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| Darf man einen Menschen beurteilen, nachdem man so wenig und so gedrängt über ihn erfahren hat? Vielleicht nicht, aber man darf einen Eindruck von ihm haben und den darf man äußern. Würde man Alphonse Constant jetzt, im Jahr 1850, mit der Ansicht konfrontiert haben, er sei mit seinem bisherigen Leben doch recht eigentlich gescheitert, er würde dies vermutlich von sich weisen, empört vielleicht und polternd und dabei doch insgeheim fürchtend, dass man so falsch nicht gelegen habe. Denn was hatte er bisher erreicht? Seine theologischen und (kirchen-) politischen Schriften hatten ihm außer Ärger und den Unbequemlichkeiten des Strafvollzugs nicht viel eingebracht, von einer Karriere als Seelsorger konnte kaum die Rede sein, sein politisches Engagement blieb erfolglos und sein künstlerisches Schaffen war kaum mehr als ein Steckenpferd - man kann sich vorstellen, dass all das an ihm zu nagen begann. | | Darf man einen Menschen beurteilen, nachdem man so wenig und so gedrängt über ihn erfahren hat? Vielleicht nicht, aber man darf einen Eindruck von ihm haben und den darf man äußern. Würde man Alphonse Constant jetzt, im Jahr 1850, mit der Ansicht konfrontiert haben, er sei mit seinem bisherigen Leben doch recht eigentlich gescheitert, er würde dies vermutlich von sich weisen, empört vielleicht und polternd und dabei doch insgeheim fürchtend, dass man so falsch nicht gelegen habe. Denn was hatte er bisher erreicht? Seine theologischen und (kirchen-) politischen Schriften hatten ihm außer Ärger und den Unbequemlichkeiten des Strafvollzugs nicht viel eingebracht, von einer Karriere als Seelsorger konnte kaum die Rede sein, sein politisches Engagement blieb erfolglos und sein künstlerisches Schaffen war kaum mehr als ein Steckenpferd - man kann sich vorstellen, dass all das an ihm zu nagen begann. |
− | [[image:Baphomet.png|Baphomet, Abbildung aus ''Dogma und Ritual der Hohen Magie'', 1856|links|thumb]] Doch es zog sich während all der Jahre noch ein weiterer roter Faden durch sein Leben. Beginnend während seines Aufenthalts in Solesmes (1838-39), weitergesponnen in der Swedenborg-Lektüre des Strafgefangenen (1841), beinahe verlängert durch den Großmeister-Grad im Rosenkreuzer-Orden in Evreux (1843/84), und neuerdings (1850/51) im Studium der ''Kabbala denudata'' [http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Knorr_von_Rosenroth Rosenroths], verdichtete er sich und wurde auch für Alphonse Constant selbst sichtbar als Leitmotiv und als Halt für sein weiteres Leben: die [[Mystik]], die [[Theosophie]], oder allgemeiner das [[Okkultismus|okkulte]] Wissen. Er erinnerte sich an den Namen Éliphas Lévi Zahed, den ihm die Rosenkreuzern gegeben hatten und der eine Übersetzung seines Namens ins Hebräische darstellen solle<ref group="Anm."><small>Das ist allerdings eine sehr fragwürdige "Übersetzung". Der Name Alphonse stammt aus dem Germanischen, auch wenn sein Ursprung nicht vollständig geklärt ist. Eliphas war aber, das sei zur Ehrenrettung der Londoner Rosenkreuzer erwähnt, der Sohn Esaus.</small></ref>, und wählte ihn als sein Pseudonym. In dieser Zeit begann er auch mit der Abfassung seines späteren Hauptwerks ''Dogme et rituel de la haute magie''. Er hatte seinen Weg gefunden. | + | [[image:Baphomet.png|Baphomet, Abbildung aus ''Dogma und Ritual der Hohen Magie'', 1856|links|thumb]] Doch es zog sich während all der Jahre noch ein weiterer roter Faden durch sein Leben. Beginnend während seines Aufenthalts in Solesmes (1838-39), weitergesponnen in der Swedenborg-Lektüre des Strafgefangenen (1841), beinahe verlängert durch den Großmeister-Grad im Rosenkreuzer-Orden in Evreux (1843/84), und neuerdings (1850/51) im Studium der ''Kabbala denudata'' [http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Knorr_von_Rosenroth Rosenroths] verdichtete er sich und wurde auch für Alphonse Constant selbst sichtbar als Leitmotiv und als Halt für sein weiteres Leben: die [[Mystik]], die [[Theosophie]], oder allgemeiner das [[Okkultismus|okkulte]] Wissen. Er erinnerte sich an den Namen Éliphas Lévi Zahed, den ihm die Rosenkreuzern gegeben hatten und der eine Übersetzung seines Namens ins Hebräische darstellen solle<ref group="Anm."><small>Das ist allerdings eine sehr fragwürdige "Übersetzung". Der Name Alphonse stammt aus dem Germanischen, auch wenn sein Ursprung nicht vollständig geklärt ist. Eliphas war aber, das sei zur Ehrenrettung der Londoner Rosenkreuzer erwähnt, der Sohn Esaus.</small></ref>, und wählte ihn als sein Pseudonym. In dieser Zeit begann er auch mit der Abfassung seines späteren Hauptwerks ''Dogme et rituel de la haute magie''. Er hatte seinen Weg gefunden. |
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| Im Frühjahr 1854 reiste Lévi nach London, wo er die Bekanntschaft mit dem zu Lebzeiten europaweit berühmten Schriftsteller [[Edward Bulwer-Lytton]] machte. Über ihre gemeinsamen Interessen am Okkulten<ref group="Anm."><small>Bulwer-Lytton traf mit seinen fiktionalen Werken den Hang seiner Zeit zum Magischen und Übersinnlichen ebenso wie das Interesse an archäologischen Entdeckungen. Beides wusste er in spannende Geschichten zu verpacken, die ihn in den Bürgerhäusern zu einem vor allem von Frauen viel gelesenen Autor machten. Sein Spätwerk, ''The Coming Race'', inspiriert noch heute die Anhänger der Reichsflugscheiben-Theorie.</small></ref> wurden sie Freunde. Durch Bulwer-Lytton kommt er erneut in Kontakt mit rosenkreuzerischen Kreisen, in denen ihm eine Reihe von erfolgreichen Geisterbeschswörungen gelingen, darunter eine des [http://de.wikipedia.org/wiki/Apollonios_von_Tyana Apollonios von Tyana]. In die Londoner Zeit fällt auch die gütliche Regelung seiner privaten Angelegenheiten: Die junge Frau, die er in Choisy-le-Roi verlassen hatte, verzieh ihm und er erkannte das uneheliche Kind als seines an. Gleichzeitig erfolgte mit Hilfe eines Freundes die endgültige, räumliche Trennung von seiner Frau. | | Im Frühjahr 1854 reiste Lévi nach London, wo er die Bekanntschaft mit dem zu Lebzeiten europaweit berühmten Schriftsteller [[Edward Bulwer-Lytton]] machte. Über ihre gemeinsamen Interessen am Okkulten<ref group="Anm."><small>Bulwer-Lytton traf mit seinen fiktionalen Werken den Hang seiner Zeit zum Magischen und Übersinnlichen ebenso wie das Interesse an archäologischen Entdeckungen. Beides wusste er in spannende Geschichten zu verpacken, die ihn in den Bürgerhäusern zu einem vor allem von Frauen viel gelesenen Autor machten. Sein Spätwerk, ''The Coming Race'', inspiriert noch heute die Anhänger der Reichsflugscheiben-Theorie.</small></ref> wurden sie Freunde. Durch Bulwer-Lytton kommt er erneut in Kontakt mit rosenkreuzerischen Kreisen, in denen ihm eine Reihe von erfolgreichen Geisterbeschswörungen gelingen, darunter eine des [http://de.wikipedia.org/wiki/Apollonios_von_Tyana Apollonios von Tyana]. In die Londoner Zeit fällt auch die gütliche Regelung seiner privaten Angelegenheiten: Die junge Frau, die er in Choisy-le-Roi verlassen hatte, verzieh ihm und er erkannte das uneheliche Kind als seines an. Gleichzeitig erfolgte mit Hilfe eines Freundes die endgültige, räumliche Trennung von seiner Frau. |
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