Zeile 1: |
Zeile 1: |
− | '''Chitosan''' ist ein [[Alternativmedizin|alternativmedizinisches]] Präparat das mikrokristallines Chitin, das in geringem Umfang Nahrungsfett im Verdauungstrakt bindet. Es wird zur zur Behandlung von Übergewicht (Verringerung der Fettresorption) beworben. | + | '''Chitosan''' ist ein Präparat, das mikrokristallines Chitin enthält, welches in geringem Umfang Nahrungsfett im Verdauungstrakt bindet. Es wird zur zur Behandlung von Übergewicht (Verringerung der Fettresorption) beworben. |
− | | |
− | In alternativmedizinischen Kreisen wird seit einigen Jahren ein scheinbar neuartiges Wundermittel zur Senkung des Cholesterinspiegels propagiert. Es wird u.a. unter dem Handelsnamen Chitosan (oder diversen anderen Bezeichnungen) in Form eines Nahrungsergänzungsmittels angepriesen.
| |
| | | |
| ==Chitosan in Kapsel- und Pulverform== | | ==Chitosan in Kapsel- und Pulverform== |
− | Bei Chitosan handelt es sich um mikrokristallines Chitin, das aus der Schale von Krustentieren gewonnen wird. Die Anbieter behaupten, Chitosan könne im Magen-Darm-Trakt die Fette aufsaugen und somit könnten diese nicht mehr aufgenommen werden. In der Folge sinke der Cholesterinspiegel im Serum.
| + | Das Chitin in Chitosan wird aus der Schale von Krustentieren gewonnen. Die Anbieter behaupten, Chitosan könne im Magen-Darm-Trakt die Fette aufsaugen und somit könnten diese nicht mehr aufgenommen werden. In der Folge sinke der Cholesterinspiegel im Serum. |
| | | |
| Üblicherweise werden chitosanhaltige Produkte in Tabletten mit einem Gehalt von 700 mg Chitosan angeboten. Es wird empfohlen, eine Tablette vor der Mahlzeit einzunehmen. Im Internet gibt es Anbieter, die behaupten, dass durch diese Chitosanmenge das 3-16fache Gewicht an Fett gebunden würde. Bedenkt man, was aber normalerweise an Nahrungsfetten verzehrt wird, ist diese Menge zu gering, um eine medizinische Wirkung zu erzielen. In einem Gerichtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt (Az.: 14 O 515/01) vom 20.08.2002 musste ein Chitosan-Anbieter einräumen, dass sein chitosanhaltiges Produkt, wenn es in der empfohlenen Menge eingenommen wird, lediglich 20 g Fett zu binden in der Lage ist. Von einer Antifettpille, wie die Anbieter behaupten, kann keine Rede sein. | | Üblicherweise werden chitosanhaltige Produkte in Tabletten mit einem Gehalt von 700 mg Chitosan angeboten. Es wird empfohlen, eine Tablette vor der Mahlzeit einzunehmen. Im Internet gibt es Anbieter, die behaupten, dass durch diese Chitosanmenge das 3-16fache Gewicht an Fett gebunden würde. Bedenkt man, was aber normalerweise an Nahrungsfetten verzehrt wird, ist diese Menge zu gering, um eine medizinische Wirkung zu erzielen. In einem Gerichtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt (Az.: 14 O 515/01) vom 20.08.2002 musste ein Chitosan-Anbieter einräumen, dass sein chitosanhaltiges Produkt, wenn es in der empfohlenen Menge eingenommen wird, lediglich 20 g Fett zu binden in der Lage ist. Von einer Antifettpille, wie die Anbieter behaupten, kann keine Rede sein. |
| | | |
− | ==unseriöse Studien zeigen Wirksamkeit, seriöse Studien zeigen Unwirksamkeit== | + | ==Unseriöse Studien zeigen Wirksamkeit, seriöse Studien zeigen Unwirksamkeit== |
| Sucht man im medizinischen Schrifttum, finden sich fünf Studien mit insgesamt 386 Patienten, die angeblich beweisen, dass Chitosan zu einer stärkerer Gewichtsabnahme als Plazebo führt (Arzneitelegramm 2002). Bis auf zehn Patienten einer dreiarmigen Studie müssen alle Teilnehmer aber zusätzlich zu Chitosan oder Plazebo eine kalorienreduzierte Diät von etwa 1.100 kcal pro Tag einhalten. Signifikante Gewichtsverluste werden sowohl unter Chitosan als auch unter Scheinmedikament beobachtet, aber in vier der fünf Studien soll dieser Effekt unter Chisotan signifikant größer gewesen sein als unter Plazebo. Das Arzneitelegramm bewertet diese Studien jedoch wegen massiver methodischer Mängel (fehlende Angaben zur Chitosan-Dosis, fehlende Definition von primären und sekundären Zielkriterien, fehlende Power- und Fallzahlkalkulatio sowie fragwürdige Randomisierung und Verblindung) als Makulatur. | | Sucht man im medizinischen Schrifttum, finden sich fünf Studien mit insgesamt 386 Patienten, die angeblich beweisen, dass Chitosan zu einer stärkerer Gewichtsabnahme als Plazebo führt (Arzneitelegramm 2002). Bis auf zehn Patienten einer dreiarmigen Studie müssen alle Teilnehmer aber zusätzlich zu Chitosan oder Plazebo eine kalorienreduzierte Diät von etwa 1.100 kcal pro Tag einhalten. Signifikante Gewichtsverluste werden sowohl unter Chitosan als auch unter Scheinmedikament beobachtet, aber in vier der fünf Studien soll dieser Effekt unter Chisotan signifikant größer gewesen sein als unter Plazebo. Das Arzneitelegramm bewertet diese Studien jedoch wegen massiver methodischer Mängel (fehlende Angaben zur Chitosan-Dosis, fehlende Definition von primären und sekundären Zielkriterien, fehlende Power- und Fallzahlkalkulatio sowie fragwürdige Randomisierung und Verblindung) als Makulatur. |
| | | |
Zeile 16: |
Zeile 14: |
| Obwohl Chitosan nach bisherigem wissenschaftlichen Kenntnisstand nur Fett im Verdauungstrakt bindet und nicht durch die intakte Darmwand in den Organismus eindringen kann, wurde es von verschiedenen Gerichten (LG München, AZ 2 HK 0 938/00 vom 31.01.2002 und LG Darmstadt, Az 14 O 515/01 vom 20.08.2002) nicht als Medizinprodukt, sondern als Arzneimittel eingestuft. Beim Produkt S. Chitoplus Fettgreifer-Kapseln liegt keine derartige Arzneimittelzulassung vor. Dem Anbieter wurde die Werbung und der Vertrieb für sein Produkt untersagt. | | Obwohl Chitosan nach bisherigem wissenschaftlichen Kenntnisstand nur Fett im Verdauungstrakt bindet und nicht durch die intakte Darmwand in den Organismus eindringen kann, wurde es von verschiedenen Gerichten (LG München, AZ 2 HK 0 938/00 vom 31.01.2002 und LG Darmstadt, Az 14 O 515/01 vom 20.08.2002) nicht als Medizinprodukt, sondern als Arzneimittel eingestuft. Beim Produkt S. Chitoplus Fettgreifer-Kapseln liegt keine derartige Arzneimittelzulassung vor. Dem Anbieter wurde die Werbung und der Vertrieb für sein Produkt untersagt. |
| | | |
− | ==deutsche Zulassungsbehörde BfArM stuft Chitosan aber zum Medizinprodukt herunter== | + | ==Deutsche Zulassungsbehörde BfArM stuft Chitosan aber zum Medizinprodukt herunter== |
| Im Jahr 2002 kam es zu einer Änderung der rechtlichen Situation. Das Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (www.bfarm.de) kam zur Ansicht, dass Chitosan weder pharmakologisch oder immunologisch wirke, sondern hauptsächlich dadurch, dass es Nahrungsfett absorbiere (Arzneitelegramm 2002). Dies spielte den Chitosananbietern in die Hände, da für die Vermarktung als Medizinprodukt keine klinischen Studien wie bei Arzneimitteln erforderlich sind. Somit half die zuständige Arzneimittelbehörde einem fragwürdigen, nutzlosen Produkt, dass zumindest von einigen Gerichten vom Markt gezogen wurde, wieder durch die Hintertür zur Verkehrsfähigkeit. Auf diese Weise sparen die Anbieter Millionen für die Arzneimittelzulassung und benötigen keinerlei Wirksamkeitsnachweis für ihr nachweislich unwirksames Medizinprodukt. Damit teilt sich Chitosan den gleichen Übergewichtsmarkt mit unwirksamen Methoden wie CM3-Kapseln, die ebenfalls nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukte eingestuft wurden. | | Im Jahr 2002 kam es zu einer Änderung der rechtlichen Situation. Das Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (www.bfarm.de) kam zur Ansicht, dass Chitosan weder pharmakologisch oder immunologisch wirke, sondern hauptsächlich dadurch, dass es Nahrungsfett absorbiere (Arzneitelegramm 2002). Dies spielte den Chitosananbietern in die Hände, da für die Vermarktung als Medizinprodukt keine klinischen Studien wie bei Arzneimitteln erforderlich sind. Somit half die zuständige Arzneimittelbehörde einem fragwürdigen, nutzlosen Produkt, dass zumindest von einigen Gerichten vom Markt gezogen wurde, wieder durch die Hintertür zur Verkehrsfähigkeit. Auf diese Weise sparen die Anbieter Millionen für die Arzneimittelzulassung und benötigen keinerlei Wirksamkeitsnachweis für ihr nachweislich unwirksames Medizinprodukt. Damit teilt sich Chitosan den gleichen Übergewichtsmarkt mit unwirksamen Methoden wie CM3-Kapseln, die ebenfalls nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukte eingestuft wurden. |
| | | |
− | ==unlautere Werbung wird innerhalb der BRD gerichtlich untersagt== | + | ==Unlautere Werbung wird innerhalb der BRD gerichtlich untersagt== |
| EIne Firma, die Chitosan unter dem Handelsnamen Strobby® mit Schlagworten wie Die Fett-weg-Pille oder Fett weg, 10 Kilo runter! beworben hatte, bekam wegen dieser Werbung juristische Probleme. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az: 6 U 74/02 vom 23.10.2002) beanstandete nicht nur die fragwürdige Werbung, es bestätigte auch die Ansicht der landgerichtlichen Vorinstanz, dass das Schlankheitsmittel die ihm in der Werbung zugesprochen Eigenschaften nicht besitze: Der Wirkstoff Chitosan, der in dem Mittel 'Strobby' enthalten ist, mag zwar in Laborversuchen eine gewisse Eignung zur Bindung von Fetten gezeigt haben. Zur Erreichung der in der beanstandeten Werbeanzeige plakativ angepriesenen Wirkung reicht dies jedoch bei weitem nicht aus. Das OLG bewertete diese Werbung als grob irreführend. Dem Verlag, der die entsprechende Anzeige veröffentlicht hatte, drohte ebenfalls Ungemach. Man hätte dort erkennen müssen, dass die Art der Anpreisung heilmittelwerberechtswidrig gewesen sei. | | EIne Firma, die Chitosan unter dem Handelsnamen Strobby® mit Schlagworten wie Die Fett-weg-Pille oder Fett weg, 10 Kilo runter! beworben hatte, bekam wegen dieser Werbung juristische Probleme. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az: 6 U 74/02 vom 23.10.2002) beanstandete nicht nur die fragwürdige Werbung, es bestätigte auch die Ansicht der landgerichtlichen Vorinstanz, dass das Schlankheitsmittel die ihm in der Werbung zugesprochen Eigenschaften nicht besitze: Der Wirkstoff Chitosan, der in dem Mittel 'Strobby' enthalten ist, mag zwar in Laborversuchen eine gewisse Eignung zur Bindung von Fetten gezeigt haben. Zur Erreichung der in der beanstandeten Werbeanzeige plakativ angepriesenen Wirkung reicht dies jedoch bei weitem nicht aus. Das OLG bewertete diese Werbung als grob irreführend. Dem Verlag, der die entsprechende Anzeige veröffentlicht hatte, drohte ebenfalls Ungemach. Man hätte dort erkennen müssen, dass die Art der Anpreisung heilmittelwerberechtswidrig gewesen sei. |
| | | |
Zeile 34: |
Zeile 32: |
| {{Paralex}} | | {{Paralex}} |
| [[category:Heilmittel in der Pseudomedizin]] | | [[category:Heilmittel in der Pseudomedizin]] |
− | [[category:Überarbeiten AM zu PM]]
| |