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Eine ganz andere Form der Verdrehung schildert BLEULER. Eine Zürcher Kauffrau wollte heilerisch tätig werden. Der Magistrat verlangte eine Überprüfung durch die Ärzte des Burghölzli, also des psychiatrischen Krankenhauses des Kantons. Die Ärzte fanden schnell heraus, dass die Kauffrau bar jeden medizinischen Wissens war, meinten aber, sie werde trotz der Abstrusität ihrer Vorstellungen wohl keinen Schaden anrichten. Tags darauf nagelte die Kauffrau ein Schild an ihre Tür: Von den Ärzten des Burghölzli geprüft.
 
Eine ganz andere Form der Verdrehung schildert BLEULER. Eine Zürcher Kauffrau wollte heilerisch tätig werden. Der Magistrat verlangte eine Überprüfung durch die Ärzte des Burghölzli, also des psychiatrischen Krankenhauses des Kantons. Die Ärzte fanden schnell heraus, dass die Kauffrau bar jeden medizinischen Wissens war, meinten aber, sie werde trotz der Abstrusität ihrer Vorstellungen wohl keinen Schaden anrichten. Tags darauf nagelte die Kauffrau ein Schild an ihre Tür: Von den Ärzten des Burghölzli geprüft.
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==Mangelnde Prinzipientreue==
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Mit der Entwicklung der wissenschaftlichen Medizin entstanden immer mehr valide Argumente gegen die Homöopathie. Die Homöopathen sahen sich in einen ständigen Verteidigungskrieg gezwungen, mussten ständig neue Regeln und angebliche Gesetzmäßigkeiten erfinden, um dem Todesstoß durch die Wissenschaft zu entgehen. Eines dieser Dogmen war die Lehre von der [[Feinstofflichkeit|feinstofflichen]] Wirkung der Homöopathie, so feinstofflich, dass sie wissenschaftlich prinzipiell nicht beweisbar sei.
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Dann kam [[Benveniste]]. In Nature veröffentlichte er einen Artikel über die Degranulation von basophilen Leukozyten (eine Form der weißen Blotkörperchen), der nahelegte, dass ein Wirkstoffeffekt auch noch bei D200 auftritt. Sofort brach allgemeiner Jubel aus - endlich war die Wirkungsweise der Homöopathie wissenschaftlich bewiesen, von Feinstofflichkeit und prinzipieller Nichtbeweisbarkeit war plötzlich keine Rede mehr.
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Dann kam RANDI zu Benveniste, von Nature geschickt, und deckte in wenigen Tagen auf, dass Benveniste seine in fünf Jahren gesammelten
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Ergebnisse nicht reproduzieren konnte (lesenswerter Aufsatz von RANDI in KÖBBERLING). Aber jetzt, einige Jahre später, werden wieder die Ergebnisse von Benveniste zitiert, die Aufklärung durch RANDI wird verschwiegen - das ist die Wahrheitsliebe der Pseudologen.
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==Das Leugnen der Beweispflicht==
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Wie mit der Wahrheitsliebe ist es auch mit der Beweispflicht, aus der Naturbeschreibung lässt sie sich nicht ableiten, sie ist eine gesamtgesellschaftliche Forderung: Die Beweispflicht liegt beim Behaupter.
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Die Pseudologen beklagen heftig das Desinteresse der Wissenschaft an ihren ‘Entdeckungen’, selbst wollen sie sich aber um die Aufdeckung von Wirkmechanismen nicht kümmern. Lieber steigt man sofort in den Vertrieb ein. Was soll auch Forschung, die nur Geld kostet, nur Zeitverluste einbringt, die am Geldverdienen hindern.
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Dass über die biologischen Mittel oft zu wenig kontrollierbare Daten vorliegen, ist auch die Schuld derjenigen, die saubere Erfahrungen nicht zur Kenntnis nehmen, geschweige denn sie einer sauberen Prüfung unterziehen, schreibt der Heidelberger Anatom Landsberger im Grußwort zum 6. Arzt-Patienten-Kongreß über Tumornachbehandlung (1990) und will so wie üblich die Beweislast der sog. "[[Schulmedizin]]" unterschieben. Was sind wohl saubere Erfahrungen? Die Untersuchung von NAGEL und SCHMÄHL (1984) zeigt jedenfalls, dass als saubere Erfahrungen immer die gleichen Fehler gemacht werden:
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Einzelfallbeschreibung, fehlende oder unzureichende Dokumenation, Fehlen prospektiver doppelblinder Studien u. s. f.
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Ein weiteres kommt hinzu: Kaum macht die Wissenschaft einmal ernst mit der Nachprüfung, wird diese von der Pseudomedizin regelrecht boykottiert und behindert.
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Müssen die Pseudologen wirklich einmal beweisen, z. B. vor Gericht, dann beweisen sie lieber und auch erfolgreicher mit Zeugenaussagen die Wirksamkeit der Methode. Steht man aber vor Gericht, weil man wegen Nebenwirkungen verklagt wurde, erklärt man im Brustton der Überzeugung, auch der überdurchschnittlich unterbegabte Laie müsse sofort erkennen, dass die ‘Methode’ völlig wirkungslos, also auch nebenwirkungsfrei sei <ref>WIMMER in PROKOP/WIMMER</ref>.
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==Die Verschwörungstheorie==
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Normalerweise meiden die Pseudologen die diskursive oder argumentative Auseinandersetzung mit der Wissenschaft. Ist sie doch einmal unvermeidlich, dann präsentieren sie als letzten Trumpf die Verschwörungstheorie. Die etablierte Medizin bilde eine einzige Verschwörung gegen die Alternativen. Die Medizin bekämpfe die Alternativen nur deshalb, weil sie sich das Geschäft mit den Krebskranken nicht wegnehmen lassen wolle. Da werde in Kauf genommen, dass den Kranken die wirksame Alternativtherapie vorenthalten werde. Der Heidelberger Anatom Landsberger treibt es dann bis zum Rufmord, wenn er behauptet, dass bei der Krebserkrankung von Angehörigen nachts die Kliniker an seiner Haustür um die [[Misteltherapie|Mistelspritze]] bettelten: Sie wissen ja, dass wir da nichts haben! <ref>Biol. Krebsabwehr Nr. 25, Februar 1990</ref>. Leute wie Issels werden dann zu Märtyrern.
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==Die Vernebelung der Fakten und Begriffe==
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Die Homöopathie in Beweisnot erfindet die Feinstofflichkeit, die halt von der Physik nicht erfasst werden könne. Dabei kann die Physik sogar stofflose Dinge erfassen; das Photon ist so feinstofflich, daß es gar keinen Stoff mehr enthält und kann doch gemessen werden. [[Fritz Albert Popp]] zieht die Biophotonen aus dem Hut wie der Zauberer das Kaninchen, die Wärmestrahlung als deren
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Widerlegung findet dann die Putzfrau nach der Vorstellung unter dem sprichwörtlichen Tisch, unter den Popp sie fallen ließ. In der ganzen neueren Pseudomedizin wimmelt es nur so von Begriffen aus der modernen Physik und sogar Quantenphysik.
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Ubiquitär ist die Verwendung des Energiebegriffs, der selbstverständlich nie in seiner physikalischen Bedeutung auftritt, aber Wissenschaftlichkeit vortäuschen soll. Die Quantentheorie wird ja im gebildeten Bürgertum als substanzgewordene Wissenschaftlichkeit angesehen.
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Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen vor der letzten Jahrhundertwende erfuhr Strahlung durch die Medien eine weite Verbreitung, nicht als physikalischer Begriff, sondern als magisches Wort; eine neue Krankheit entstand, die Strahlenfühligkeit, die Züge
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einer Massenhysterie annahm, die Strahlenangst.
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Als nach der Jahrhundertwende die neue Physik entstand, wurden deren Begriffe ganz selbstverständlich in die Pseudowissenschaft übernommen, auch wenn sie nichts anderes als bloße Garnierung waren, die HEISENBERGsche Unschärferelation sollte plötzlich als Erklärung der Homöopathie dienen:
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Aufgrund der Unschärferelation nimmt mit der Potenzierung zwar die Lokalisierbarkeit der Arzneisubstanz ab, dafür wachsen aber ihre Impuls- und Energieschärfe <ref>Popp FA: Deutungsversuche homöopathischer Effekte aus moderner physikalischer Sicht. Allg homöop Ztg 223, 1978</ref>.
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Als in den 70ern die Kybernetik modern wurde, tauchte deren Vokabular sofort in der Pseudomedizin auf. Wobei man sich schließlich fragt, weshalb denn biologisch-natürliche Verfahren des Vokabulars einer nackt-materialistischen Physik bedürfen.
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==Die Methode der falschen Etikettierung und das Segeln unter falscher Flagge==
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Wenn von Alternativmethoden die Rede ist, hört man auch immer biologisch, natürlich, [[Ganzheitlichkeit|ganzheitlich]]. Aber: ein nicht unbeträchtlicher Teil besteht aus der Behandlung mittels Apparaten. Aber auch diese Therapien werden biologisch, natürlich, ganzheitlich genannt.
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Wieso?
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Hahnemann nennt Verdünnen nicht Verdünnen, sondern Potenzieren. Bach bezeichnete seine [[Nosode]]n als ‘orale Vakzinen’, also Impfstoffe. Doch seine Nosoden sind keine Impfstoffe, haben damit nichts zu tun. Aber damals wurden die ersten echten Impfstoffe entwickelt, Impfstoffe waren moderne Medizin.
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==Das Heilungsversprechen==
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Allen pseudomedizinischen Verfahren gemeinsam ist das völlig unkritische Heilungsversprechen, das fast religiöse Züge annimmt, zum Heilsversprechen wird: Glaube mir, und ich heile Dich, und unausgesprochen bleibt wenn Du zahlst, denn das kostet, sogar viel Geld, aber Deine Gesundheit muss Dir das schließlich wert sein. Jedem wird dieses Versprechen gegeben, auch dem moriturus, in dem der Krebs wuchert, der nach dem Strohhalm greift und auch teuer dafür bezahlt. Nein, sagen die Pseudologen, das ist kein Strohhalm, wir heilen doch gerade die austherapierten Fälle, die die Schulmedizin nicht heilen kann! Nimmt dann die Sache ihren Lauf, wie er nach den Wahrscheinlichkeiten zu erwarten ist, dann wird dem Kranken noch die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, denn sein Glaube war eben nicht stark genug, der unverbrüchliche Glaube ist nunmal Voraussetzung dieser besonderen Therapie. Oder schlicht Man hat mich zu spät gerufen. Jedenfalls, das Versagen der Methode liegt nie an der Methode.
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==Quellenverzeichnis==
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