Thule-Gesellschaft

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Die Thule-Gesellschaft (ursprünglich Studiengruppe für germanisches Altertum, benannt nach "Thule", einem Land aus altgriechischen Legenden) war eine esoterische, okkult-völkische, ariosophisch inspirierte und antisemitisch orientierte Gruppierung (Orden), die im Januar 1918 von dem Theosophen, Rosenkreuzer, Freimaurer und Tempelritter (Societas Templi Marcioni) Rudolf von Sebottendorf (eigentlich Rudolf Glauer) sowie Franz Hartmann gegründet wurde. Sie wurde Ausgangspunkt mehrerer weiterer rechtsorientierter Organisationen oder Parteien. Das Symbol der Thule-Gesellschaft war ein Hakenkreuz hinter einem senkrecht stehenden Schwert. Der Thule-Gruß soll "Sieg und Heil" gewesen sein.[1] Presseorgan der Thule-Gesellschaft war der "Münchener Beobachter". Als Anlaufstelle fungierten Räume im Münchner Hotel "Vier Jahreszeiten", die von Sebottendorf angemietet wurden. Dort war auch die Redaktion des "Münchener Beobachters". Der "Münchener Beobachter" wurde im Dezember 1920 unter dem neuen Titel "Völkischer Beobachter" an die NSDAP verkauft. In den 1920er Jahren verlor die Thule-Gesellschaft an Bedeutung und wurde 1930 aus dem Vereinsregister gelöscht.

Die Thule-Gesellschaft war maßgeblich an der Gründung der DAP (Deutsche Arbeiterpartei) und der DSP (Deutschsozialistische Partei) beteiligt; aus der DAP wurde im Dezember 1920 die NSDAP. Die Thule-Gesellschaft spielte eine aktive Rolle bei der gewaltsamen Bekämpfung der Münchner Räterepublik und wurde zu einer Geheimgesellschaft, zu einem okkulten Mittelpunkt des beginnenden Nationalsozialismus. Diese Thule-Gesellschaft hielt mit Eingeweihten so genannte Seancen und spiritistische Sitzungen ab.

Innerhalb der Thule-Gesellschaft waren Übersetzungen tibetischer, indischer und griechischer Schriften populär, die vermuteten, dass die Erde innen hohl und bewohnt sei. Durch zwei Öffnungen an den Erdpolen sei diese innere Erde erreichbar. Ultima Thule soll die Hauptstadt eines hypothetischen Nordmeer-Kontinents Hyperborea gewesen sein, in Analogie zu Lemuria oder Atlantis. Thule-Texten zufolge waren die Hyperboreaner technisch wie sozial weit fortgeschrittene Wesen, die Tunnel in die Erdkruste gegraben und sich unter dem Himalaya-Gebirge angesiedelt haben sollen. Dieses Reich bekam den Namen Agharta oder Agharti mit der Hauptstadt Shamballah. Der heutige Dalai Lama sowie Lamas aus der Mongolei und Tibet geben an, dieses unterirdische Reich und den dort lebenden Herrscher der Welt (Rigden Iyepo) zu kennen. Das angebliche unterirdische Reich soll sich über Jahrtausende unter der gesamten Erdoberfläche verbreitet haben, mit Zentren unter der Sahara, dem Mato Grosso in Brasilien, Yucatan in Mexico, Mount Shasta in Kalifornien und so weiter. Die Thule-Gesellschaft wollte mit diesen Zivilisationen wieder in Kontakt treten. Dies führte zu mehreren Expeditionen nach Tibet während des Nationalsozialismus.

Angebliche Mitglieder

In der Literatur zur Thule-Gesellschaft ist oftmals ungenau von "Mitgliedern", "Teilnehmern" oder "Gästen" die Rede. In diesem Sinne werden als "Mitglieder" oder "Thuleaner" Heinrich Himmler, Guido von List, Dietrich Eckart (Chefredakteur des „Völkischen Beobachters“), Rudolf Hess, Hans Frank (NS-Reichsleiter), Hermann Göring , Theodor Morell (Arzt von Hitler), Alfred Ernst Rosenberg oder auch Adolf Hitler genannt. Nach Angaben von Goodrick-Clarke (1985) habe die Thule-Gesellschaft in München 250 Mitglieder und in ganz Bayern 1.000 Mitglieder gehabt.[2]

Als Mitglieder werden auch der Sportjournalist und Politiker Karl Harrer und Anton Graf von Arco auf Valley, der Mörder des sozialistischen bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, genannt. Karl Harrer war Gründungsmitglied der "Deutschen Arbeiterpartei" (DAP), aus der die NSDAP hervorging.

Nach Angaben von Jean-Michel Angebert (1974) soll auch Hitler Mitglied gewesen sein.[3] Der französische Esoterik-Buchautor René Alleau (geb. 1917) will in Deutschland eine geheime Liste der Mitglieder der Thule-Gesellschaft entdeckt haben, die 1933 von Sebottendorf verfasst worden sein soll. Diese soll 226 Namen umfassen. Die Namen Rudolf Steiner und Adolf Hitler sollen dabei fehlen.[4] Andererseits soll Sebottendorf angegeben haben, dass Hitler häufig von der Thule-Gesellschaft als Gast geladen wurde.[5] Allerdings schreibt Johannes Hering in "Beiträge zur Geschichte der Thule-Gesellschaft" 1939, dass Hitler nie Gast der Thule-Gesellschaft gewesen sei.[6]

Der Autor Orzechowski nennt 1988 folgende Personen als Mitglieder: Wilhelm Frick, Rudolf Hess (Stellvertreter von Hitler), Julius Streicher (Herausgeber des Blattes "Der Stürmer"), Alfred Rosenberg und Hans Frank.[7]

Nach wenig glaubwürdigen Angaben soll auch Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, Mitglied der Thule-Gesellschaft gewesen sein. Verschwörungstheoretiker und Kopp Verlag-Autor Michael Grandt und dessen Bruder Guido Grandt behaupten dies jedoch und darüber hinaus auch eine Mitgliedschaft im Ordo Templi Orientis.[8]

Kampfbund Thule

Als "Kampfbund Thule" wurde im November 1918 ein militärischer Arm der Gesellschaft gegründet. Ziel war die Wiederherstellung der Monarchie in Bayern und die Unterstüzung eines Staatsstreichs 1918.

Wiederbelebungsversuche und Thule-Seminar

Trauer um "Blutzeugen für Thule" bei der neu entstandenen anonymen "Thule-Gesellschaft" (Bild: Screenshot von März 2011)
Durch Blut zum Licht: Mitgliedskarte der neuen "Thule-Gesellschaft"

Von Sebottendorf versuchte, die Thule-Gesellschaft nach ihrem Niedergang wieder neu zu beleben, scheitert jedoch mit diesem Ansinnen.

Das Wort "Thule" führte in den 1990er Jahren auch das rechte Internetprojekt "Thule-Netz" im Namen. Ein ebenfalls rechtsgesinntes Thule-Seminar wurde 1980 gegründet. Das Thule-Seminar ("Arbeitskreis für die Erforschung der europäischen Kultur e.V.") ist eine Vereinigung des intellektuellen Rechtsextremismus, gegründet als Verein durch den französischen Publizisten Pierre Krebs.

Im Internet findet sich auch eine neu gegründete, undurchsichtige und anonym betriebene "Thule-Gesellschaft" (Societas Thulensis) ohne erkennbare Anschrift und mit der "schwarzen Sonne" als Erkennungssymbol. Die Mitgliedschaft soll 15 Euro pro Jahr kosten. Das Spendenkonto ist ein Bankkonto bei der Volksbank Aichfeld-Murboden in Österreich.[9] Im Eigenverständnis sieht man sich als eine internationale Interessengemeinschaft mit vielen Interessengebieten (unter anderem eine EU- und UNO-Ablehnung), die Menschen vereine, deren Verbundenheit für ein „Reich Deutscher Nation“ und ein Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation bekannt sei. (Zitat: Wir fühlen uns jeder alternativen Bewegung verbunden, die der Political-Correctness den Kampf angesagt haben, in diesem Sinne sind wir EINS, BRÜDER IM GEISTE UND IM BLUTE! Das Blut stirbt nie, die Erinnerung stirbt nie, die Idee stirbt nie!) Behauptet wird auch, dass die historische Thule-Gesellschaft nie eine antisemitische Gesellschaft gewesen sei.

Bei dieser Organisation bezieht man sich eindeutig auf Sebottendorf (R.v.S. genannt) und die historische Thule-Gesellschaft und betrauert vor beinahe 100 Jahren verstorbene Thulianer, die als erste Blutzeugen für die Thule gefallen seien (siehe Bild rechts).
Der Webseitenanmelder für den Server 82.197.147.133 ("thule-gesellschaft.org" und "societas-thulensis.org") ist ein Hagen Becker aus Hannover. Becker ist auch 1. Vorsitzender eines Arku e.V. aus Hannover[10], der sich der so genannten Kornkreisforschung und Numerologie widmet.

Literatur

Weblinks

Quellennachweise

  1. http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44318
  2. Goodrick-Clarke (1985) The Occult Roots of Nazism: The Ariosophists of Austria and Germany 1890-1935. Verlag The Aquarian Press
  3. Angebert, Jean-Michel. 1974. "The Occult and the Third Reich: the mystical origins of Nazism and the search for the Holy Grail." Macmillan Publishing. ISBN 0-02-502150-8.
  4. René Alleau: Hitler et les Sociétés secrètes - Les sources occultes du nazisme, Verlag Grasset 1969
  5. Von Sebottendorf: Bevor Hitler kam, Seite 233
  6. Johannes Hering, "Beiträge zur Geschichte der Thule-Gesellschaft", 21. Juni 1939. Bundesarchiv Koblenz, NS26/865. Zitiert von Goodrick-Clarke (1985) The Occult Roots of Nazism: The Ariosophists of Austria and Germany 1890-1935. Verlag The Aquarian Press
  7. Orzechowski, P. 1988. "Schwarze Magie - Braune Macht". Ravensburg: Verlag Peter Selinka
  8. Michael Grandt, Guido Grandt: "Schwarzbuch Anthroposophie", Verlag: Ueberreuter Carl (1998)
  9. Societas Thulensis, IBAN: AT574659031282200000, BIC: VAIMAT2102G, Volksbank Aichfeld-Murboden
  10. Arku e.V., Dannenbergstraße 23, 30459 Hannover