Verschwörungstheorie: Unterschied zwischen den Versionen

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*Michael Butter, "Nichts ist, wie es scheint". Über Verschwörungstheorien, Berlin 2018 (Suhrkamp-Verlag)
 
*Grüter, Thomas: Magisches Denken. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2010
 
*Grüter, Thomas: Magisches Denken. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2010
 
*Wilson, Robert Anton. Das Lexikon der Verschwörungstheorien. München: Piper, 2004
 
*Wilson, Robert Anton. Das Lexikon der Verschwörungstheorien. München: Piper, 2004

Version vom 25. März 2018, 20:43 Uhr

Weltkarte bekannter Verschwörungstheorien [1]
Antisemitische Verschwörungstheorien
Cancer conspiracy.jpg

Als Verschwörungstheorie bezeichnet man den Versuch, bestimmte Ereignisse, Zustände oder Entwicklungen durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, geheime Wirken mehrerer Personen zu einem illegalen oder illegitimen Zweck. Der Begriff wird einerseits zur Abwertung oder Diffamierung von Ansichten benutzt, die als unbegründet, irrational, abseitig, paranoid und weltanschaulich geschlossen betrachtet werden. Andererseits benutzen viele Vertreter irrationaler Überzeugungen die Verschwörungstheorie tatsächlich als einfachste sich anbietende Erklärung für das Scheitern ihrer Bemühungen. So behauptet z.B. Ryke Geerd Hamer (Germanische Neue Medizin) eine jüdische Weltverschwörung, welche seine angeblichen Erkenntnisse für Nichtjuden unterdrücken und nur für Juden nutzbar machen wolle.

Merkmale

Verschwörungstheorien werden gerne eingesetzt, weil sie meist in sich geschlossene Argumentationssysteme sind. Diese sind so angelegt, dass sie nicht oder nur schwer zu widerlegen (falsifizierbar) sind. Wer einer Verschwörungstheorie nicht glaubt, gehört aus Sicht ihrer Befürworter entweder selbst zu einer Gruppe von Verschwörern oder ist nicht aufgeklärt genug.

Verschwörungstheorien enthalten häufig Widersprüche und können somit aus logischer Sicht widerlegt oder zumindest in Zweifel gezogen werden. Anhänger und Gläubige von Verschwörungstheorien sehen in derartigen Widersprüchen kein Hindernis, erstaunlicherweise auch dann nicht, wenn sie sich selbst zur Gruppe der so genannten Truther zählen, die sich einer individuellen "Wahrheit" verpflichtet fühlen.

Eine Verschwörungstheorie ist dann wahrscheinlich, wenn folgende Merkmale zutreffen:[2]

  1. Hinter der Verschwörung steht eine angebliche globale Elite, Menschen mit vermeintlicher oder echter Macht (z.B. in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft). Dies können Geheimbünde sein, die im Hintergrund agieren oder aber Menschen, die offiziell an den Schalthebeln der Macht sitzen. Diese Elite verberge ihre wahren Motive und täusche die Öffentlichkeit gezielt über ihre Absichten. Daher kämpfen angeblich die mutigen Verschwörungstheoretiker-Davids gegen die Machtkrake Goliath.
  2. Der Verschwörungstheoretiker und seine Anhänger gehören zu einer kleinen Minderheit, die die Wahrheit besitzt. Nur er sieht klar, obwohl es offensichtlich sein sollte. Doch nur die kleine Gruppe derjenigen, die die Verschwörung durchschaut hat, weiß, was auf uns zukommen wird und will nun alle warnen. Oft verzeichnet der kleine Kreis der Eingeweihten gemäß Selbsteinschätzung stetiges Wachstum.
  3. Es werden Fragen aufgeworfen, ohne dass man wirklich Antworten hören will. Meist sind diese Fragen spekulativ und daher schwer zu demaskieren. Eigentlich sind sie rhetorischer Natur, obwohl sie als echte Fragen daherkommen. Selbst eine befriedigende Beantwortung einer solchen Frage hält die Verschwörungstheoretiker nicht davon ab, sie trotzdem immer wieder aufzuwerfen.
  4. Der Verschwörungstheoretiker hält natürlich auch Antworten auf diese Fragen bereit (die Verschwörungstheorie eben). Bei näherem Hinsehen bedingen diese meist unzählige zusätzliche Nebenannahmen und unplausible Voraussetzungen.
  5. Auch Fakten, die ganz klar objektiv falsch sind, werden trotzdem immer wieder als Argumente verwendet. Das funktioniert, weil die Anhänger der Theorie nur an einer Bestätigung der vorgefassten Meinung interessiert sind und darum nicht aus den Argumenten auf die Plausibilität schließen, sondern umgekehrt die Argumente an das festgesetzte Resultat anpassen.
  6. Auf Gegenargumente wird kaum eingegangen. Alles wird auf die Bestätigung der Verschwörungstheorie kanalisiert. Es findet keine Abwägung des Für und Wider statt. Eine Plausibilitätsprüfung einer Behauptung findet man nie. Die These heiligt die Argumente.
  7. Häufig ist der größte Widerspruch bereits im Argument der Geheimhaltung (zentral für eine Verschwörungstheorie) selbst enthalten. Einerseits schaffen es die Verschwörer entgegen jeder sonstigen Erfahrung angeblich, riesige Operationen geheim zu halten und gleichzeitig begehen sie absolut stümperhafte Fehler, die nur der Verschwörungstheoretiker sofort erkennt.
  8. Ein Realitätscheck findet nie statt. Man zieht vielleicht weiter zur nächsten Verschwörungsthese, aber die Theorie des Tages wird nie überprüft. So wird immer wieder aufs Neue das Ende aller Zeiten, die totale Versklavung, Vergiftung oder Kontrolle vorausgesagt, ohne dass wirklich etwas passiert.
  9. Die nicht VT-gläubige Presse wird als Mainstream- bzw. Systempresse denunziert, die entweder zu dumm ist, die Wahrheit zu erkennen oder von den Verschwörern kontrolliert wird.

Verschwörungstheorien in der Psychologie

Verschwörungstheorien und der Glaube und Umgang mit ihnen ist mittlerweile Objekt psychologischer Forschung geworden.[3] Eine Studie britischer Psychologen kommt in einem Artikel von "Social Psychological & Personality Science" zu dem Ergebnis, dass es Anhängern von Verschwörungstheorien vor allem um Misstrauen an "offiziellen" Berichten und Rechercheergebnissen von Regierungen oder "mächtigen" Behörden und weniger tatsächlich um eine Annäherung an die Realität geht.

Ob sich darauf folgende konkrete Thesen gegenseitig stützen oder widersprechen, scheint unerheblich zu sein - Hauptsache, die Thesen passen zu einer bestimmten Grundannahme. In ihrer Studie fanden die Autoren der University of Kent heraus, dass befragte Studenten gleichzeitig sich ausschließende Verschwörungstheorien für wahrscheinlich hielten. Es wurden zwei Versuche durchgeführt. Im ersten fragten sie 137 Studenten nach ihrer Zustimmung zu verschiedenen Verschwörungstheorien - von der angeblich nie passierten Mondlandung bis zur Idee, dass die US-Regierung hinter dem Terroranschlag auf das World Trade Center stecke. Doch besonderes Augenmerk hatten die Forscher auf eine Reihe von Fragen zum Tod von Prinzessin Diana. Im Ergebnis zeigte sich, dass Menschen, die der offiziellen Geschichte über Dianas Tod misstrauen, sich nicht auf eine einzelne Verschwörungstheorie festlegen, sondern gleichzeitig mehrere, sich auch völlig widersprechende Theorien für möglich halten.

Ein zweites Experiment, das die Forscher in den Wochen nach dem Angriff auf Osama Bin Ladens Anwesen in Pakistan durchführten, bestätigte dies. Hier befragten die Forscher 102 Studenten, nachdem diese einen Bericht über Bin Ladens Tod gelesen, aber auch den Hinweis erhalten hatten, dass einige Menschen diese offizielle Version anzweifeln. Es zeigte sich nun: Wer der Meinung war, dass die US-Regierung Informationen zurückhielt, der hielt es auch für wahrscheinlich, dass Bin Laden schon vorher tot war - oder immer noch am Leben ist.[4] (teilweise zitiert aus: [4])

Melley geht davon aus, dass Verschwörungstheorien Ausdruck einer paranoiden Angst davor sind, unbewusst beeinflusst und manipuliert zu werden und – ohne es zu bemerken – die eigene Individualität zu verlieren.[5] Für Grüter hingegen sind Verschwörungstheorien eine Kulmination des Argwohns einer Mehrheit gegenüber einer Minderheit.[6] In der jüngsten Veröffentlichung zum Thema gehen Wood, Douglas und Sutton davon aus, dass Verschwörungstheorien eine sich selbst stabilisierende Weltsicht bilden können.[7]

Verschwörungstheorien als Geschäftsidee

Verschwörungstheorien werden auch zur Profiterzielung eingesetzt. Es hat sich - vor allem Dank des Internets - eine regelrechte entsprechende Vermarktungsindustrie entwickelt, die von Zweifeln an Geschehnissen wie denen des 11. September 2001 lebt. Manche Verlage haben sich auf entsprechende Literatur spezialisiert. Auch werden z.B. über das Internet auf die Theorien abgestimmte Produkte angeboten.

Herkunft des Begriffs Verschwörungstheorie / conspiracy theory

Verwendung des Begriffs "conspiracy theory" von 1870 bis 1950, lange Zeit vor Gründung der CIA im Jahre 1947. (Bild: Google Books N Gram Viewer[8]
Artikel vom russischen Staatsmedium RT Deutsch, in dem behauptet wird, dass der Begriff Verschwörungstheorie eine Erfindung der CIA von 1967 gewesen sei (Artikel vom 9.4.2017, RT Deutsch)
Verwendung von "conspiracy theory" von 1870 bis 2000 (Bild: Google Books N Gram Viewer)

Immer wieder ist in Trutherkreisen die Rede davon, dass der Begriff Verschwörungstheorie ein Kampfbegriff sei, um unerwünschte Kritik zu diffamieren und sich nicht mit Argumenten auseinandersetzen zu müssen. Auch wird in der Szene behauptet, dass der Begriff conspiracy theory eine Erfindung des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA aus dem Jahre 1967 sei.[9][10] Dies behauptet beispielsweise der Psychologe Rainer Mausfeld (Universität Kiel), aber auch der Wikipediagegner Markus Fiedler. Man beruft sich beispielsweise auf das Dokument 1035-960 der CIA[11] aus dem Jahr 1967, in dem hausintern eine Art Sprachregelung für den Umgang mit Kritikern des Warren-Reports (zur Ermordung von JF Kennedy) festgelegt wird. Aber bereits Jahre zuvor war der Begriff von Karl Popper benutzt worden. Der Historiker Allen Johnson verwendete den Begriff 1909. Eine erste Benutzung für conspiracy theory ist für das Jahr 1870 belegt[12] und der deutschsrachige Begriff "Verschwörungstheorie" wurde ebenfalls 1870 verwendet.[13]Die CIA selbst wurde hingegen erst 1947 gegründet, 70 Jahre nach ersten Veröffentlichungen mit diesem Begriff.
Die Suchmaschine Google erstellt über den Dienst Google-Books N-Gram-Viewer [5] eine Grafik über die Häufigkeit der Nutzung des Wortes conspiracy theory. Die Kurve beginnt 1870. Ab 1883 steigt die Kurve steil an, fällt 1905 wieder ab, um 1926 wieder stark zu steigen. Den endgültigen "Häufigkeitsdurchbruch" hatte das Wort ab Mitte der Fünfziger-Jahre, etwa 10 Jahre bevor die CIA den Begriff für den internen Gebrauch im Zusammenhang mit dem Warren-Report regelte.

Zitate

  • "Verschwörungstheorien lassen sich nicht widerlegen. Wenn ein Verschwörungstheoretiker sich einmal die Grundzüge seiner Theorie zurechtgelegt hat, dann ändert sich daran nichts mehr. Gegenteilige Fakten werden entweder ignoriert oder zu weiteren Beweisen umgedeutet. Deshalb ist es so schwer, mit Verschwörungstheoretikern zu diskutieren."[14]
  • Eine Verschwörungstheorie ist eine kausale Erklärung eines vergangenen Ereignisses durch das absichtsvolle, geheime Wirken einer böswilligen kleinen Gruppe. (Wikipedia-Benutzer "Phi", 18. Januar 2015[15])
  • ..Zweitens aber geben Verschwörungstheorien den Menschen, die unter dem Kapitalismus leiden, keine Werkzeuge und keine Strategie an die Hand, wie sie die Welt verändern können. Die einzige angebotene Strategie besteht meist darin, die jeweiligen Strafverfolgungsbehörden auf Missstände aufmerksam zu machen – oder Selbstjustiz an den vermeintlichen Verschwörern zu üben..[16]

Literatur

  • Michael Butter, "Nichts ist, wie es scheint". Über Verschwörungstheorien, Berlin 2018 (Suhrkamp-Verlag)
  • Grüter, Thomas: Magisches Denken. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2010
  • Wilson, Robert Anton. Das Lexikon der Verschwörungstheorien. München: Piper, 2004
  • Lutter, Marc: Sie kontrollieren alles! Verschwörungstheorien als Phänomen der Postmoderne und ihre Verbreitung über das Internet. München: »edition fatal«, 2001 PDF-Datei
  • J. Eric Oliver, Thomas Wood: "Medical Conspiracy Theories and Health Behaviors in the United States", JMA Intern Med. 2014;174(5):817-818. doi:10.1001/jamainternmed.2014.190. Mai 2014

Weblinks

Blogs

Quellen

  1. [1] Weltkarte der Verschwörungstheorien. Aufruf am 22. August 2014
  2. zoon politikon: Checkliste Verschwörungstheorien
  3. [2] Die Big Six des Verschwörungsglaubens - Konstruktion und Evaluation eines mehrdimensionalen Fragebogens zur Erfassung des Phänomens Verschwörungstheorien. PDF-Datei
  4. Michael J. Wood, Karen M. Douglas, Robbie M. Sutton: "Dead and Alive: Beliefs in Contradictory Conspiracy Theories", Social Psychological and Personality Science, 25. Januar 2012 Zusammenfassung
  5. Melley, T. (2000). Empire of Conspiracy. The Culture of Paranoia in Postwar America. Ithaca und London: Cornell University Press
  6. Grüter, T. (2008). Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag
  7. Wood, M. J., Douglas, K. M. & Sutton, R. M. (2012). Dead and Alive: Beliefs in Contradictory Conspiracy Theories. Social Psychological and Personality Science. Zusammenfassung
  8. http://propagandaschau.blogspot.de/search/label/Verschw%C3%B6rungstheorie)
  9. http://blog.gwup.net/2016/08/11/verschworungstheorie-eine-erfindung-des-cia/
  10. http://blog.gwup.net/2016/03/15/verschworungstheorien-nsa-und-cia-skeptiker-interview-mit-professor-michael-butter/
  11. http://www.jfklancer.com/CIA.html
  12. http://www.leverage-magazine.com/wurde-der-begriff-verschwoerungstheorie-vom-us-geheimdienst-erfunden/
  13. Ferdinand Lentner: Das Komplott: ein Beitrag zur Lehre von der Vorverständigung zum Verbrechen. Inauguralvorlesung, Einleitung (4), Braumüller 1870
  14. Michael Butter am 09.01.2015 in Verschwörungstheorien der Wirtschaft: "Statt Gott lenken jetzt Verschwörer die Welt" http://www.spiegel.de/wirtschaft/verschwoerungstheorien-professor-erklaert-gruende-und-faszination-a-1011751.html
  15. http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Auskunft
  16. David Meienreis: „Verschwörungstheorien - Mit Marx gegen die Illuminaten“, Marx21, April 2017. [3]

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