man nimmt beide Töne getrennt wahr. | ||
Aktuelle Version vom 5. Januar 2022, 17:18 Uhr
Als Binaural Beats bezeichnet man einen Wahrnehmungseffekt, der auftritt, wenn zwei Töne mit leicht unterschiedlicher Frequenz getrennt den beiden Ohren zugeführt werden. Man hört dann eine Schwebung (engl. "beat"), also ein periodisches Schwanken der Lautstärke mit der Differenzfrequenz, obwohl die Töne sich physikalisch nicht überlagern; die Schwebung entsteht im Gehirn.[2] Der Effekt ist von Bedeutung für das Verständnis der auditorischen Signalverarbeitung im Gehirn. In der esoterischen und alternativmedizinischen Szene werden binaural beats positive Wirkungen zugeschrieben. So wird behauptet, man könne damit Schlafstörungen, Depressionen und ADHS behandeln.
Binaural Beats in der Wissenschaft
Erstmalig beschrieben wurde der Effekt von dem Physiker und Meteorologen Heinrich Wilhelm Dove (1803-1879).[3] Gelegentlich wird auch der Physiker Silvanus Thompson (1851-1916)[5] als Entdecker genannt. Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Bedingungen, unter denen binaural beats auftreten, weitgehend bekannt:[6] Der Effekt ist bei Schallen mit Frequenzen unter etwa 1500 Hz zu beobachten, die maximale Differenzfrequenz zwischen linkem und rechtem Ohr, bei denen er auftritt, ist vom Frequenzbereich der beiden Schallsignale und etwas von der Lautstärke abhängig. Bei mehr als einigen 10 Hz Unterschied zwischen links und rechts verschwindet der Effekt und man nimmt beide Töne getrennt wahr.
Da binaural beats im Gehirn entstehen, ist der Effekt zum Verständnis der neuronalen Verarbeitung wissenschaftlich von Interesse. Die Forschung benutzt dazu häufig Mittel der Psychoakustik, einem dem Zweig der Akustik und Sinnesphysiologie, der durch Hörexperimente mit definierten Reizen Gesetzmäßigkeiten der Signalverarbeitung im Gehör untersucht.[7]
Es gab Ansätze, binaural beats zur Diagnostik bestimmter neuronaler Störungen zu verwenden.[8][9] Vereinzelt wird in der Literatur auch über Experimente zu einem therapeutischen Einsatz von binaural beats berichtet, die aber nicht über orientierende Vorversuche mit wenigen Probanden hinaus gingen. Beispielsweise wurde eine erhöhte Aufmerksamkeit (im Sinne von Wachsamkeit) nach entsprechender Beschallung festgestellt[10]. Ferner gab es Versuche zur Behandlung von Angststörungen[11] und Angst vor medizinischen Eingriffen[12] und zur Minderung von Aufmerksamkeitsstörungen[13]. Zur Brauchbarkeit von binaural beats für Diagnose und Therapie findet man aber nur vage Aussagen.
Binaural Beats in Esoterik und Alternativmedizin
Ungeachtet der dürftigen Studienlage werden Therapien und Geräte und vor allem Tonträger mit binaural beats angeboten. Die Herstellung ist einfach, denn eine Frequenzverschiebung von Tonaufnahmen ist mit Mitteln der digitalen Signalverarbeitung heute leicht zu bewerkstelligen, PC-Software wie Musikbearbeitungsprogramme und so gen. Wave-Editoren enthalten oft eine Funktion zur Frequenzverschiebung. Beim Betrag des Frequenzunterschieds zwischen linkem und rechtem Ohr wird oft auf die Frequenzbereiche Bezug genommen, die aus der Elektroenzephalografie bekannt sind, also z.B. Alpha-Wellen von 8-13 Hz oder Delta-Wellen von 1-4 Hz. Auch wird ein Zusammenhang mit den Schumann-Resonanzen behauptet.
Die Angebote bestehen zum einen aus Meditations- und Entspannungsmusik und ähnlichem, zum anderen aus angeblich therapeutisch wirksamen Klängen zur Selbstbehandlung von gesundheitlichen Störungen. Genannt werden:
- Chronische Schmerzen
- Hoher Blutdruck
- Übergewicht
- Kopfschmerzen, Migräne
- Schlafstörungen
- Depression
- ADHS
Vor allem zur Behandlung von ADHS werden Binaural-Beats-Produkte intensiv beworben, wobei szeneüblich behauptet wird, dass die Methode im Gegensatz zu einer medikamentösen Behandlung "nebenwirkungsfrei" sei.
Daneben gibt es CDs und MP3-Dateien, die angeblich Selbstheilungskräfte aktivieren und das Immunsystem stärken sollen, ferner zur Raucherentwöhnung, zur Steigerung der Konzentration, für schnelleres Lesen und Lernen, um Erfolg anzuziehen und ähnliches mehr. Einigen Anbieter kombinieren binaural beats mit dem Konzept der subliminalen Wahrnehmung, d.h. die binaural beats sind nicht hörbar (und also nicht vorhanden). Eine Firma Business Consults Thorsten Harms aus Aurich versucht, Binaural-beats-Tonträger unter der Bezeichnung "Powernaps" zu vermarkten. Das Anhören solcher Aufnahmen nennt Harms "Powernapping" (mit diesem Begriff wird ansonsten ein kurzer Schlaf tagsüber bezeichnet, dem eine positive Wirkung auf die Arbeitsfähigkeit nachgesagt wird).
Ein typisches Produkt nach dem Binaural Beats Prinzip ist die ColorBox12.
Siehe auch
Quellen und Anmerkungen
- ↑ www.binauralbeats.de/produkte/adhs-behandeln. Der Anbieter, eine Firma namens "Deutsches Institut Für Binaural Beats Technologie" aus Regensburg, bewirbt seine CDs als "Weltneuheit der Neuro-Forschung" und "Wundermittel gegen ADHS" und behauptet, dass sein "erfolgsgeprüftes Binaural Beats Audiotraining bei allen Patienten funktioniert hat".
- ↑ Diese Audiodatei enthält im linken Kanal einen konstanten Ton mit 440 Hz, im rechten Kanal 12 Sekunden lang einen Ton mit 438 Hz, gefolgt von 12 Sekunden mit 430 Hz. Bei Lautsprecher- oder Mono-Wiedergabe hört man eine Schwebung, also ein rhythmisches Schwanken der Lautstärke, in der ersten Hälfte der Aufnahme mit 2 Hz, in der zweiten Hälfte mit 10 Hz. Die Schwebung ist aber auch bei stereofonischer Wiedergabe mit Kopfhörer wahrnehmbar, obwohl sie dann physikalisch nicht vorhanden ist.
- ↑ 3,0 3,1 H.W. Dove (Hrsg.): Repertorium der Physik. III. Band. Akustik, Theoretische Optik, Meteorologie. S.404: Nachtrag zu den Combinationstönen. Berlin: Verlag von Veit & Comp. 1839
- ↑ D.K. Perrott, M.A. Nelson (1969): Limits for the Detection of Binaural Beats. J. Acoust. Soc. Am. 46(6), 1477-1481
- ↑ S. Thompson (1877): On binaural audition. Phil. Mag. 4, 274-276
- ↑ J.C.R. Licklider, J.C. Webster, J.M. Hedlun (1950): On the Frequency Limits of Binaural Beats. J. Acoust. Soc. Am. 22(4), 468-472
- ↑ Eine allgemein bekannte psychoakustische Methode ist die Aufnahme eines Audiogramms ("Hörtest") beim HNO-Arzt.
- ↑ Barr DF, Mullin TA, Herbert PS (1977): Application of binaural beat phenomenon with aphasic patients. Arch Otolaryngol. 103, 192-194
- ↑ Noffsinger D (1982): Clinical applications of selected binaural effects. Scand Audiol Suppl. 15, 157-165
- ↑ Lane JD, Kasian SJ, Owens JE, Marsh GR (1998): Binaural auditory beats affect vigilance performance and mood. Physiol Behav. 63(2), 249-252
- ↑ Le Scouarnec RP, Poirier RM, Owens JE, Gauthier J, Taylor AG, Foresman PA (2001): Use of binaural beat tapes for treatment of anxiety: a pilot study of tape preference and outcomes. Altern Ther Health Med. 7(1), 58-63
- ↑ Padmanabhan R, Hildreth AJ, Laws D (2005): A prospective, randomised, controlled study examining binaural beat audio and pre-operative anxiety in patients undergoing general anaesthesia for day case surgery. Anaesthesia 60, 874-877
- ↑ Kennel S, Taylor AG, Lyon D, Bourguignon C (2010): Pilot feasibility study of binaural auditory beats for reducing symptoms of inattention in children and adolescents with attention-deficit/hyperactivity disorder. J Pediatr Nurs. 25(1), 3-11