Zeile 3: |
Zeile 3: |
| | | |
| ==Historische Anwendungen== | | ==Historische Anwendungen== |
− | Für die verschiedensten Arzneimittel existierte eine Vielzahl von Applikationsarten. Gemäß der seit der Antike geltenden [[Humoralpathologie]] und der damit zusammenhängenden Auffassung vom Ungleichgewicht der Säfte, standen, neben dem [[Aderlass]], zunächst purgierende und vomitierende Therapieformen im Vordergrund. Die im Falle einer Krankheit im Übermaß vorhandenen und somit verdorbenen und schädlichen Säfte sollten so auf natürlichem Wege, z.B. als Blut, Schweiß, Eiter oder Stuhl, ausgeschieden werden. Als "Purgantia" bezeichnete man dabei alle "Reinigungsmittel", die abführend und harn- und schweißtreibend wirkten, wobei darunter die darmentleerenden ("Laxativa") und die den Brechreiz hervorrufenden ("Vomitiva") Mittel zu verstehen waren. Die Arzneien wurden vor allem als Pflaster, Klistiere, Öle, Salben, Umschläge, Räucherungen, Riechmittel, Tränke, Wässer, Pillen, Pulver, Puder und als Leckmittel oder -säfte verabreicht.<ref>http://www.volkskunde-rheinland-pfalz.de/dreckapotheke/seiten/dreckapotheke.shtml</ref> | + | Für die verschiedensten Arzneimittel existierte eine Vielzahl von Applikationsarten. Gemäß der seit der Antike geltenden [[Humoralpathologie]] und der damit zusammenhängenden Auffassung vom Ungleichgewicht der Säfte, standen - neben dem [[Aderlass]] - zunächst purgierende und vomitierende Therapieformen im Vordergrund. Die im Falle einer Krankheit im Übermaß vorhandenen und somit verdorbenen und schädlichen Säfte sollten so auf natürlichem Wege, z.B. als Blut, Schweiß, Eiter oder Stuhl, ausgeschieden werden. Als "Purgantia" bezeichnete man dabei alle "Reinigungsmittel", die abführend und harn- und schweißtreibend wirkten, wobei darunter die darmentleerenden ("Laxativa") und die den Brechreiz hervorrufenden ("Vomitiva") Mittel zu verstehen waren. Die Arzneien wurden vor allem als Pflaster, Klistiere, Öle, Salben, Umschläge, Räucherungen, Riechmittel, Tränke, Wässer, Pillen, Pulver, Puder und als Leckmittel oder -säfte verabreicht.<ref>http://www.volkskunde-rheinland-pfalz.de/dreckapotheke/seiten/dreckapotheke.shtml</ref> |
| | | |
| ==Menschliche Heilmittel== | | ==Menschliche Heilmittel== |
Zeile 10: |
Zeile 10: |
| So sollte eine "''Tinctur aus Menschen-Fleisch''", die aber nur von einem jungen und gewaltsam zu Tode gekommenen Menschen stammen durfte, "''den Leib vor allen giftigen und pestilentzischen Kranckheiten''" bewahren. Ebenso nahm man an, dass das Menschenfleisch "''durch seine durchtringende, lebhaffte und balsamische Kraft, alle inwendige[n] Schäden und Geschwähr, an welchem Ort des Leibes sich auch solche befinden mögen''" heilen könne. | | So sollte eine "''Tinctur aus Menschen-Fleisch''", die aber nur von einem jungen und gewaltsam zu Tode gekommenen Menschen stammen durfte, "''den Leib vor allen giftigen und pestilentzischen Kranckheiten''" bewahren. Ebenso nahm man an, dass das Menschenfleisch "''durch seine durchtringende, lebhaffte und balsamische Kraft, alle inwendige[n] Schäden und Geschwähr, an welchem Ort des Leibes sich auch solche befinden mögen''" heilen könne. |
| | | |
− | Besondere Wirkung schrieb man auch dem Salz zu, welches aus der menschlichen Hirnschale hergestellt wurde. Es galt als sehr wirksam gegen die Epilepsie und die "Rothe Ruhr", und es war hilfreich bei allen Frauenkrankheiten und offenen Wunden. Destilliertes menschliches Blut half bei Skorbut und Verstopfungen, und die Destillation des Urins ließ ein Salz entstehen, was den Abgang der Blasen- und Nierensteine fördern, bei "melancholischen" Krankheiten ganz "wunderbar" wirken und, äußerlich angewendet, schmerzhafte Gelenke heilen sollte. | + | Besondere Wirkung schrieb man auch dem Salz zu, welches aus der menschlichen Hirnschale hergestellt wurde. Es galt als sehr wirksam gegen die Epilepsie und die "Rothe Ruhr", und es war hilfreich bei allen Frauenkrankheiten und offenen Wunden. Destilliertes menschliches Blut half bei Skorbut und Verstopfungen, und die Destillation des Urins ließ ein Salz entstehen, das den Abgang der Blasen- und Nierensteine fördern, bei "melancholischen" Krankheiten ganz "wunderbar" wirken und, äußerlich angewendet, schmerzhafte Gelenke heilen sollte. |
| | | |
| Auch in Christoph Hellwigs "''Dreyfacher Als Thüringisch-Meißnischer, und Niedersächsisch Teutsch- und Lateinischer Apothecker-Tax''" (1714) sind Haare, Nägel, Urin, Kot, Fleisch, Haut, Fett, Knochen, Gehirn, Galle und Herz vom lebenden und toten Menschen als ein fester Bestandteil aller Apotheken angeführt.<ref>http://www.volkskunde-rheinland-pfalz.de/dreckapotheke/seiten/dreckapotheke.shtml</ref> | | Auch in Christoph Hellwigs "''Dreyfacher Als Thüringisch-Meißnischer, und Niedersächsisch Teutsch- und Lateinischer Apothecker-Tax''" (1714) sind Haare, Nägel, Urin, Kot, Fleisch, Haut, Fett, Knochen, Gehirn, Galle und Herz vom lebenden und toten Menschen als ein fester Bestandteil aller Apotheken angeführt.<ref>http://www.volkskunde-rheinland-pfalz.de/dreckapotheke/seiten/dreckapotheke.shtml</ref> |
| | | |
| ==Tierische Heilmittel== | | ==Tierische Heilmittel== |
− | Die Liste der tierischen Heilmittel war sehr lang. Auch hier ließen sich Fette und Öle in ungeahnten Mengen herstellen, die als Einschmier- und Bindemittel oder als Salbengrundlage dienten. Tiere wie Schnecken oder Regenwürmer, sowie Insekten, aber auch Kröten und Schlangen konnten komplett verwertet werden, während man sich bei höher entwickelten Tieren auf einzelne Körper- und Organteile, sowie deren Exkremente beschränkte. | + | Die Liste der tierischen Heilmittel war sehr lang. Auch hier ließen sich Fette und Öle in ungeahnten Mengen herstellen, die als Einschmier- und Bindemittel oder als Salbengrundlage dienten. Tiere wie Schnecken oder Regenwürmer sowie Insekten, aber auch Kröten und Schlangen konnten komplett verwertet werden, während man sich bei höher entwickelten Tieren auf einzelne Körper- und Organteile sowie Exkremente beschränkte. |
| | | |
| ==„Die heilsame Dreckapotheke“ von Christian Franz Paullini== | | ==„Die heilsame Dreckapotheke“ von Christian Franz Paullini== |
− | Die umfangreichste Überlieferung von Rezepturen der Dreckapotheke stammt von Christian Franz Paullini (25. Februar 1643, Eisenach - 10. Juni 1712, Eisenach), einem Arzt, Universalgelehrten und Schriftsteller in deutscher und lateinischer Sprache.<ref>http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Franz_Paullini</ref> In seinem im 18. Jahrhundert mehrfach aufgelegten Buch „Die heilsame Dreckapotheke“ sind zahlreiche der kurios anmutenden Rezepte überliefert, von denen viele sich bis ins Pharaonenreich und zu den antiken Ärzten wie etwa Galenus zurückverfolgen lassen.<ref>http://www.land-der-pharaonen.de/Heilkunde/body_heilkunde.html</ref><ref>http://altägypten.de/internet/Alt_Aegypten_2/Volk/heilkunde.html</ref> | + | Die umfangreichste Überlieferung von Rezepturen der Dreckapotheke stammt von Christian Franz Paullini (25. Februar 1643, Eisenach-10. Juni 1712, Eisenach), einem Arzt, Universalgelehrten und Schriftsteller in deutscher und lateinischer Sprache.<ref>http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Franz_Paullini</ref> In seinem im 18. Jahrhundert mehrfach aufgelegten Buch „Die heilsame Dreckapotheke“ sind zahlreiche der kurios anmutenden Rezepte überliefert, von denen viele sich bis ins Pharaonenreich und zu den antiken Ärzten wie etwa Galenus zurückverfolgen lassen.<ref>http://www.land-der-pharaonen.de/Heilkunde/body_heilkunde.html</ref><ref>http://altägypten.de/internet/Alt_Aegypten_2/Volk/heilkunde.html</ref> |
| | | |
| Zitat aus Paullinis Buch: | | Zitat aus Paullinis Buch: |