Hyemeyohsts Storm: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Storms Bücher erfuhren eine grundlegend andere Rezeption in der dominanten Gesellschaft einerseits und bei indigenen Amerikanern andererseits. Die Bücher wurden lange Zeit – und werden teils noch heute – als Sachbücher akzeptiert, die dem Leser Einsichten in und zutreffende Informationen über die Spiritualität der Cheyenne bieten, oder sogar über eine nicht existierende generische indigene Spiritualität. Die deutsche Übersetzung des ersten Buches ''Seven Arrows'' nahm ein Akademiker vor, der die Arbeit an diesem Buch auch heute noch in Lebensläufen erwähnt, die im Internet zugänglich sind<ref>http://www.zenaf.uni-frankfurt.de/contact_profiles/peyer/index.html Aufruf 05.07.2012</ref> | + | Storms Bücher erfuhren eine grundlegend andere Rezeption in der dominanten Gesellschaft einerseits und bei indigenen Amerikanern andererseits. Die Bücher wurden lange Zeit – und werden teils noch heute – als Sachbücher akzeptiert, die dem Leser Einsichten in und zutreffende Informationen über die Spiritualität der Cheyenne bieten, oder sogar über eine nicht existierende generische indigene Spiritualität. Die deutsche Übersetzung des ersten Buches ''Seven Arrows'' nahm ein Akademiker vor, der die Arbeit an diesem Buch auch heute noch in Lebensläufen erwähnt, die im Internet zugänglich sind.<ref>http://www.zenaf.uni-frankfurt.de/contact_profiles/peyer/index.html Aufruf 05.07.2012</ref> Storms Ansprüche, ein Cheyenne zu sein (Storm selbst verwendet auch die Bezeichnungen „breed“ [Halbblut] und „Métis“) wurden zumeist als Fakt betrachtet und nicht hinterfragt; Storm wurde sogar eine Rolle als „Sprecher des indigenen Amerika“ beigemessen.<ref name="ibd" /> |
− | Dies änderte sich nicht, nachdem Storms Bücher als Romane verkauft werden mussten, da er die Behauptungen aufrecht erhielt, er sei eingetragener Cheyenne und seine Bücher enthielten Fakten. Daher wurde und wird Storm häufig noch als indigener Autor angesehen und sogar in universitären Seminaren und Vorträgen als solcher empfohlen und gelesen. In manchen Fällen entstellten selbst Akademiker die verfügbaren Informationen, bedauerten die Sichtweise des Buches als blasphemisch seitens der Cheyenne Nation und behaupteten, das Buch sei nicht als Monographie über deren Religion gedacht sowie „Doch für die eigene Nation war Sieben Pfeile gar nicht geschrieben“<ref name="ibd" /> | + | Dies änderte sich nicht, nachdem Storms Bücher als Romane verkauft werden mussten, da er die Behauptungen aufrecht erhielt, er sei eingetragener Cheyenne und seine Bücher enthielten Fakten. Daher wurde und wird Storm häufig noch als indigener Autor angesehen und sogar in universitären Seminaren und Vorträgen als solcher empfohlen und gelesen. In manchen Fällen entstellten selbst Akademiker die verfügbaren Informationen, bedauerten die Sichtweise des Buches als blasphemisch seitens der Cheyenne Nation und behaupteten, das Buch sei nicht als Monographie über deren Religion gedacht sowie „Doch für die eigene Nation war Sieben Pfeile gar nicht geschrieben“.<ref name="ibd" /> |
− | Der Autor versucht die Reaktion der Cheyenne und anderer indigener Nations und Individuen zu trivialisieren, indem er beschönigend schreibt: „Vertreter des Verlages Harper & Row mussten die Reservate aufsuchen, um das Missverständnis zu beseitigen, es handele sich hier um eine Monographie zur Cheyenne-Religion“<ref name="ibd"/> | + | Der Autor versucht die Reaktion der Cheyenne und anderer indigener Nations und Individuen zu trivialisieren, indem er beschönigend schreibt: „Vertreter des Verlages Harper & Row mussten die Reservate aufsuchen, um das Missverständnis zu beseitigen, es handele sich hier um eine Monographie zur Cheyenne-Religion“.<ref name="ibd"/> Die Wortwahl impliziert, dass indigene Meinungen zu diesem Buch lediglich auf Missverständnissen beruhten, d.h. per definitionem ein Manko auf indigener Seite, nicht der dominanten weißen Gesellschaft, und implizieren die Auffassung, es sei eine unangemessene Frechheit zu erwarten, dass sich Verlagsrepräsentanten in eine Reservation begäben. Daher bedient sich dieser Satz zweier rassistischer Stereotypen über indigene Personen: das des „dummen Indianers“ und das des „aufsässigen“ oder gar „abtrünnigen Indianers“, der anmaßend ist und durch unangemessene Forderungen Grenzüberschreitungen begeht. |
Solche Sichtweisen ruhen fest auf den Konzepten weißer Privilegien und weißer Deutungshoheit. Das Propagieren zusammenfantasierter Beschreibungen und verzerrter Wiedergaben wird ja nicht adäquat, sofern diese nicht an die ethnische Gruppen gerichtet sind, über die sie angeblich geschrieben wurden; aber selbstverständlich geht von Stuckradt auch nicht davon aus, dass es akzeptabel sei, wenn Weiße getäuscht werden – die weiße dominante Gesellschaft beansprucht in ihrer Deutungshoheit über nicht-weiße Ethnien auch die Macht zu entscheiden, was sie als Religion und Kultur dieser Ethnie zu akzeptieren bereit ist. Zudem speist sich von Stuckradts Standpunkt auch aus dem Konzept, dass die dominante Gesellschaft selbstverständlich das Recht hat zu bestimmen, wen sie als Sprecher für nicht-weiße Gruppen akzeptiert, anstatt dass diese Ethnien selbst entscheiden, wer für sie spricht oder nicht. Die weiße dominante Gesellschaft genießt daher erhebliche Freiräume der Definition und Umdefinition gemäß eigener Bedürfnisse und nach Lust und Laune und beansprucht ebenfalls das Recht zu entscheiden, wer als „richtiger Indianer“ gelten kann und wer nicht. | Solche Sichtweisen ruhen fest auf den Konzepten weißer Privilegien und weißer Deutungshoheit. Das Propagieren zusammenfantasierter Beschreibungen und verzerrter Wiedergaben wird ja nicht adäquat, sofern diese nicht an die ethnische Gruppen gerichtet sind, über die sie angeblich geschrieben wurden; aber selbstverständlich geht von Stuckradt auch nicht davon aus, dass es akzeptabel sei, wenn Weiße getäuscht werden – die weiße dominante Gesellschaft beansprucht in ihrer Deutungshoheit über nicht-weiße Ethnien auch die Macht zu entscheiden, was sie als Religion und Kultur dieser Ethnie zu akzeptieren bereit ist. Zudem speist sich von Stuckradts Standpunkt auch aus dem Konzept, dass die dominante Gesellschaft selbstverständlich das Recht hat zu bestimmen, wen sie als Sprecher für nicht-weiße Gruppen akzeptiert, anstatt dass diese Ethnien selbst entscheiden, wer für sie spricht oder nicht. Die weiße dominante Gesellschaft genießt daher erhebliche Freiräume der Definition und Umdefinition gemäß eigener Bedürfnisse und nach Lust und Laune und beansprucht ebenfalls das Recht zu entscheiden, wer als „richtiger Indianer“ gelten kann und wer nicht. | ||
− | Es gab jedoch auch andere Stimmen im akademischen Publikum, die ''Sieben Pfeile'' aufgrund seiner Ungenauigkeiten kritisierten<ref>https://facultystaff.richmond.edu/~rnelson/asail/SAILns/21.html Aufruf 04.07.2012</ref>, ebenso für den deutlichen Anspruch, der Leserschaft die authentische Religion der Cheyenne wiederzugeben sowie wegen Storms Ambitionen, sich als Autorität und Sprecher darzustellen<ref name="SAILns42" /> | + | Es gab jedoch auch andere Stimmen im akademischen Publikum, die ''Sieben Pfeile'' aufgrund seiner Ungenauigkeiten kritisierten<ref>https://facultystaff.richmond.edu/~rnelson/asail/SAILns/21.html Aufruf 04.07.2012</ref>, ebenso für den deutlichen Anspruch, der Leserschaft die authentische Religion der Cheyenne wiederzugeben sowie wegen Storms Ambitionen, sich als Autorität und Sprecher darzustellen.<ref name="SAILns42" /> Andere kritische Bewertungen stellten fest, dass Storm auf die Konzepte von C.G. Jung zurückgriff: ''„... unconditional respect for another person's perceiving way; while it is, to an extent, an authentic Native American trait, it is also a valid expression of the new-age hipster's belief in the concept of „live and let live“, and in a new, more open-minded morality to replace puritanical values of old. An over-reliance on Seven Arrows may lead to the mistaken belief that anything, anything at all, is morally acceptable to these wandering philosophers of the plains just as long as someone among them thinks it might be alright and can justify it with an argument. This is truly the modern American way, and that is why modern urban hippies like it, since it is, as noted earlier, the polar opposite of Christian Fundamentalism“''.<ref>Hart, Phillip J.: The Book of Imaginary Indians. Ancient Traditions and Modern Caricatures in the White Man's Quest for Meaning, Lincoln 2008, S. 63</ref> Hart schließt, das Buch sei „... Hyemeyohsts Storms eigene synthetische New-Age-Religion, […] aber das ist nicht dasselbe wie die alte Tradition der Cheyenne, selbst dort, wo sie sich oberflächlich gleichen“.<ref>ibd., S. 64</ref> |
Bereits 1972 hatte der Historiker Rupert Costo ''Sieben Pfeile'' kritisiert und festgestellt, dass Storm kein oder nur ein begrenztes Verständnis der Cheyenne-Kultur gezeigt habe und das Buch die Traditionen der Northern Cheyenne verfälsche und entweihe. Costo, der der Cahuilla Nation angehörte, war Präsident der American Indian Historical Society sowie Herausgeber des The Indian Historian und führte aus, das Buch enthalte „viele unreligiöse und respektlose Ungenauigkeiten“; Storms Beschreibung des Sonnentanzes sei falsch, seine Zeichnung der Sonnentanzhütte entspreche nicht der der Cheyenne, die vier heiligen Richtungen seien falsch angegeben und Storm habe „keinen religiösen oder säkularen Status im Stamm“.<ref name="SAILns42" /> | Bereits 1972 hatte der Historiker Rupert Costo ''Sieben Pfeile'' kritisiert und festgestellt, dass Storm kein oder nur ein begrenztes Verständnis der Cheyenne-Kultur gezeigt habe und das Buch die Traditionen der Northern Cheyenne verfälsche und entweihe. Costo, der der Cahuilla Nation angehörte, war Präsident der American Indian Historical Society sowie Herausgeber des The Indian Historian und führte aus, das Buch enthalte „viele unreligiöse und respektlose Ungenauigkeiten“; Storms Beschreibung des Sonnentanzes sei falsch, seine Zeichnung der Sonnentanzhütte entspreche nicht der der Cheyenne, die vier heiligen Richtungen seien falsch angegeben und Storm habe „keinen religiösen oder säkularen Status im Stamm“.<ref name="SAILns42" /> | ||
− | Trotz der von indigenen Nationen sowie akademischen Rezensenten seit langem geäußerten Kritik werden Storms Bücher auch heute noch als Bücher eines indigenen Autoren angesehen und in seriösen Publikationen und Vorträgen erwähnt. Im Juni 2006 organisierte das IAA-Institut der Universität Rostock eine Fulbright-Vortragsreihe zum Theme „American Culture, Past and Present“. Im fünften Vortrag der Reihe, „Double Crossing the Western Frontier in Native American Literature“, bezeichnete die Referentin Cheli Reutter Storm als den „weltbekanntesten Sprecher für die Mixed Blood People und berühmten Autor ...“<ref>http://www.iaa.uni-rostock.de/fileadmin/IANGAM/Downloads/Fulbright/Fulbright_Summary_06.pdf | + | Trotz der von indigenen Nationen sowie akademischen Rezensenten seit langem geäußerten Kritik werden Storms Bücher auch heute noch als Bücher eines indigenen Autoren angesehen und in seriösen Publikationen und Vorträgen erwähnt. Im Juni 2006 organisierte das IAA-Institut der Universität Rostock eine Fulbright-Vortragsreihe zum Theme „American Culture, Past and Present“. Im fünften Vortrag der Reihe, „Double Crossing the Western Frontier in Native American Literature“, bezeichnete die Referentin Cheli Reutter Storm als den „weltbekanntesten Sprecher für die Mixed Blood People und berühmten Autor ...“.<ref>http://www.iaa.uni-rostock.de/fileadmin/IANGAM/Downloads/Fulbright/Fulbright_Summary_06.pdf |
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Version vom 27. November 2014, 15:14 Uhr
Hyemeyohsts Storm ist einer der am längsten im Geschäft befindlichen Plastikschamanen. Sein bürgerlicher Name ist Charles Storm bzw. Arthur C. Storm; er nennt sich aber auch „Wolf Storm“ und „General Storm“, oder auch „Chuck Storm“.
Biographie
Storm wurde 1931 geboren[1] bzw. nach Angaben in einem von Storm selbst verfassten Text 1935[2] und ist US-Bürger deutscher Abstammung. Storm zufolge war sein Vater ein deutscher Emigrant, der nach dem Ersten Weltkrieg in die USA kam, während er behauptet, seine Mutter sei Cheyenne gewesen. In Vorträgen, die er in Europa hielt, erwähnte er offenbar, dass sein Vater aus der Nähe von Danzig stamme und als Soldat im Ersten Weltkrieg durch Kampfgas verletzt worden war. Storm sen., ein arbeitsloser Tischler, soll aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage in die USA ausgewandert[3] und gestorben sein, als Storm noch ein Kind war.
Storm ist mit Swan Storm verheiratet, bürgerlicher Name Stephanie Leonard-Storm[4], geboren 1957[5], die beim Verkauf indigener Spiritualität seine Geschäftspartnerin ist und auch sein „Medizinzwilling“ genannt wird[6]. Leonard-Storm behauptet, Métis zu sein, nennt aber keine indigene Ethnie, von der sie abstamme.
Widersprüche in den biographischen Informationen
Die von Storm, seinen Anhängern oder seinen Verlegern erwähnten biographischen Details variieren und sein frühes Leben ist nur ungenau bekannt; die Encyclopedia of American Indian Literature beschreibt die Informationen über diese Jahre als „dunstig“[1]. Storm selbst behauptet, der Name seiner Mutter sei Pearl Eastman gewesen[7]; nach seinen Angaben war sie eine Cheyenne mit Angehörigen nicht nur in dieser Ethnie, sondern auch bei den Crow „und vielen weiteren Reservationen“[2]. In einem Artikel beschreibt Storm seine Mutter als „Cheyenne, Sioux und irisch-amerikanisch“, ohne eine Verwandtschaft mit den Crow zu erwähnen.[2]
Er will sowohl auf der Cheyenne- wie auch auf der Crow-Reservation in Montana aufgewachsen sein. Die Ungenauigkeit dieser Angaben wird ergänzt durch uninformierte Darstellungen von Anhängern, die Storm auf ein „Cheyenne-Crow-Reservat“ versetzen, auf dem er angeblich „mehrere Jahrzehnte als Reservat-Indianer“ gelebt habe.[3] Eine Cheyenne-Crow-Reservation existiert jedoch nicht.
Nicht nur über solche Darstellungen, sondern auch durch von Storm selbst veröffentlichte biographische Artikel auf Webseiten ergeben sich gravierende Widersprüche zu den Behauptungen, die er in seinem ersten Buch Sieben Pfeile veröffentlichte. Dort schreibt er, dass er Informationen über die Religion der Cheyenne von seinem Vater erhalten habe und diese Informationen seit Generationen vom Vater auf den Sohn weitergegeben werden.[8]
In einem biographischen Artikel, der vermutlich von Storm selbst verfasst wurde, behauptet er ferner, dass seine Mutter Pearl Eastman in einem Tipi geboren wurde; sie habe „der ersten Generation von Native Americans [angehört], die in Gefangenschaft auf der Reservation geboren wurden",[2] Da der indigene Widerstand auf den Plains weitgehend während der 1870er Jahre gebrochen wurde, erscheint diese Behauptung zweifelhaft und eher unwahrscheinlich.
Storm scheint ebenfalls unsicher bezüglich der Anzahl seiner Geschwister, da er teils schreibt, seine Mutter habe sechs Söhne gehabt, zwei aus erster Ehe sowie weitere vier von seinem deutschen Vater. In anderen biographischen Darstellungen erwähnt Storm eine Gesamtzahl von fünf Kindern.[4]
In einem biographischen Artikel behauptet Storm, er sei von der Crow-Familie Yellowtail adoptiert worden[2]. Während es Indizien gibt, die auf eine solche Verbindung zur Crow Nation hindeuten[1], ist eine solche Adoption lediglich eine Auszeichnung ehrenhalber und gibt dem Adoptierten keine Rechte auf Zeremonien oder Spiritualität; vom Adoptierten wird erwartet, für seine Adoptivfamilie in Notzeiten und im Alter zu sorgen. Durch diese von einer Familie vorgenommene Adoption entstehen ebenfalls keine Rechte auf das so gen. Enrollment, es leitet sich also keine Zugehörigkeit zu einer indigenen Ethnie oder ein Recht auf offizielle Aufnahme in die Ethnie ab.
Karriere als Plastikschamane
Bereits 1972 veröffentlichte Storm das erste seiner drei Bücher mit dem Titel Sieben Pfeile. Das Buch erschien bei Harper & Row als Sachbuch und wurde damit beworben, dass es Details der Spiritualität und der religiösen Zeremonien der Cheyenne beschreibe. Es löste jedoch erbitterten Protest und Widerspruch seitens der Cheyenne Nation aus, die den Inhalt als blasphemisch und vollkommen falsch kritisierten und ebenfalls erklärten, dass Storm kein Enrollment bei ihnen habe und nicht bekannt sei. Harper & Row reagierten darauf mit der Veröffentlichung einer Kopie des Enrollment-Ausweises von Charles Storm, der angeblich von der Cheyenne Nation ausgestellt worden sein sollte, sich jedoch als Fälschung erwies.[1]
Douglas Latimer, der für die Veröffentlichung des Buches verantwortliche Vizepräsident bei Harper & Row, nahm im Versuch der Schadenbegrenzung Verhandlungen mit der Cheyenne Nation auf und sagte Entschädigungszahlungen zu, die die Cheyenne als „Reparationen“ bezeichneten. Die Summe wurde gezahlt, um ein Gerichtsurteil gegen Harper & Row abzuwenden. Latimer weigerte sich jedoch, das Buch komplett zurückzuziehen, da die Rechte bereits an ein anderes Verlagshaus verkauft worden waren.[1] Ein späteres Gerichtsurteil ordnete an, das Buch dürfe nurmehr als „Roman“ verkauft werden, um klarzustellen, dass der Inhalt nicht auf Fakten basiert.
Storm kooperierte mit anderen Plastikschamanen und wird z.B. als einer der Lehrer von Harley Reagan angesehen; er wird immer noch von Mitgliedern des Deer Tribe erwähnt, die ihn teils auch als ihren Lehrer bezeichnen. Storm und Reagan scheinen für mehrere Jahre zusammen gearbeitet zu haben und z.B. abwechselnd Seminarreihen und Vorträge in Europa gehalten zu haben[9]. Andere Veröffentlichungen nennen weitere etablierte Plastikschamanen, die angeblich von Storm unterwiesen wurden: „...jener Cheyenne-Schamane, der nicht nur Harley Swift Deer unterwies, sondern auch Lynn Andrews auf den Weg nach Kanada zu Agnes Whistling Elk schickte.[10]
Storm hat drei Bücher veröffentlicht, das zuvor erwähnte Sieben Pfeile im Jahr 1972, „Das Lied des Heyoehkah“ 1981 und „Lightningbolt“ im Jahr 1994. Alle Bücher wurden ins Deutsche übersetzt und werden sowohl in deutscher wie auch englischer Sprache immer noch aufgelegt.
Eingeschriebenes Stammesmitglied?
Wie zuvor erwähnt wurde Storms erster Versuch, einen Ausweis über die Angehörigkeit zur Cheyenne Nation als Fälschung entlarvt. Storm behauptete jedoch weiterhin eine Abstammung von und die Zugehörigkeit zu den Cheyenne. In einem am 1. November 1998 in einer Mailingliste veröffentlichten Mai gibt der Poster an, einen Brief von Storm selbst zu veröffentlichen, in dem es hieß: „Sure I can fly my enrollment flag-A.C. Storm I.D. Number 207U002973, Bureau of Indian Affairs—Billings Area Office,Billings, Montana“.[7]
Storm hält bis heute die Behauptung aufrecht, er sei indigen bzw. Métis. Zwar gibt es die Métis als ethnische Gruppe in Kanada; die Bezeichnung bezieht sich auf die Nachkommen englischer und französischer Siedler einerseits und Ojibway und Cree andererseits, die eine eigene Kultur und eine eigene Sprache, genannt Michif, besitzen. In den USA dagegen wird der Begriff Métis von Personen aufgenommen, die entfernte und in der Regel nicht zu verifizierende indigene Vorfahren haben. Dieser Umstand verleiht Storms Behauptungen keine sonderliche Glaubwürdigkeit.
Rezeption und Kritik
Storms Bücher erfuhren eine grundlegend andere Rezeption in der dominanten Gesellschaft einerseits und bei indigenen Amerikanern andererseits. Die Bücher wurden lange Zeit – und werden teils noch heute – als Sachbücher akzeptiert, die dem Leser Einsichten in und zutreffende Informationen über die Spiritualität der Cheyenne bieten, oder sogar über eine nicht existierende generische indigene Spiritualität. Die deutsche Übersetzung des ersten Buches Seven Arrows nahm ein Akademiker vor, der die Arbeit an diesem Buch auch heute noch in Lebensläufen erwähnt, die im Internet zugänglich sind.[11] Storms Ansprüche, ein Cheyenne zu sein (Storm selbst verwendet auch die Bezeichnungen „breed“ [Halbblut] und „Métis“) wurden zumeist als Fakt betrachtet und nicht hinterfragt; Storm wurde sogar eine Rolle als „Sprecher des indigenen Amerika“ beigemessen.[10]
Dies änderte sich nicht, nachdem Storms Bücher als Romane verkauft werden mussten, da er die Behauptungen aufrecht erhielt, er sei eingetragener Cheyenne und seine Bücher enthielten Fakten. Daher wurde und wird Storm häufig noch als indigener Autor angesehen und sogar in universitären Seminaren und Vorträgen als solcher empfohlen und gelesen. In manchen Fällen entstellten selbst Akademiker die verfügbaren Informationen, bedauerten die Sichtweise des Buches als blasphemisch seitens der Cheyenne Nation und behaupteten, das Buch sei nicht als Monographie über deren Religion gedacht sowie „Doch für die eigene Nation war Sieben Pfeile gar nicht geschrieben“.[10]
Der Autor versucht die Reaktion der Cheyenne und anderer indigener Nations und Individuen zu trivialisieren, indem er beschönigend schreibt: „Vertreter des Verlages Harper & Row mussten die Reservate aufsuchen, um das Missverständnis zu beseitigen, es handele sich hier um eine Monographie zur Cheyenne-Religion“.[10] Die Wortwahl impliziert, dass indigene Meinungen zu diesem Buch lediglich auf Missverständnissen beruhten, d.h. per definitionem ein Manko auf indigener Seite, nicht der dominanten weißen Gesellschaft, und implizieren die Auffassung, es sei eine unangemessene Frechheit zu erwarten, dass sich Verlagsrepräsentanten in eine Reservation begäben. Daher bedient sich dieser Satz zweier rassistischer Stereotypen über indigene Personen: das des „dummen Indianers“ und das des „aufsässigen“ oder gar „abtrünnigen Indianers“, der anmaßend ist und durch unangemessene Forderungen Grenzüberschreitungen begeht.
Solche Sichtweisen ruhen fest auf den Konzepten weißer Privilegien und weißer Deutungshoheit. Das Propagieren zusammenfantasierter Beschreibungen und verzerrter Wiedergaben wird ja nicht adäquat, sofern diese nicht an die ethnische Gruppen gerichtet sind, über die sie angeblich geschrieben wurden; aber selbstverständlich geht von Stuckradt auch nicht davon aus, dass es akzeptabel sei, wenn Weiße getäuscht werden – die weiße dominante Gesellschaft beansprucht in ihrer Deutungshoheit über nicht-weiße Ethnien auch die Macht zu entscheiden, was sie als Religion und Kultur dieser Ethnie zu akzeptieren bereit ist. Zudem speist sich von Stuckradts Standpunkt auch aus dem Konzept, dass die dominante Gesellschaft selbstverständlich das Recht hat zu bestimmen, wen sie als Sprecher für nicht-weiße Gruppen akzeptiert, anstatt dass diese Ethnien selbst entscheiden, wer für sie spricht oder nicht. Die weiße dominante Gesellschaft genießt daher erhebliche Freiräume der Definition und Umdefinition gemäß eigener Bedürfnisse und nach Lust und Laune und beansprucht ebenfalls das Recht zu entscheiden, wer als „richtiger Indianer“ gelten kann und wer nicht.
Es gab jedoch auch andere Stimmen im akademischen Publikum, die Sieben Pfeile aufgrund seiner Ungenauigkeiten kritisierten[12], ebenso für den deutlichen Anspruch, der Leserschaft die authentische Religion der Cheyenne wiederzugeben sowie wegen Storms Ambitionen, sich als Autorität und Sprecher darzustellen.[8] Andere kritische Bewertungen stellten fest, dass Storm auf die Konzepte von C.G. Jung zurückgriff: „... unconditional respect for another person's perceiving way; while it is, to an extent, an authentic Native American trait, it is also a valid expression of the new-age hipster's belief in the concept of „live and let live“, and in a new, more open-minded morality to replace puritanical values of old. An over-reliance on Seven Arrows may lead to the mistaken belief that anything, anything at all, is morally acceptable to these wandering philosophers of the plains just as long as someone among them thinks it might be alright and can justify it with an argument. This is truly the modern American way, and that is why modern urban hippies like it, since it is, as noted earlier, the polar opposite of Christian Fundamentalism“.[13] Hart schließt, das Buch sei „... Hyemeyohsts Storms eigene synthetische New-Age-Religion, […] aber das ist nicht dasselbe wie die alte Tradition der Cheyenne, selbst dort, wo sie sich oberflächlich gleichen“.[14]
Bereits 1972 hatte der Historiker Rupert Costo Sieben Pfeile kritisiert und festgestellt, dass Storm kein oder nur ein begrenztes Verständnis der Cheyenne-Kultur gezeigt habe und das Buch die Traditionen der Northern Cheyenne verfälsche und entweihe. Costo, der der Cahuilla Nation angehörte, war Präsident der American Indian Historical Society sowie Herausgeber des The Indian Historian und führte aus, das Buch enthalte „viele unreligiöse und respektlose Ungenauigkeiten“; Storms Beschreibung des Sonnentanzes sei falsch, seine Zeichnung der Sonnentanzhütte entspreche nicht der der Cheyenne, die vier heiligen Richtungen seien falsch angegeben und Storm habe „keinen religiösen oder säkularen Status im Stamm“.[8]
Trotz der von indigenen Nationen sowie akademischen Rezensenten seit langem geäußerten Kritik werden Storms Bücher auch heute noch als Bücher eines indigenen Autoren angesehen und in seriösen Publikationen und Vorträgen erwähnt. Im Juni 2006 organisierte das IAA-Institut der Universität Rostock eine Fulbright-Vortragsreihe zum Theme „American Culture, Past and Present“. Im fünften Vortrag der Reihe, „Double Crossing the Western Frontier in Native American Literature“, bezeichnete die Referentin Cheli Reutter Storm als den „weltbekanntesten Sprecher für die Mixed Blood People und berühmten Autor ...“.[15]
Organisationen
Im Laufe seiner Karriere gründete Storm einige Organisationen. Zum einen war dies der Cirle of the Earth Temple, als dessen Gründer und Direktor Storm gilt[4]. Dieser Tempel scheint seit langem inaktiv oder aufgelöst; es ist nur spärliche Information zu dieser Organisation zugänglich. Dasselbe gilt für die „International School of Metis Art“, deren Gründer und Direktor ebenfalls Storm war[4]. Es gibt jedoch noch einzelne Personen, die dieses Institut in biographischen Informationen oder Interviews erwähnen[16], und es ist anzumerken, dass mindestens eine dieser Personen Deutsche ist und sich wohl kaum zu Recht als Métis bezeichnet. Die zugänglichen Informationen legen die Vermutung nahe, dass das Institut wenigstens bis 1999 aktiv war[17]
Bei der dritten Organisation handelt es sich um die National American Metis Association, die inaktiv scheint, aber immer noch online erwähnt wird, so z.B. von einer Universität, die sie als indigene Organisation aufführt und sogar als „gute Informationsquelle für Lehrer“ bezeichnet[18]. Die Association wurde offenbar 1978 gegründet[19] und löste sich entweder 1985[19] oder auch 1981 auf[20]; 1998 scheint es zu einer Neuorganisation gekommen zu sein[19]. Es ist anzumerken, dass alle drei zitierten Mails von derselben Mary Harper-Bellis geschrieben wurden, die außerdem die Funktion als „second president“ wahrnahm.[21] Harper-Bellis erläutert zum Vorstand „...Kollegen im Projekt, die anderen Mitglieder des Vorstands sind Billy Brady, Chet Alexander, Erena Lall-Brady, Rainbow LaLand und Forest Helstrum“[20]. In einer an eine Mailingliste geschriebene Mail vom Januar 2001 dagegen spricht Harper-Bellis von „The org that I am the president of...“[19] ; sie hat offenbar verschiedene Positionen in der Association bekleidet.
In einem anderen Post an die Liste METISGEN ebenfalls aus dem Januar 2001 erklärt Harper-Bellis, dass die Association „...200 Mitglieder aus ungefähr 20 Staaten...“ habe[22]. Es ist hervorzuheben, dass Harper-Bellis behauptet, die Association stehe „...in Kontakt mit einer Metis-Gruppe in Skandinavien...“[22], ohne jedoch weitere Informationen über deren Mitglieder oder den Charakter der Gruppe mitzuteilen.
William „Billy“ Brady unterhält bis heute eine kommerzielle Webseite, über die er Salbei verkauft; dort propagiert er nach wie vor die National American Metis Association und bezeichnet sich als deren „Executive Director“[23]. Daher ist die Mitgliederanwerbung für diese Association immer noch gegeben und wird möglicherweise weiterhin betrieben.
Von Storm veröffentlichte Bücher
- Seven Arrows, deutscher Titel: Sieben Pfeile bzw. Sieben Pfeile. Indianische Initiation in unserer Zeit
- The Song of Heyoekah, deutscher Titel: Gesang des Heyoekah – Die grosse Saga einer Visionssuche
- Lightningbolt, deutscher Titel: Die Weisheit der Meidzinräder. Lightningbolt: Geschichte einer Einweihung
- In deutscher Sprache zusätzlich: Mentor und der Magische Kreis. Erzählungen
Quellennachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 McClinton, Jennifer; Velie, Alan R: Encyclopedia of American Indian Literature, New York 2007, S. 346
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 www.universeofpoetry.org/metis.shtml Aufruf 05.07.2012
- ↑ 3,0 3,1 www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/pinnwand/kmgnachr/110/index.htm, Aufruf 04.07.2012
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 http://www.oocities.org/soho/lofts/4414/storm.html Aufruf 04.07.2012
- ↑ http://faqs.org/copyright/undercurrents-between-a-breakdown-and-a-breakthrough/ Aufruf 04.07.2012
- ↑ http://www.metroactive.com/papers/cruz/09.12.96/native-9637.htm Aufruf 05.07.2012
- ↑ 7,0 7,1 http://archiver.rootsweb.ancestry.com/th/read/CHEROKEE/1998-11/0909930126 , Aufruf 03.07.2012
- ↑ 8,0 8,1 8,2 https://facultystaff.richmond.edu/~rnelson/asail/SAILns/42.html, Aufruf 04.07.2012
- ↑ www.schuledesrades.org/palme/books/eigensinn/?Q=1/1/9/0/0/1/22 , Aufruf 03.07.2012
- ↑ 10,0 10,1 10,2 10,3 von Stuckrad, Kocku: Schamanismus und Esoterik. Kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Betrachtungen. Leuven 2003, S. 151
- ↑ http://www.zenaf.uni-frankfurt.de/contact_profiles/peyer/index.html Aufruf 05.07.2012
- ↑ https://facultystaff.richmond.edu/~rnelson/asail/SAILns/21.html Aufruf 04.07.2012
- ↑ Hart, Phillip J.: The Book of Imaginary Indians. Ancient Traditions and Modern Caricatures in the White Man's Quest for Meaning, Lincoln 2008, S. 63
- ↑ ibd., S. 64
- ↑ http://www.iaa.uni-rostock.de/fileadmin/IANGAM/Downloads/Fulbright/Fulbright_Summary_06.pdf , Aufruf 05.07.2012
- ↑ creation-designs.com/gracemillennium/sojourn/Spring97/html/coverstory.html , www.xarto.com/profil/index.php?id=1365 Aufruf 04.07.2012
- ↑ In einer E-Mail vom 3.8.1999 schreibt eine Funktionärin der National American Metis Foundation, Mary Harper-Bellis: „Friends of mine are involved in the International School of Metis Art and they teach as well as produce stunning work in sculpture, painting, jewelry art, drums, and many other mediums.“ http://groups.yahoo.com/group/MetisCulture/message/336 Aufruf 04.07.2012
- ↑ http://www.eastern.edu/publications/emme/2001fall/reviews.html, Aufruf 04.07.2012
- ↑ 19,0 19,1 19,2 19,3 http://archiver.rootsweb.ancestry.com/th/read/METISGEN/2001-07/0995118410 Aufruf 04.07.2012
- ↑ 20,0 20,1 http://groups.yahoo.com/group/metis/message/2065, Aufruf 04.07.2012
- ↑ www.biopark.org/wolf/wolfsong.htm, Aufruf 04.07.2012
- ↑ 22,0 22,1 http://archiver.rootsweb.ancestry.com/th/read/METISGEN/2001-01/0980776414, Aufruf 05.07.2012
- ↑ buffalosage.ca/Granny%20Roots%20page.htm Aufruf 04.07.2012