Mikro-Energie-Therapie nach Reinwald

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Heinz Reinwald (Bild: Youtube)
Das Vitalwave-Gerät
Behandlungsbeispiel Kniegelenk[1]

Die Mikro-Energie-Therapie nach Reinwald (MET) ist eine Erfindung des promovierten Volkswirtschaftlers, Medizinlaien und Heilpraktikers Heinz Reinwald (geb. 1956). Für die Methode, die den Mikrostromtherapien zuzurechnen ist, vertreibt seine Firma Dr. Reinwald Healthcare[2]. Die Firma besteht in der jetzigen Form als GmbH & Co. KG seit Juli 2010. Daneben gibt es die dr. reinwald global health ltd. mit einer Briefkastenadresse auf Zypern[3]. ein Gerät namens VitalWave. Über Elektroden werde dem Körper damit ein schwacher, pulsierender Gleichstrom zugeführt. Ein von der Hardware baugleiches Gerät wird unter dem Namen CellPard-micro von der Vereinigung Kreis der Schmerztherapeuten (KST) angeboten.

Indikationen

Typisch für pseudomedizinische Verfahren wie MET (und allgemein die Mikrostromtherapie) ist die sehr große Breite von Anwendungen, für die sie geeignet sein sollen. Die MET und das VitalWave-Gerät seien für medizinische Zwecke einzusetzen, aber auch für "kosmetische Belange, Wellness und Figuremodelling".[4] MET sei zur Schmerztherapie geeignet, zum in der Alternativmedizin beliebten Konzept der Entgiftung, es beschleunige die Wundheilung und die Heilung von Knochenbrüchen, Muskelaufbau könne "mit VitalWave-Stimulation dopingfrei und körperkonform erzielt werden", man könne damit "Migräne, Depressionen, Schlaflosigkeit" behandeln, Blockaden lösen und Narben entstören. In der Kosmetik könne es beispielsweise zu "Faltenglättung, Gewebestraffung, Hautverjüngung" sowie zur Gewichtskontrolle und zur "Fettverbrennung" eingesetzt werden.

Einige Anwendungen sind völlig esoterischer Art, mit Bezugnahme auf Mondmythen, Chakren oder Phonophorese. Beispielsweise schreibt Reinwald:

"Darüber hinaus können wir mit der Mikro-Energie-Therapie auch Frequenzbereiche der kosmischen Signalwelt ansprechen. Da die biologischen Zyklen nicht nur den Tag-Nacht-Zyklen des Lichts entsprechen, sondern auch dem Gezeitenzyklus des Magnetfeldes der Erde und dem Zyklus des Mondes, wie er sich unter anderem im Menstruationszyklus von Frauen manifestiert, war ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung des Gerätes die Einbeziehung solcher regulativer Frequenzen auf der Basis kosmologischer Schwingungsmuster. So u.a. bei dem Programm „Synodischer Mond“, der in der 29. Oktave mit 210,42 Hz dem Ton Gis und einer Wellenlänge von ca. 650 Nanometer der Farbe Orange entspricht. Lokalisiert wird sein Resonanzzentrum im Nabelchakra und dem dritten Steißbeinwirbel. Solche Frequenzen werden zur Stimulierung sexueller Energie eingesetzt."[5]

Das VitalWave-Gerät

Das Gerät hat vier Kanäle mit jeweils einem Paar von Elektroden, die je nach Anwendung an bestimmten Stellen der Haut aufgeklebt werden. Es gibt außerdem stabförmige Elektroden mit verschiedenen Spitzen, die der Behandler auf die entsprechende Körperpartie hält, z.B. zur Behandlung von Narben. Über die Elektroden wird ein Gleichstrom oder pulsierender Gleichstrom von 1 µA bis 6 µA abgegeben. Die Impulsfrequenz kann zwischen 1 Hz und 10 kHz liegen. Es sind sehr viele "Programme" mit unterschiedlichen Frequenzen und Impulsmustern wählbar, je nach Art der zu behandelnden Beschwerden. Eine Einzelbehandlung soll 40 bis 60 Minuten dauern.

Das Gerät enthalte auch ein Modul zum "Ultraschallhören". Dabei würden "Akustische Signale ... auf eine Ultraschall-Trägerwelle gesetzt, bekannt als verrauschtes Signal (Rosa Rauschen)". Als Anwendungen nennt Reinwald "Gehirnhälften-Synchronisation", "Meridianausgleich", Konzentrationsförderung, Persönlichkeitstraining, usw. In diesem Punkt ähnelt VitalWave den Geräten Neurophone und Thinkman.

Beim Versuch, seine Methode zu rechtfertigen, bemüht Reinwald branchentypische pseudowissenschaftliche Argumentationsmuster, vor allem solche der Quantenmystik, und beruft sich auf außerwissenschaftliche Theorien von z.B. Robert O. Becker und Bruce Lipton sowie eine "Informationsmedizin". Klinische Studien, welche eine Wirksamkeit bei bestimmten Erkrankungen belegen, werden nicht genannt. Behauptet wird dagegen, dass sich bereits nach einer Anwendung Wunderwirkungen einstellen:

"Das überaus vielseitige Anwendungsspektrum mit VitalWave® kann akute Schmerzen und Beschwerden rasch reduzieren bzw. Befinden und Aussehen schnell sichtbar verbessern. Bereits nach der ersten Anwendung sind meist eine Erhöhung der Vitalität, des allgemeinen Wohlbefindens, der Beweglichkeit und vor allem eine enorme Steigerung der sportlichen Leistung und Kondition spür-, sicht- oder messbar."[4]

Ein zumindest hinsichtlich der Hardware mit VitalWave baugleiches Gerät wird unter dem Namen CellPard-micro von der Vereinigung Kreis der Schmerztherapeuten (KST) mit Sitz in Hann. Münden in Südniedersachsen angeboten, wobei der KST sich als Entwickler und Hersteller bezeichnet.[6] An der Entwicklung beider (und weiterer) Geräte wirkte nach eigenen Angaben der Heilpraktiker Dirk Kolberg aus Duderstadt in Niedersachsen mit.[7]

Weitere Produkte von Dr. Reinwald Healthcare

Weitere Produkte der Dr. Reinwald Healthcare GmbH & Co. KG sind das ebenfalls pseudomedizinische Diagnosegerät Alphaquant sowie Nahrungsergänzungsmittel, z.B. Crystal-E, eine Essenz, die aus "kolloidalen Flüssigkristallen aus Aktiv-Wasserstoff-Microclustern" bestehen soll, oder ColoStabil, eine "Hildegard-Kräuterzubereitung für Magen-Darm-Trakt und Ausscheidung". Unter dem Titel dr. reinwald+partner academy werden Seminare veranstaltet. Zu den regelmäßigen Themen zählen Entgiftung, Ketogene Diät ("dr.reinwald metabolic regulation") und "Biologische Tumortherapie". Referenten sind außer Heinz Reinwald selbst z.B. der Münchener Heilpraktiker Florian Schilling (Firma MITOcare) und John Gruia Ionescu.

Verbindungen zur GcMAF-Szene

Heinz Reinwald arbeitete mit dem englischen rechtsextremen Politiker und Unternehmer David Noakes sowie dem florentiner Arzt Marco Ruggiero zusammen. Letztere stehen im Mittelpunkt eines Skandals um das nicht zugelassene Arzneimittel GcMAF. Das Produkt MAP, das von Reinwald zu beziehen ist, ist Bestandteil des so genannten SWISS protocol. Ein weiteres Produkt das über Reinwald zu beziehen ist, ist das GcMAF-Nachfolgeprodukt Rerum.

Heinz Reinwald

Heinz Reinwald Volkswirtschaftler.jpg
Heinz Reinwald mit Norbert Brakenwagen (links) und Manfred Doepp (rechts) in der Sendung TimeToDo bei Schweiz 5

Heinz Reinwald (geb. 1956) studierte von 1980 bis 1986 Volkswirtschaft, Kulturanthropologie und Kultursoziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und promovierte an der philosophischen Fakultät der Universität Erlangen im Jahre 1991 zum Dr. rer. pol., seine Dissertation trägt den Titel Mythos und Methode zum Verhältnis von Wissenschaft, Kultur und Erkenntnis. Er gibt zudem an, an der "National Autonomous University of Mexico" (UNAM) studiert zu haben (siehe dazu den Artikel zu "Prof." Robert Mayr). Reinwald bezeichnet sich selbst auch als "Ernährungswissenschaftler".

Heilpraktiker ist Reinwald seit Ende 2008. Eine Ausbildung im medizinischen Bereich gibt Reinwald nicht an. Dennoch ist er als Autor zu Themen aus Alternativ- und Pseudomedizin in Erscheinung getreten und veröffentlichte zu den Themen Entgiftung, Mitochondrienmedizin und Mikro-Energie-Therapie in den Zeitschriften "Naturheilpraxis" und bei CoMed.

Er ist mit Manfred Doepp, Marcus Schmieke, John Gruia Ionescu, Gábor Róza, Kuno Hottenrott und Dieter Weiner im so genannten Expertenrat der Schweizer Firma QuantiSana GesundheitsZentrum AG[8] von Alexander Glogg (siehe dazu Scharlatanerieprodukte Fostac).

2018 wurde Heinz Reinwald verhaftet. Ihm wurde zur Last gelegt die Wunderheilmittel Rerum und Rerum-blue als Nahrungsergänzungsmittel, und somit als zu verzehrende Lebensmittel verkauft zu haben und entgegen den Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes über Jahre hinweg als scheinbares Arzneimittel (Präsentationsmedikament) verkauft zu haben. Daran soll auch eine Firma "Neomed Institute of Wellness and Rehabilitation" auf Zypern[9] beteiligt gewesen sein. Laut Staatanwaltschaft soll Reinwald die Substanzen als "nicht für die Anwendung an Mensch oder Tier bestimmte" Testchargen für sieben Euro je Drei-Milliliter-Glasfläschchen erworben haben und dann an Patienten als Mittel gegen Krebs für rund 300 Euro verkauft haben, mit einem Gewinn von über 4200%. Aufkleber auf den Chargen, wonach die Emulsionen nicht für die Anwendung an Mensch und Tier bestimmt sind, wurden einfach entfernt und die Phiolen mit einem willkürlichen Mindesthaltbarkeitsdatum versehen sowie Spritzen und Adapter für die Einnahme beigelegt. Außerdem habe Reinwald eine Mitarbeiterin angewiesen, das Mittel einer Krebspatientin zu injizieren.[10] Am 16. Mai 2019 wurde Reinwald vom Landgericht Nürnberg zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Des weiteren müssen 4,5 Millionen € aus den Verkaufserlösen von Reinwalds Firmen zurückgezahlt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.[11][12][13]

Anderssprachige Psiram-Artikel

Quellennachweise

  1. Bild: www.nilasmv.com/deutsch/produkte/vitalwave (Nilas MV e.K., 22549 Hamburg)
  2. Dr. Reinwald Healthcare GmbH + Co. KG, Friedrich-Luber-Str. 29, 90592 Schwarzenbruck
  3. dr. reinwald global health ltd., 61-63 Lord Byron Street, 5th floor, 6023 Larnaca Zypern
  4. 4,0 4,1 Broschüre der Dr. Reinwald Healthcare GmbH + Co. KG zu VitalWave. Seite daraus mit einer Liste von MET-Anwendungen
  5. H. Reinwald: Mikro-Energie-Therapie (MET). CoMed 06/2011
  6. http://www.kst-shop.de/shop/315959/70916/54/microenergie/cellpard-micro-microenergiegeraet-infos
  7. http://www.mikrostromwissen.de/autor.html
  8. QuantiSana GesundheitsZentrum AG, Schloss Wartensee, Wartensee 2, CH-9404 Rorschacherberg
  9. Neomed Institute of Wellness & Rehabilitation, 15 Agiou Vasiliou, Moni 4525, Limassol, Cyprus
  10. https://www.sueddeutsche.de/bayern/urteil-nicht-zugelassene-arzneimittel-verkauft-1.4449888
  11. https://www.br.de/nachrichten/bayern/prozess-um-illegale-krebs-medikamente-urteil-erwartet,RQblBUh
  12. https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/panorama/nuernberg-vier-jahre-gefaengnis-fuer-arzneimittelpanscher/
  13. https://www.frankenpost.de/region/bayern/Angebliche-Krebsmittel-Vier-Jahre-Haft-fuer-Geschaeftsmann;art2832,6719393