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[[Bild:Ecce-virgo02.JPG|thumb|Altar in der Piusbruderschaftskirche St. Josef in Memmingen]]
Die '''Priesterbruderschaft St. [[Pius X.]]''' (FSSPX, Abkürzung von [[Lateinische Sprache|lat.]] ''Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X.'') ist eine [[Katholischer Traditionalismus|traditionalistische]] Priestervereinigung. Sie wurde 1970 von Erzbischof [[Marcel Lefebvre]] gegründet, um an traditionellen Riten und Lehren der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] festzuhalten, die das [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweite Vatikanische Konzil]] (1962-65) aus ihrer Sicht aufgegeben hatte. Sie lehnt wesentliche Konzilsbeschlüsse als „[[Modernismus (Katholizismus)|modernistisch]]“ ab, darunter die Öffnung zur [[Ökumene]], [[Religionsfreiheit]], [[Kollegialität]] der Bischöfe, [[Liturgiereform]] und Anerkennung des [[Judentum]]s als eigenständigen Heilsweg (''[[Nostra Aetate]]''). Sie strebt eine „Erneuerung des Priestertums“ und die „Verbreitung und Wiederherstellung der authentischen katholischen Lehre“ an. Sie betreibt ohne Erlaubnis von [[Heiliger Stuhl|Vatikan]] und [[Diözese]]n Priesterseminare, [[Prior]]ate und [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapellen]]. Seit 1994 leitet der von Lefebvre geweihte Bischof [[Bernard Fellay]] die FSSPX. Zu ihr gehören 2009 nach eigenen Angaben 493 Priester.<ref>[http://www.dici.org/dl/fichiers/In-Zahlen_med.pdf ''Die Priesterbruderschaft St. Pius X. in Zahlen'']</ref>
Der Vatikan erkennt die FSSPX seit 1975 nicht mehr als Teil der römisch-katholischen Kirche an und exkommunizierte ihre Bischöfe 1988 wegen [[Bischofsweihe]]n ohne Erlaubnis des [[Papst]]es. Am 21. Januar 2009 hob Papst [[Benedikt XVI.]] die [[Exkommunikation]], nicht aber die [[Suspension (Kirchenrecht)|Suspension]] der vier Bischöfe auf.
== Gründung ==
Lefebvre lehnte Entwicklungen in der Römisch-Katholischen Kirche, die das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen hatte, zunehmend ab. Er gab deshalb nach und nach seine kirchlichen Ämter auf, darunter das des Generaloberen der [[Spiritaner|„Väter vom Heiligen Geist“]]. Kurz darauf baten Seminaristen des Französischen Priesterseminars in Rom Lefebvre um ein konservatives Seminar zum Beenden ihrer Studien, um unbedrängt an traditionellen Glaubensvorstellungen und Doktrinen festhalten zu können.
Lefebvre verwies sie zunächst an die [[Universität Freiburg (Schweiz)|Universität Freiburg]] in der [[Schweiz]]. Nachdem er gebeten worden war, diese Seminaristen persönlich zu unterrichten, wandte er sich an den [[Diözesanbischof]] vom [[Bistum Lausanne-Genf-Freiburg]], [[François Charrière]]. Dieser gründete in seinem Auftrag die Internationale Priestergemeinschaft St. [[Pius X.]] als [[pia unio]]. Lefebvre genehmigte dabei die Statuten zunächst für sechs Jahre ''ad experimentum''. Kardinal [[John Joseph Wright]], Präfekt der [[Kongregation für den Klerus]], gratulierte Lefebvre brieflich zur Gründung der Bruderschaft.
== Einrichtungen ==
[[Bild:Et-in-terra01.JPG|thumb|Detail Seitenaltar St. Josef]]
Die FSSPX betreibt weltweit sechs Priesterseminare, 450 Gottesdienstorte, 127 Priorate, 86 Schulen und zwei Universitätsinstitute. Diese sind in 63 Staaten auf allen Kontinenten vertreten, darunter etwa Frankreich, Österreich, Polen, Kanada, Argentinien.<ref>[http://www.laportelatine.org/international/maison/maison.php La Porte Latine: ''La Maison Généralice'']</ref> Ihr Generalhaus liegt in [[Menzingen ZG|Menzingen]] im Schweizer [[Kanton Zug]]. Ihre Anhängerschaft wird auf etwa 600.000 geschätzt, die meisten davon mit 100.000 in Frankreich. <ref>[http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/23/0,3672,7512535,00.html ZDF: ''Die umstrittene Bruderschaft Sankt Pius X.''] vom 4. Februar 2009</ref>
In [[Deutschland]] betreibt sie etwa 42 Priorate und Kapellen, ein Priesterseminar in [[Zaitzkofen]], ein Kloster, ein Schwesternnoviziat, ein Altenheim und seit etwa 1995 drei [[Privatschule]]n: darunter das St.-Theresien-Gymnasium bei Bonn mit Mädcheninternat und das Don-Bosco-Gymnasium in Wadersloh/Diestedde. Das diesem angeschlossene Jungeninternat wurde 2007 wegen finanzieller Probleme geschlossen. Distriktoberer der deutschen Einrichtungen ist [[Pater]] [[Franz Schmidberger]].
Weitere eigene Priesterseminare bestehen in [[Ecône]] (Schweiz), [[Flavigny-sur-Ozerain]] (Frankreich), [[Goulburn]] (Australien), [[Winona (Minnesota)]] (USA) und [[La Reja]] (Argentinien).
In den Diözesen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz darf die Bruderschaft meist keine römisch-katholischen Kirchengebäude nutzen, auch nicht für Beerdigungen, Taufen, Eheschließungen oder Wallfahrten. In [[Lisieux]] und [[Lourdes]] wurden ihr 2005 je ein [[Hochamt]] in römisch-katholischen Kirchen gestattet.
2002 wurde in der Ukraine die ''Priesterbruderschaft St. Josaphat'' gegründet mit dem Ziel der „Bekehrung des schismatischen Ostens zur Anerkennung des Papstes und der traditionellen katholischen Lehre“ errichtet.
Im schweizerischen [[Oensingen]] wird der zur Piusbruderschaft gehörige Verein „Robert-Mäder-Werk“ die „Sarto Verlagsbuchhandlung“ eröffnen. Sie liefert keine Artikel aus, die nach der traditionalistischen Auslegung der [[Zehn Gebote]] als unmoralisch eingestuft werden.<ref>[http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Piusbrueder-Eine-Buchhandlung-fuer-die-zehn-Gebote/story/18362441 Tagesanzeiger: ''Piusbrüder: Eine Buchhandlung für die zehn Gebote''] vom 11. Februar 2009</ref>
== Trennungsprozess von Rom ==
=== Verlust kirchlicher Anerkennung ===
Wegen wachsender Spannungen zwischen Lefebvre und anderen europäischen, besonders französischen Bischöfen berief Kardinalstaatssekretär [[Jean-Marie Villot]] eine Kommission ein, die die Angelegenheit untersuchen sollte. Dazu gehörten Kardinal [[Gabriel-Marie Garrone]], Kardinal Wright und Kardinal [[Arturo Tabera]].
Am 21. November 1974 veröffentlichte Lefebvre folgende „Grundsatzerklärung“:<ref> [http://www.fsspx.org/ger/Bruderschaft/Mgr%20Lefebvre/1974-Grundsatzerklaerung.htm ''Die Grundsatzerklärung von S.E. Erzbischof Marcel Lefebvre''], 21. November 1974</ref>
{{Zitat|Wir hängen mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele am katholischen Rom, der Hüterin des katholischen Glaubens und der für die Erhaltung dieses Glaubens notwendigen Traditionen … Wir lehnen es hingegen ab, und haben es immer abgelehnt, dem Rom der neo-modernistischen und neo-protestantischen Tendenz zu folgen, die klar im Zweiten Vatikanischen Konzil und nach dem Konzil in allen Reformen, die daraus hervorgingen, zum Durchbruch kam … Keine Autorität, selbst nicht die höchste in der Hierarchie, kann uns zwingen, unseren Glauben, so wie er vom Lehramt der Kirche seit neunzehn Jahrhunderten klar formuliert und verkündet wurde, aufzugeben oder zu schmälern … Da diese Reform vom Liberalismus und vom Modernismus ausgeht, ist sie völlig vergiftet. Sie stammt aus der [[Häresie]] und führt zur Häresie, selbst dann, wenn nicht alle ihre Akte direkt häretisch sind! Daher ist es jedem wachen und treuen Katholiken unmöglich, diese Reform anzunehmen und sich ihr, in welcher Weise auch immer, zu unterwerfen.}}
Nach vorherigem Briefwechsel mit Kardinal Tabera entzog Bischof [[Pierre Mamie]], der Nachfolger von Bischof Charrière, der FSSPX am 6. Mai 1975 die Anerkennung als katholische Organisation. Die Kardinalskommission entschied mit Zustimmung des Papstes, dass Bischof Mamie dazu das Recht habe. Durch diesen Entzug fehle der Bruderschaft und ihren Priesterseminaren eine juristische Basis, so dass sie aufzulösen seien. Lefebvre werde bis zum Widerruf seiner Erklärung vom 21. November 1974 keinerlei kirchliche Unterstützung erhalten.
Lefebvre lehnte gegenüber der [[Apostolische Signatur|Apostolischen Signatur]] diese Entscheidungen ab, da die Kardinalskommission nicht befugt gewesen sei, seine Erklärung zu beurteilen. Diese sei persönlicher Art gewesen, so dass allenfalls er selbst dafür bestraft werden dürfe. Es gehe nicht an, deshalb die FSSPX und deren Priesterseminare aufzulösen.
Die Apostolische Signatur lehnte diesen Rekurs Lefebvres am 10. Juni 1975 ab, da Papst [[Paul VI.]] die Entscheidung der Kardinalskommission ''in forma specifica'' befürwortet habe. Dies bestätigte dieser in einem persönlichen Brief an Lefebvre. Für den Vatikan war die FSSPX von nun an keine Organisation der römisch-katholischen Kirche mehr.
Für die FSSPX blieb dieser Ausschluss ungültig: Die Kardinalskommission habe ihre Kompetenz überschritten, da der Papst ihre spezifische Entscheidung erst nach Erlass des Rechtsaktes bestätigt habe.<ref>[http://www.angelusonline.org/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=2856]</ref> Sie setzte ihre Arbeit fort und ignorierte die Weisungen des Diözesanbischofs und Roms. Im Konsistorium am 24. Mai 1976 kritisierte Papst Paul VI. Lefebvre deswegen öffentlich und appellierte an ihn und seine Anhänger, sich zu besinnen.<ref> [http://www.vatican.va/holy_father/paul_vi/speeches/1976/documents/hf_p-vi_spe_19760524_concistoro_lt.html CONCISTORO SEGRETO DEL SANTO PADRE PAOLO VI PER LA NOMINA DI VENTI CARDINALI], Papst Paul VI., 24. März 1976</ref>
=== Verbotene Priesterweihen und Seminargründungen ===
Trotz zweifachen vorherigen Verbots durch Erzbischof [[Giovanni Benelli]] weihte Lefebvre FSSPX-Seminaristen am 29. Juni 1976 zu Priestern. In der Predigt dazu bekundete er:<ref> [http://www.fsspx.info/erzbischof/artikel.php?page=0&show=8&=&= Predigt von Erzbischof Lefebvre am 29. Juni 1976 in Ecône] </ref>
{{Zitat|Es bereitet uns einen ungeheuren und unermesslichen Schmerz, feststellen zu müssen, dass wir mit Rom Schwierigkeiten haben — wegen unseres Glaubens! […] Wir befinden uns in einer wahrhaft dramatischen Situation. Wir müssen uns entscheiden. Es geht um einen sozusagen scheinbaren Gehorsam, denn der Heilige Vater kann von uns nicht mit Recht verlangen, unseren Glauben aufzugeben. […] Wir entscheiden uns dafür, unseren Glauben nicht aufzugeben, denn darin können wir uns nicht täuschen.}}
Lefebvre wurde am gleichen Tag von seinem Amt suspendiert (''a collatione ordinum''), so dass er von nun an keine rechtmäßigen Priesterweihen durchführen konnte. Kardinal [[Sebastiano Baggio]], Präfekt der Kongregation für die Bischöfe, forderte ihn eine Woche später auf, sich beim Papst für die verbotenen Priesterweihen zu entschuldigen. In seinem Antwortschreiben verweigerte Lefebvre dies und forderte Paul VI. auf, „die richtige Auffassung der verfälschten Ideen wiederher[zu]stellen, die zu Idolen des modernen Menschen geworden sind: [[Freiheit]], [[Gleichheit]], [[Brüderlichkeit]], [[Demokratie]].“<ref>[http://www.fsspx.info/erzbischof/artikel.php?show=168 Brief von Erzbischof Lefebvre an Papst Paul VI. vom 17. Juli 1976]</ref> Der Papst solle das „unglückselige Unternehmen eines Kompromisses mit den Ideen des modernen Menschen aufgeben“, das vor dem Konzil mit einem geheimen Abkommen zwischen hohen kirchlichen Würdenträgern und den [[Freimaurerei|Freimaurern]] begonnen habe. Vermutlich meinte er die [[Lichtenauer Erklärung]].<ref>[http://www.sgovd.org/wiki/Lichtenauer_Erkl%C3%A4rung Gespräche der Freimaurerei mit der katholischen Kirche]</ref>
Daraufhin wurde er vom Papst ''a divinis'' suspendiert und verlor damit alle Vollmachten seines Priester- und Bischofsamts. Er blieb aber an der Spitze der FSSPX, seit 1982 zusammen mit Franz Schmidberger als Generalvikar mit dem Recht auf Nachfolge.
Die FSSPX eröffnete in verschiedenen Staaten Priesterseminare und Kapellen ohne Genehmigung des jeweiligen [[Diözesanbischof]]s und führte weitere ungenehmigte Priesterweihen durch. Sie begründet dies im Gegensatz zum [[Sedisvakantismus]] mit einer häretischen Mentalität des Vatikans, leitet daraus einen Notstand und damit ihr Recht zum Ungehorsam gegenüber Rom und den lokalen Diözesanbischöfen ab.
=== Bischofsweihen ===
1987 erklärte Lefebvre seine Absicht, einen Nachfolger mit oder ohne Erlaubnis des Vatikans zum Bischof zu weihen. Denn der Stuhl Petri und die amtlichen Stellen in Rom seien von [[Antichrist|antichristlichen Kräften]] besetzt:<ref>[http://www.fsspx.info/erzbischof/artikel.php?show=191 Brief von Erzbischof Lefebvre an seine zukünftigen Bischöfe vom 28. August 1987]</ref>
{{Zitat|Da dieses modernistische und liberale Rom sein Werk der Zerstörung der Herrschaft Unseres Herrn weiterverfolgt, […] sehe ich mich gezwungen […] die Gnade des katholischen Bischofsamtes […] weiterzugeben, damit die Kirche und das katholische Priestertum fortfahren zu bestehen.}}
Der Vatikan verhandelte daraufhin mit Lefebvre und erreichte, dass er am 5. Mai 1988 ein Protokoll unterschrieb.<ref>FSSP: [http://www.fssp.org/de/protoc5mai.htm Dokumente – Protokoll über ein Einvernehmen vom 5. Mai 1988]</ref> Im ersten, doktrinalen Teil versprach er als Vertreter der Priesterbruderschaft St. Pius X.:
*der katholischen Kirche sowie dem Papst und seinem Primat als Oberhaupt der Gesamtheit der Bischöfe immer treu zu sein,
*die in Sektion 25 der dogmatischen Konstitution über die Kirche ([[Lumen Gentium]]) enthaltene Lehre über das kirchliche Lehramt, die Papst Paul VI. [[Promulgation|promulgiert]] hatte, anzunehmen,
*hinsichtlich der vom Zweiten Vatikanischen Konzil eingeleiteten Liturgie- und Kultreformen, bei deren Studium und einem Vorbringen beim Heiligen Stuhl eine positive Haltung einzunehmen und jede [[Polemik]] zu vermeiden,
*die Gültigkeit des Messopfers und der Sakramente anzuerkennen, die in den von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. promulgierten offiziellen Ausgaben des römischen Messbuches und in den Ritualen für die Sakramente enthalten sind,
*die allgemeine Disziplin der Kirche und die kirchlichen Gesetze zu achten, besonders das von Papst [[Johannes Paul II.]] promulgierte Kirchliche Gesetzbuch.
Der zweite, juristische Teil sah vor, dass:
* die Priesterbruderschaft eine Gesellschaft des Apostolischen Lebens wird,
* Erzbischof Lefebvre oder ein von ihm gebilligter anderer Bischof autorisiert werde, FSSPX-Seminaristen zu Priestern zu weihen,
* dieser Bischofsanwärter dem Papst aus praktischen und psychologischen Gründen im Rahmen der doktrinalen und kanonistischen Lösung der Wiederversöhnung vorgeschlagen wird,
* eine Kommission eingesetzt wird für die Koordinierung der Beziehungen zwischen der FSSPX einerseits und den verschiedenen vatikanischen [[Dikasterien]] und den Diözesanbischöfen andererseits sowie für die Lösung eventueller Probleme und Streitfragen,
* die kirchenrechtliche Suspension von Erzbischof Marcel Lefebvre aufgehoben wird,
* es zu einer „Amnestie“ und einer Genehmigung kommt für die Häuser und Kultstätten, die die Bruderschaft ohne Autorisierung der zuständigen Bischöfe errichtet und benutzte.
Dieses Dokument unterschrieben Lefebvre und Kardinal [[Benedikt XVI.|Joseph Ratzinger]] und sandten es an Papst Johannes Paul II. mit der Bitte um Zustimmung.
Lefebvre erklärte jedoch schon am 6. Mai, sein Gewissen verpflichte ihn, mit oder ohne päpstliche Erlaubnis am 30. Juni einen Nachfolger zum Bischof zu weihen. Am 24. Mai wurde ihm in Aussicht gestellt, dass der Papst am 15. August einen Priester der Bruderschaft zum Bischof ernennen werde, falls man einen geeigneten Kandidaten finde. Im Gegenzug müsse Lefebvre auf der Basis des am 5. Mai von ihm unterzeichneten Protokolls um Aussöhnung mit dem Papst ersuchen und einen Brief mit Entschuldigungsbitten unterzeichnen.
Lefebvre verlangte daraufhin, die Weihe müsse am 30. Juni stattfinden, nicht einer, sondern drei Bischöfe seien zu weihen und die vorgesehene Kommission müsse mehrheitlich aus Mitgliedern der Bruderschaft bestehen. Diese Bedingungen lehnte Papst Johannes Paul II. in einem von Joseph Ratzinger überbrachten Brief am 30. Mai ab. Am 3. Juni 1988 antwortete Lefebvre aus Ecône, er werde am 30. Juni die von ihm geplanten Bischofsweihen auch ohne päpstliche Erlaubnis durchführen.
Papst Johannes Paul II. erinnerte Lefebvre am 9. Juni 1988 nochmals brieflich an die von ihm am 5. Mai unterzeichnete Vereinbarung und appellierte an ihn, nicht mit seinem Plan fortzufahren. Dieser werde als schismatischer Akt bewertet, dessen theologische und kanonische Konsequenzen Lefebvre bekannt seien. Als dieser darauf nicht antwortete, machte der Vatikan den Briefwechsel am 16. Juni 1988 öffentlich bekannt.
Am 30. Juni 1988 weihte Erzbischof Lefebvre, assistiert vom emeritierten Bischof von [[Campos dos Goytacazes]] ([[Brasilien]]), [[Antônio de Castro Mayer]], vier FSSPX-Priester ohne Genehmigung Roms zu Bischöfen: [[Bernard Fellay]], [[Bernard Tissier de Mallerais]], [[Richard Williamson]] und [[Alfonso de Galarreta]]. In der Predigt dazu begründete er den Abbruch der Verhandlungen mit Rom:<ref>[http://www.fsspx.info/erzbischof/artikel.php?page=0&show=142 Predigt von Erzbischof Lefebvre am 30. Juni 1988 in Ecône]</ref>
{{Zitat|Was ist die Wahrheit für diese Menschen? Es ist die Wahrheit des Zweiten Vatikanischen Konzils, dieser konziliaren Kirche. Folglich ist für den Vatikan die heute einzige existierende Wahrheit, die konziliare Wahrheit, die Wahrheit des ‚Geistes des Konzils‘. Es ist der Geist von [[Weltgebetstreffen|Assisi]]. Das ist heute ‚die Wahrheit‘. Diese Wahrheit wollen wir nicht, um alles in der Welt! Der feste Willen der gegenwärtigen römischen Behörden ist, die Tradition zu vernichten und alle in diesen Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils hineinzuziehen, in diesen Geist von Assisi. Darum haben wir es vorgezogen, uns zurückzuziehen. Diesem Geist konnten wir nicht zustimmen, das war unmöglich. Für uns war es nicht möglich, sich einer solchen Obrigkeit zu unterwerfen. Wir hätten der Amtsgewalt von Kardinal Ratzinger, des Präsidenten dieser römischen Kommission, die uns hätte leiten sollen, unterstanden. Wir wären ihm ausgeliefert gewesen. Wir wären in die Hände der Personen gefallen, die uns dem Geist des Konzils und dem Geist von Assisi unterwerfen wollen. Das ist unmöglich!}}
Ein später Vermittlungsversuch des französischen Philosophen [[Jean Guitton]] scheiterte.
=== Exkommunikation ===
Als Reaktion auf die unerlaubten Bischofsweihen erließ die [[Kongregation für die Bischöfe]] am 1. Juli 1988 ein Dekret,<ref>Benardinus Card. Gantin, Präfekt der Kongregation für die Bischofe: [http://www.cin.org/users/james/files/l-excomm.htm Decree of Excommunication on Marcel Lefebvre]; 1. Juli 1988</ref> in dem Lefebvre sowie de Castro Mayer und die frisch geweihten Bischöfe als exkommuniziert erklärt werden; vgl. [[Codex des Kanonischen Rechtes]], [http://www.vatican.va/archive/DEU0036/__P54.HTM Canon 1382]. Am folgenden Tag bestätigte Papst Johannes Paul II. dieses Dekret mit dem Apostolischen Brief [[Ecclesia Dei]]. Der Vollzug illegitimer Bischofsweihen durch Lefebvre im Ungehorsam gegenüber dem Papst sei ein [[schisma]]tischer Akt. Er forderte alle Katholiken auf, die bisher in irgendeiner Weise mit der FSSPX in Verbindung standen, diese nicht weiter zu unterstützen.
Die Bruderschaft selbst bestreitet sowohl, schismatische Absichten zu haben, als auch das Eintreten der Exkommunikation aufgrund des aktuellen Kirchennotstands, d.h. der Kirchenkrise.
Einige Priester verließen unmittelbar nach den unerlaubten Bischofsweihen die FSSPX. Sie gründeten noch 1988 die päpstlich anerkannte [[Priesterbruderschaft St. Petrus]]. Diese erkennt alle Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und die auf dessen Anordnung durchgeführte [[Liturgiereform]] an.
=== Kirchenrechtlicher Status ===
Die FSSPX besitzt gegenwärtig keine offizielle Anerkennung durch die römisch-katholische Kirche. Der Heilige Stuhl sieht die FSSPX nicht als schismatisch an,<ref>Vgl. z. B. die Aussage von Kard. Castrillon Hoyos, derzeitiger Leiter der Kommission „Ecclesia Dei“, bei einer Pressekonferenz am 30. Mai 2008; zitiert, kommentiert und verlinkt bei [http://www.remnantnewspaper.com/Archives/archive-2008-0630-hoyos.htm ''The Remnant'': Vatican Cardinal Ordains Four for Priestly Fraternity of St. Peter. Remnant Editor Questions Darío Cardinal Castrillón Hoyos'']; oder das Antwortschreiben Kard. Cassidys, seinerzeit Präsident des päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, am 3. Mai 1994 auf eine schriftliche Anfrage bzgl. des Status der Bruderschaft: „Die Situation der Mitglieder dieser Bruderschaft ist eine interne Angelegenheit der katholischen Kirche. Die Bruderschaft ist nicht eine andere Kirche oder kirchliche Kommunität in der in dem Direktorium gebrauchten Bedeutung“, ebenso jüngst die inhaltliche Bestätigung dieser Feststellung, dass die Angelegenheit der Bruderschaft eine kirchlich-interne sei, durch Msgr. Perl in einem Schreiben vom 23. Mai 2008 (s. u. Fußnote zur Frage der Ehen und Beichten).</ref> sieht aber die Gefahr, dass ihre Mitglieder im Laufe der Zeit eine schismatische Mentalität annehmen und so zum [[Schisma]] tendieren.<ref>Kommission Ecclesia Dei: [http://www.ewtn.com/library/CURIA/CEDSSPX.HTM ''Status of Society of St Pius X Masses''], 29. September 1995.</ref>
Die Bruderschaft ihrerseits bestreitet das Vorliegen eines Schismas, erkennt den Papst ausdrücklich an und betont ihre Loyalität ihm gegenüber sowie den Umstand, dass sie täglich im Messkanon für den Papst und die Ortsbischöfe betet.<ref>
http://fsspx.at/index.php?option=com_content&view=article&id=7&Itemid=7&e2d5456682626ccc544988f425f17cd8=95695eb515ff6f222450eaed739413d5, http://sspx.org/</ref>
Gläubige, die mit der Priesterbruderschaft sympathisieren, sind katholische Gläubige, es sei denn, sie sehen in dieser die einzig wahre Kirche und machen dies im äußeren Bereich sichtbar (s. genauer im folgenden).
Die Bruderschaft bestreitet den Eintritt der Exkommunikation aufgrund der kirchlichen Notlage.<ref>Nach can. 1323, 4° oder 7° oder 1324, §1, 8° und §3, wonach jemand, der aufgrund einer Notlage handelt (1323, 4°), selbst wenn diese nur subjektiv wahrgenommen wird, also objektiv gar nicht vorliegt (7°) und selbst wenn dieser Irrtum verschuldet ist (1324, §1, 8°), keine Tatstrafe trifft (§3). Vgl. ausführlich R. Kaschewsky: Zur Frage der Bischofsweihen ohne päpstlichen Auftrag, in: Una Voce Korrespondenz 2/1988, 86-91</ref> Die innerhalb der Bruderschaft geweihten Priester sind gültig geweiht, gelten jedoch wegen des Mangels einer gültigen [[Inkardination]] als [[Suspension (Kirchenrecht)|suspendiert]]. Die FSSPX hingegen ist der Ansicht ähnlich einer Ordensgemeinschaft in die eigene Priestergemeinschaft inkardinieren zu können, nachdem die FSSPX von Kardinal [[Antoniutti]] († 1974), dem Präfekten der römischen [[Kongregation]] für die Religiosen, einen [[Indult]] dazu erhalten hatte.
Der Heilige Stuhl sieht die Messfeiern der Bruderschaft als gültig an, rät aber vom ihrem Besuch ab. Auf eine schriftliche Anfrage antwortete [[Msgr.]] [[Camille Perl]], damaliger Sekretär der päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“, zunächst (Sept. 1995), es sei als moralisch unerlaubt (''morally illicit'') zu betrachten, die Messen der Bruderschaft zu besuchen.<ref>[http://www.ewtn.com/library/CURIA/CEDSSPX.HTM Commission Ecclesia Dei: STATUS OF SOCIETY OF ST PIUS X MASSES (September 1995)]</ref> Später (Brief v. 27. Sept. 2002 bzw. Bestätigungsschreiben v. 18. Jan. 2003) sprach derselbe Msgr. Perl nur noch davon, dass die Messen rechtlich unerlaubt („illicit i. e., contrary to the law“) seien und es keine Sünde sei, daran teilzunehmen „[i]f your intention is simply to participate in a Mass according to the 1962 Missal for the sake of devotion“, wenngleich, wie bereits früher dargelegt, der Besuch von FSSPX-Messen nicht empfohlen werden könne. Auf die Frage, ob ein Katholik mit dem Besuch einer FSSPX-Messe die [[Sonntagsgebot|Sonntagspflicht]] erfüllen könne, antwortet er, dies sei im eigentlichen Sinne (''in the strict sense'') möglich. Die Frage, ob eine Spende bei der Kollekte eine Sünde sei, verneinte er und antwortete, eine moderate Spende erscheine vertretbar.<ref>unavoce.org: [http://www.unavoce.org/articles/2003/perl-011803.htm ''Letter by Msgr. Camille Perl Regarding Society of St. Pius X Masses'']</ref>
Gläubige, die an einer Messfeier von Priestern der FSSPX teilnehmen, ziehen sich keine [[Kirchenstrafe]] zu. „Nur Gläubige, die in der Priesterbruderschaft St. Pius X. die einzig wahre Kirche sehen und dies im äußeren Bereich sichtbar machen, ziehen sich die Exkommunikation zu“.<ref>Verordnungsblatt der Erzdiözese Salzburg, Erzb. Ordinariat, 10. Mai 2006, Prot.Nr. 579/06</ref>
Fraglich ist, inwieweit bei der FSSPX vorgenommene Trauungen gültig sind. Nach Can. 1108 Codex Iuris Canonici (CIC) gilt nämlich, dass nur jene Ehen gültig sind, die unter Assistenz des [[Ortsordinarius]] oder des Ortspfarrers oder eines von einem der beiden delegierten Priesters oder Diakons geschlossen werden. Nach Can. 1160 CIC müssten deshalb durch die FSSPX geschlossene Ehen, um aus Sicht der römisch-katholischen Kirche Gültigkeit zu erlangen, von neuem in der kanonischen Form geschlossen werden. Als sich die „[[Apostolische Personaladminstration St. Johannes Maria Vianney|Bruderschaft des hl. Johannes Maria Vianney]]“ (eine zuvor mit der FSSPX theologisch eng verbundene Priesterbruderschaft in Campos, Brasilien) mit dem Papst aussöhnte, wurden die innerhalb der Bruderschaft geschlossenen Ehen allerdings ohne eine erneute Eheschließung anerkannt (allerdings ''ad cautelam'' saniert?). Die Assistenz des [[Ortsordinarius]] oder des Ortspfarrers oder eines von einem der beiden delegierten Priesters oder Diakons ist nach dem Kirchenrecht entbehrlich, wenn eine solche Person nicht ohne schweren Nachteil herbeigeholt oder angegangen werden kann (can. 1116). Auch ersetzt, wie bei Beichte und Firmung, die Kirche nach can. 144 bei Zweifelsfällen oder allg. Irrtum (siehe unten zur Beichte) die fehlende Jurisdiktion/facultas („Ecclesia supplet“). Eheschließungen bei der FSSPX, bei denen mindestens eine dieser Voraussetzungen vorliegt, sind gültig.<ref> Vgl. a. Antwortschreiben Msgr. Camille Perls (Ecclesia Dei) vom 23. Mai 2008 auf eine Anfrage von Brian Mershon, veröffentlicht bei http://www.wdtprs.com am 5. Juli 2008, teilveröffentlicht auch unter http://www.summorumpontificum.net/search?updated-max=2008-07-10T10%3A00%3A00-04%3A00&max-results=20, in dem Msgr. Perl die Eheschließungen und Beichten bei der Priesterbruderschaft zunächst wegen Fehlens der Fakultäten als ungültig erklärt, dann aber einräumt, sie könnten etwa aufgrund von c. 144 CIC dennoch gültig sein.</ref> In der Praxis wird jedoch häufig auch durch die FSSPX eine Delegation des Ortspfarrers eingeholt, sodass sich dieses kirchenrechtliche Problem nicht stellt.
Ähnlich umstritten ist, inwieweit eine von einem Priester der FSSPX erteilte [[Absolution]] gültig ist. Hierfür ist nämlich ebenso eine vom [[Ortsordinarius]] erteilte oder sich aus dem kirchlichen Amt des Priesters ergebende Jurisdiktionsgewalt bzw. Befugnis („facultas“) zur Spendung des Bußsakraments erforderlich (Can. 967ff. CIC), die die Priester der Bruderschaft nicht besitzen. Die Befugnis ist nur entbehrlich bzw. wird von Rechts wegen ersetzt („suppliert“)
* im Falle eines allgemeinen Irrtums („error comunis“) über das Vorliegen der Befugnis (c. 144 CIC). Ein error communis de facto liegt vor, wenn ein Priester der FSSPX dort, wo er handelt, von allen oder wenigstens der Mehrheit der Glieder der konkreten Gemeinschaft vor Ort irrtümlich als rechtmäßiger Inhaber der Befugnis betrachtet wird. Ein error communis de iure ist gegeben, wenn der Priester aufgrund sicher erscheinender Anzeichen von allen Angehörigen oder mindestens von dem größeren Teil der konkreten Gemeinschaft vor Ort irrtümlich als rechtmäßiger Inhaber der Befugnis angesehen werden KÖNNTE (also unabhängig davon, ob und wieviele Gläubige wirklich (de facto) irren),<ref>Vgl., wie auch zum Folgenden, Listl, Joseph (u. a.): ''Handbuch des Katholischen Kirchenrechts''; Regensburg 1983; § 13; S. 140f.</ref>
* bei einem positiven und begründeten Rechts- oder Tatsachenzweifel über das Vorliegen der Befugnis (c. 144 CIC),
* wenn einem Priester die Befugnis auf Zeit verliehen wurde, er aber aus Unaufmerksamkeit nach Ablauf der vorgesehenen Zeit weiter Beichte hört (c. 142 § 2 CIC),
* bei Todesgefahr (Can. 976 CIC).
Beichten bei der FSSPX, bei denen eine dieser Voraussetzungen vorliegt, sind gültig.<ref>S. vorhergehende Fußn. zur Frage der Ehen.</ref>
Zweifelhaft ist, ob die Befugnis auch als suppliert angesehen werden kann in Situationen, die unter c. 844, § 2 CIC fallen. Diese Vorschrift lautet:
{{Zitat|§ 2. Sooft eine Notwendigkeit es erfordert oder ein wirklicher geistlicher Nutzen dazu rät und sofern die Gefahr des Irrtums oder des Indifferentismus vermieden wird, ist es Gläubigen, denen es physisch oder moralisch unmöglich ist, einen katholischen Spender aufzusuchen, erlaubt, die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung von nichtkatholischen Spendern zu empfangen, in deren Kirche die genannten Sakramente gültig gespendet werden.}}
Diese Vorschrift scheint aber nicht auf die FSSPX anwendbar zu sein, da sie nach dem direkten Wortlaut nur für den Sakramentenempfang bei „nichtkatholischen Spendern, in deren Kirche die Sakramente gültig gespendet werden“ gilt und die Priester der FSSPX unstrittig katholisch sind. Allenfalls wäre sie in einer weiten oder analogen Auslegung, die über den direkten Wortlaut hinausgeht – was aber in der Kanonistik nichts Unbekanntes oder Unübliches ist<ref>Joseph S. Listl u. a.: ''Handbuch des Katholischen Kirchenrechts''; Regensburg 1983; § 7, S. 74–76, bzw. cc. 17 und 19 CIC.</ref> und wie es die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei in dem bereits zitierten Antwortschreiben vom September 1995 tatsächlich tut<ref> S. bereits zit. Antwortschreiben von Msgr. Perl Sept. 1995(http://www.ewtn.com/library/CURIA/CEDSSPX.HTM), in dem er mit gewissen faktischen Einschränkungen c. 844, 2 prinzipiell ausdrücklich auf die FSSPX anwendet.</ref> – anwendbar. Allerdings wird in dem erwähnten Schreiben nur wegen der von FSSPX-Priestern gefeierten Messen Bezug auf c. 844 § 2 genommen. Diese sind unstrittig gültig, aber unerlaubt. Insofern sind die Messfeiern der FSSPX mit der Situation des c. 844 § 2 vergleichbar: In beiden Fällen werden die Sakramente gültig gespendet, normalerweise aber unerlaubt – außer in den beschriebenen Situationen.
== Öffentlich vertretene Positionen ==
=== Ablehnung der Aufklärungsphilosophie ===
Im April 2006 erklärte Tissier de Mallerais in einem Interview,<ref>Stephen L. M. Heiner: ''An Interview with Bishop Bernard Tissier de Mallerais''; in: The Remnant, 30. April 2006</ref> das von Papst Benedikt XVI. 1968 als noch junger Theologe veröffentlichte Buch ''[[Einführung in das Christentum]]'' sei „ein Buch voller [[Häresie]]n“. Die im Buch vertretenen Positionen seien „schlimmer als [[Martin Luther|Luther]], viel schlimmer“. Weiterhin erklärte er:
{{Zitat|Sie können Vatikanum II nicht als ein katholisches Werk lesen. Es basiert auf der Philosophie des [[Immanuel Kant]]. […] Ich werde sagen, eines Tages sollte die Kirche dieses Konzil tilgen. Sie wird nicht mehr von ihm reden. Sie muss es vergessen. Die Kirche wird weise daran tun, dieses Konzil zu vergessen.}}
=== Antiaufklärerische Erziehungsziele ===
Die Schulen der Bruderschaft sollen nach ihrem deutschsprachigen Mitteilungsblatt vom Juli 2005 „nicht nur Wissen vermitteln, sondern ebenso auf die Erziehung und Charakterbildung der Schüler Wert legen“. Der „katholische Lehrer“ müsse die „Hauptirrlehren unserer Zeit“ erklären, ohne diese „zu loben“ oder gar „anzunehmen“. Schüler müssten sich mit Martin Luther, [[René Descartes]], [[David Hume]], Immanuel Kant, [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]] und [[Jean-Paul Sartre]] in der Weise beschäftigen, wie sich Medizinstudenten mit Krankheiten beschäftigen: mit dem Ziel, diese Krankheiten dann bekämpfen zu können. <ref>[http://www.fsspx.info/mbonline/pdf/mb-2005-7.pdf Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X. Deutschland] vom Juli 2005, S. 24 </ref>
Grundlage der Bekenntnisschulen ist die Erziehungsenzyklika [[Divini illius magistri]] von Papst Pius XI. Es sei wichtig, die Werte der „traditionellen kath. Kirche“ an Kinder weiterzugeben. Ziel sei es, „frohe, selbstständige junge Menschen heranreifen zu lassen, die gelernt haben, ihr Leben auf der Grundlage christlicher Überzeugung und Selbstbeherrschung zu gestalten.“ Besonderer Wert werde auf „Ehrfurcht vor Gott und den Nächsten, Disziplin, Höflichkeit, Ordnung und die Vermittlung der abendländischen Kultur gelegt“.<ref>[http://www.fsspx.info/werk/schulen/st.theresiengymnasium.php Darstellung der St. Theresiengymnasium durch die Priesterbruderschaft St. Pius X. Deutschland] </ref>
Nachdem die Mutter eines von der Schule verwiesenen Schülers [[Strafanzeige|Anzeige]] erstattet hatte, ermittelte die [[Staatsanwaltschaft]] von April 2005 bis Juni 2006 gegen die Lehrer und die Leitung der Herz-Jesu-Schule in [[Saarbrücken]] wegen Misshandlungen an Schülern. Das [[Oberverwaltungsgericht des Saarlandes]] erlaubte den Weiterbetrieb der Schule, da auf die Verfehlungen eines Lehrers angemessen reagiert worden war. <ref>Verwaltungsgericht Saarland (Hrsg.): '' Herz-Jesu-Schule in Saarbrücken darf weiter betrieben werden''. Aktenzeichen 1 K 35/06. Pressemitteilung vom 3. Mai 2007. URL: http://www.jusline.de/index.php?cpid=0920e51183510618590069d5c148aec4&feed=10167 (Abgerufen am 26. Januar 2009)</ref><ref>Carola Padtberg: ''Prügelnde Lehrer an Herz Jesu''. In: Spiegel Online. Stand: 16. Februar 2006. URL: http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,401137,00.html (Abgerufen am 26. Januar 2009)</ref>
=== Ablehnung von Demokratie und Religionsfreiheit ===
Am 2. April 2006 erklärte Bernard Fellay in einer Predigt:<ref>Predigt von Bischof Bernard Fellay am 2. April 2006 in Ecône</ref>
{{Zitat|Er [Papst Benedikt XVI.] betonte: ‚Sie müssen das Konzil annehmen, aber natürlich das im Licht der lebendigen Tradition ausgelegte Konzil!‘ […] Wenn er von Tradition spricht, so versteht er darunter das aktuelle Lehramt, welches die Vergangenheit wieder überarbeitet, neu interpretiert und sie uns lehrt. Das ist die lebendige Tradition. Andersgesagt: Die lebendige Tradition, das ist Benedikt XVI. Also ist das im Licht der lebendigen Tradition interpretierte Konzil jenes Konzil, so wie es der jetzige Papst versteht. Natürlich stimmt das nicht mit dem überein, was wir meinen. […] Ebenso verurteilt er jene, die im Konzil einen Bruch sehen. […] Da erklärt er uns, der moderne Staat habe sich seit dem 19. Jahrhundert, wo er von der Kirche verurteilt wurde, verändert. Heute sei der moderne Staat besser, versöhnlicher, weniger radikal und folglich musste die Kirche auf dem Konzil bezüglich des Verhältnisses zum Staat eine neue Haltung einnehmen. Und indem sich die Kirche eines der fundamentalen Prinzipien des modernen Staates zu eigen machte, nämlich die Neutralität, die Unparteilichkeit allen Religionen gegenüber, konnte die Kirche ihr (eigentliches) Erbe wiederfinden. […] Anders ausgedrückt erklärt der Papst, 1700 Jahre der Kirchengeschichte sei außerhalb der Lehre Unseres Herrn abgelaufen; die Kirche habe während 1700 Jahren ihr Erbe verloren und jetzt wiederentdeckt, indem sie auf den katholischen Staat verzichtet. Wenn das kein Bruch sein soll, was ist es dann? […]}}
Auch der deutsche Distriktobere Franz Schmidberger lehnt die religiöse Neutralität des Staates ab und plädiert für eine „christliche Gesellschaftsordnung“, in der etwa die [[Todesstrafe]] gälte, „keine zivile [[Ehescheidung]]“ vorgesehen sei, eine „Unauflöslichkeit der [[Ehe]]“ als „einer ihrer Grundpfeiler“ bestehe, „den vorehelichen und außerehelichen Beziehungen“ der „Kampf“ angesagt werde und der „Vertrieb von empfängnisverhütenden Mitteln“ verboten werde, ebenso wie Zinsspekulation, Großbanken, Abtreibung, „[[Gotteslästerung]], Homosexualität und [[Pornographie]]“. Er fordert, dass die „Gewalt in Staat und Gesellschaft“ „nicht vom Volke“, nicht „von der Basis aus[geht], sondern von Gott... folglich bezeichnet das Volk in Wahlen allein diejenigen, die es regieren sollen, verleiht ihnen aber nicht die Autorität; ebenso wenig kann es Regierungen beliebig absetzen.“ Statt eines Parteiensystems empfiehlt er, dass an deren „Stelle jene christlichen Männer treten, die sich durch sittliche Reife und Lebenserfahrung, durch Gerechtigkeitssinn und Sorge um das Gemeinwohl auszeichnen“.<ref>[http://www.einsicht-aktuell.de/index.php?svar=5&artikel_id=1227 ''Brief an die Freunde und Wohltäter''] Nr. 45 vom 7. Oktober 1993; auch veröffentlicht als [http://www.civitas-institut.de/index2.php?option=com_docman&task=doc_view&gid=2&Itemid=34 ''Grundsätze einer christlichen Gesellschaftsordnung''], in: Civitas. Zeitschrift für das christliche Gemeinwesen 2007, 43-47 (hg. von Rafael Hüntelmann, Civitas-Institut, Postfach 15 41, 63133 Heusenstamm, verlegt bei editiones scholasticae, Postfach 11 20, D-97335 Dettelbach)</ref>
Der emeritierte Regensburger Dogmatiker [[Wolfgang Beinert (Theologe)|Wolfgang Beinert]] nannte die Piusbruderschaft „demokratiefeindlich“; für den Bonner Politikwissenschaftler [[Gerd Langguth]] ist sie ein „Fall für den Verfassungsschutz“, da sie einen „katholischen Gottesstaat“ anstrebe.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/politik/867/457527/text/
Süddeutsche Zeitung, 7. Februar 2009: ''Streit um Bruderschaft: „Pius-Brüder wollen einen katholischen Gottesstaat“ - Holocaust-Leugner Williamson weigert sich zu widerrufen. Politologen wollen die Pius-Bruderschaft vom Verfassungsschutz beobachten lassen'']</ref>
=== Ablehnung von Homosexualität ===
Am 28. Juli 2007 veranstaltete die FSSPX in [[Stuttgart]] eine Gegendemonstration zum [[Christopher Street Day]], auf welchem Schwule, Lesben und Transgender für Gleichberechtigung und Toleranz demonstrierten. Anhänger der FSSPX versammelten sich mit Protestplakaten mit Aufschriften wie „Rettet Kinder vor Perversen“ und „[[AIDS]] – Geißel der Unzucht“ und beteten zur „Wiedergutmachung der Perversion und Übertretung des 6. Gebotes des [[Zehn Gebote|Dekalogs]]: ‚Du sollst nicht Unzucht treiben.‘“ öffentlich den Rosenkranz.<ref>Presseerklärung der FSSPX zum Christopher Street Day am 8. Juli 2007 in Stuttgart</ref> </bR>
Peter Lang, Pater des FSSPX-Priorates St. Athanasius in [[Stuttgart-Feuerbach]] erklärte: „Der Umzug und seine Teilnehmer zeigen ein Verhalten, das dem Menschen nicht angemessen ist, eine moralische Umweltverschmutzung.“<ref>Stuttgarter Zeitung: [http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1480882 ''Wie Karneval im Juli – 100.000 Zuschauer bei Parade in Stuttgart'']</ref> Niemand verteidige mehr „die christlichen Werte, wie Familie, Treue, Keuschheit. Dafür müssen unsere Kinder ansehen, wie pervers Erwachsene sein können.“<ref>Stuttgarter Nachrichten: [http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1480195?_suchtag=2007-07-28 ''Priesterbruderschaft gegen Christopher Street Day'']; Meldung vom 28. Juli 2007</ref>
=== Ablehnung der Gleichberechtigung von Frauen ===
In einer auf den Internetseiten der Priesterbruderschaft in Kanada veröffentlichten Predigt vom September 2001 sprach Richard Williamson Frauen Fähigkeiten und Rechte zum eigenständigen Denken, höherer Bildung und Selbstbestimmung ab (siehe [[Misogynie]]):<ref> [http://www.sspx.ca/Documents/Bishop-Williamson/September1-2001.htm Bishop Williamson's Letters: ''Girls at University'', 2001]</ref>
{{Zitat|Fast kein Mädchen sollte zu irgendeiner Universität gehen. [...] Aber wo finden weiterführende Mädchenschulen dann ihrerseits weibliche Lehrkräfte, wenn kein Mädchen mehr ein Studium absolviert? Man braucht keine Universität, um das meiste von dem zu lernen, was Mädchen unterrichtet zu werden brauchen, zum Beispiel Hauswirtschaft, Einrichtung und Unterhalt eines Heims, Pflege und Erziehung der Kinder, die geistige und soziale Vorbereitung auf die Ehe.}}
=== Antijudaismus und Antisemitismus ===
Führende Vertreter der Priesterbruderschaft sind immer wieder mit [[Antijudaismus|antijudaistischen]] und [[Antisemitismus (nach 1945)|antisemitischen]] Aussagen hervorgetreten.
Im April 1989 [[Holocaustleugnung|leugnete]] Richard Williamson den [[Holocaust]], indem er während einer [[Messe (Katholisch)|Messe]] im kanadischen [[Sherbrooke]] die Vergasung von Juden im [[Vernichtungslager Auschwitz]] bestritt und behauptete, Juden hätten den Holocaust erfunden, um die Anerkennung des Staates [[Israel]] zu erpressen. Einem deswegen drohenden Strafverfahren entzog er sich durch Ausreise aus Kanada.<ref>[http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,605239,00.html Peter Wensierski, Der Spiegel, 3. Februar 2009: ''Wie die Piusbrüder gegen Juden, Muslime und Schwule hetzen'']</ref> In weiteren Reden und Predigten zeigte er sich auch als Anhänger der antisemitischen Theorie eines [[Weltjudentum]]s und von [[Verschwörungstheorien zum 11. September 2001]].<ref>[http://www.adl.org/main_Interfaith/Society_Saint_Pius_X.htm?Multi_page_sections=sHeading_5 Anti-Defamation-League: Beispiele für Antisemitismus bei Piusbrüdern]</ref> Im Mai 2000 bezeichnete er die antisemitische Hetzschrift ''[[Protokolle der Weisen von Zion]]'' als Gabe Gottes für Menschen, die die Wahrheit wissen wollten.<ref>[http://www.sspx.ca/Documents/Bishop-Williamson/May1-2000.htm Richard Williamson: ''Bishop Williamson’s Letters'', 1. Mai 2000]</ref> Im März 2008 bezeichnete er sie als authentische Informationsquelle. Aussagen dieser Art wurden von seinen Anhängern gefilmt und u.a. als YouTube-Videos veröffentlicht.<ref>[http://www.catholicherald.co.uk/articles/a0000226.shtml Anna Arco, The Catholic Herald, 5. März 2008: ''Lefebvrists face crisis as bishop is exposed as ‘dangerous’ anti-Semite'']</ref>
Bernard Fellay lehnte in seiner Predigt am 2. April 2006 auch die kirchliche Anerkennung des Judentums und den [[Jüdisch-christlicher Dialog|jüdisch-christlichen Dialog]] ab und erklärte diesen Gegensatz zum Vatikan für unüberbrückbar:
{{Zitat|...Er [Benedikt XVI.] betont, dass die Kirche eine neue Haltung in ihren Beziehungen mit dem Judentum einnehmen muss. Die Juden lehnen die Gottheit Unseres Herrn Jesus Christus ab. Man fragt sich, was dies bedeuten soll, eine neue Haltung jenen gegenüber zu haben, die Unseren Herrn ablehnen. Das Evangelium sagt sehr deutlich: ‚Wer den Sohn nicht hat, hat auch den Vater nicht.‘ […] Man fragt sich wirklich, warum es eine neue Haltung braucht. Das ist äußerst schlimm. […] Wenn man dies alles betrachtet, so ist man sehr wohl verpflichtet, sich zu fragen: Welches Übereinkommen ist dann überhaupt möglich? Es ist sehr einfach, meine lieben Brüder. Solange Rom in einer solchen Position verharrt, ist kein Übereinkommen möglich.}}
Franz Schmidberger schrieb im Oktober 2008 an alle 27 deutschen katholischen Bischöfe:<ref>[http://www.fsspx.info/media/pdf/Begleitschreiben.pdf P. Franz Schmidberger: ''Die Zeitbomben des Zweiten Vatikanischen Konzils'']; Homepage der Vereinigung St. Pius X. e.V.</ref>
{{Zitat|Mit dem Kreuzestod Christi ist der Vorhang des Tempels zerrissen, der Alte Bund abgeschafft, wird die Kirche, die alle Völker, Kulturen, Rassen und sozialen Unterschiede umfasst, aus der durchbohrten Seite des Erlösers geboren. Damit sind aber die Juden unserer Tage nicht nur nicht unsere älteren Brüder im Glauben, wie der Papst bei seinem Synagogenbesuch in Rom 1986 behauptete; sie sind vielmehr des [[Gottesmord]]es mitschuldig, so lange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren. Im Gegensatz dazu behauptet das II. Vatikanum, man könne die Ereignisse des Leidens Christi weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen (§ 4).}}
Diese [[Kollektivschuld|kollektive Schuldzuweisung]] war 1965 durch die Erklärung ''Nostra Aetate'' des Zweiten Vatikanischen Konzils verworfen worden.<ref>[http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decl_19651028_nostra-aetate_ge.html Nostra Aetate] 4: ''Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben (13), kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen.''</ref>
Im November 2008 [[Holocaustleugnung|leugnete]] Richard Williamson den [[Holocaust]] erneut, als er im Priesterseminar Herz Jesu in [[Zaitzkofen]] bei Regensburg dem schwedischen Fernsehsender [[Sveriges Television|SVT]] ein Interview gab und darin sagte:
{{Zitat|[…] You may have heard of the Leuchter report? […] I'm going by what I judged to be the historical evidence according to people who have […] observed and examined that evidence […] if they change their conclusion I would [...] follow their conclusion […] I think that two to three hundred thousand jews perished […] in Nazi concentration camps […] that none of them by gas chamber. […] I don't think six million jews were gased. […] this is against the law in Germany. […] You can have me thrown in prison before I leave Germany. […]
|Übersetzung=[…] Sie haben vielleicht vom [[Leuchter-Report]] gehört? […] Ich gehe danach, was ich für historisch bewiesen halte entsprechend Leuten, die diese Beweise untersucht und bewertet haben […] wenn sie ihr Ergebnis ändern würde ich […] ihrem Ergebnis folgen […] Ich glaube, dass zwei- bis dreihunderttausend [[Juden]] […] in [[Nazi]]-[[Konzentrationslager]]n umgekommen sind […] dass keiner von ihnen durch eine [[Gaskammer (Massenmord)|Gaskammer]]. […] Ich glaube nicht, dass sechs Millionen Juden vergast wurden. […] Das ist gegen das [[Gesetze gegen Holocaustleugnung|Gesetz in Deutschland]]. […] Es ist möglich, dass Sie mich ins Gefängnis werfen lassen bevor ich Deutschland verlasse. […]
|Quelle=<ref>Richard Williamson: ''Längre intervju med Williamson''. In: ''Uppdrag granskning''. Fernsehsendung der [[Sveriges Television]] (SVT) vom 21. Januar 2009. URL: http://svtplay.se/v/1413831/webbextra_langre_intervju_med_williamson (abgerufen am 22. Oktober 2006). Übersetzt durch Wikipedia-Bearbeiter.</ref>}}
Die Zeitschrift [[Der Spiegel]] veröffentlichte Auszüge des Interviews am 19. Januar 2009. Das schwedische Fernsehen strahlte das vollständige Interview am Abend des 21. Januar 2009 aus. <ref>[http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/papst_rehabilitiert_fundamentalistische_bischoefe_1.1773422.html Neue Zürcher Zeitung, 24. Januar 2009: ''Papst rehabilitiert fundamentalistische Bischöfe'']</ref> Die Staatsanwaltschaft in Regensburg leitete daraufhin Ermittlungen wegen Verdachts auf [[Volksverhetzung]] gegen Williamson ein.<ref>[http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=260809 Radio Vatikan, 23. Januar 2009: ''Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Pius-Bischof'']</ref> Im Februar 2009 berichtet Spiegel Online erneut über antisemitische Äußerungen in Publikationen der Bruderschaft, diesmal u.a. in deren ''Mitteilungsblatt für den deutschen Sprachraum''.<ref>[http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,606518,00.html Spiegel Online, 10. Februar 2009: ''Auch deutsche Piusbrüder hetzen gegen Juden'']</ref>
== Aufhebung der Exkommunikation ==
=== Vorherige Gesprächsversuche ===
Johannes Paul II. hatte nach der Exkommunikation der für den Vatikan unrechtmäßig geweihten Piusbischöfe eine Kommission eingesetzt, die Konflikte des Vatikans mit katholischen Traditionalisten und Möglichkeiten untersuchen sollte, diese zu überwinden. Unregelmäßige Gespräche zwischen Rom, derzeit vertreten durch den Präsidenten der päpstlichen Kommission [[Ecclesia Dei]], Kardinal [[Darío Castrillón Hoyos]], und der Priesterbruderschaft führten jedoch zu keinen greifbaren Ergebnissen.
Im Sommer 2005 empfing Papst Benedikt XVI Bernard Fellay und Franz Schmidberger persönlich zu einem freundschaftlichen Meinungsaustausch. Im Umfeld des 1. Konsistoriums dieses Papstes am 24. März 2006 verstärkte der Vatikan seine Bestrebungen, den Anhängern der Bruderschaft eine vollkommenere Gemeinschaft mit der Römischen Kirche zu ermöglichen.
Papst Benedikt XVI. ließ mit dem [[Motu Proprio]] ''Summorum Pontificum'' vom 7. Juli 2007 die Feier der Messe nach der tridentinischen Liturgie wieder ausnahmsweise zu. Zugleich ermächtigte er die Kommission ''Ecclesia Dei'' dazu, diese „außerordentliche Form des römischen Ritus“ zu organisieren. Dies wurde als Signal gewertet, die Abspaltung der Piusbruderschaft zu überwinden.
Maßgebliche Beobachter schätzten die Erfolgsaussichten gering ein, da die heutigen Repräsentanten der FSSPX mehr als ein Entgegenkommen bezüglich der [[Liturgische Frage|Liturgischen Frage]] fordern. In den Medien verlautete, der Generalobere der FSSPX, Bischof Bernard Fellay, habe kurz nach seiner Audienz beim gegenwärtigem Papst diesem eine mit Korrekturanmerkungen versehene Fassung des [[Katechismus der Katholischen Kirche|Kompendiums des Katechismus' der Katholischen Kirche]] zukommen lassen. Die Anmerkungen konzentrierten sich dabei auf Fragen der katholischen Staatsdoktrin, der Religionsfreiheit und den [[Ökumenismus]].
Am 15. Dezember 2008 schrieb Bernard Fellay im Namen aller vier Bischöfe der Piusbruderschaft an die Dialogkommission ''Ecclesia Dei'', man sei bereit, der katholischen Kirche zu dienen, ihre Lehren, den Primat Petri und seine Vorrechte zu akzeptieren. Damit wurde eine Bedingung des Vatikans zur Aufhebung der Exkommunikation erfüllt.<ref>[http://www.kath.net/detail.php?id=21921 Kath.net, 24. Januar 2009, 12:00 Vatikan: ''Exkommunikation der 'Pius-Bischöfe' aufgehoben'']</ref>
=== Aufhebungsdekret ===
Am 21. Januar 2009 hob Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation der vier Bischöfe durch ein Dekret der [[Kongregation für die Bischöfe|Bischofskongregation]] auf. Er begründete diesen Schritt damit, dass er dem „spirituellen Unbehagen“ der exkommunizierten Piusbrüder mit „väterlicher Einfühlsamkeit“ begegne und ihre kirchenrechtliche Lage überdenken wolle. Er glaube ihrer schriftlich zugesicherten Bereitschaft, mit dem Vatikan ernsthaft über bestehende Differenzen zu reden, um „bald zu einer vollen und zufrieden stellenden Lösung des zugrunde liegenden Problems“ zu gelangen. Dieses „Geschenk des Friedens“ zum Ende der Weihnachtszeit solle die „Einheit in der Barmherzigkeit der Universalkirche“ fördern und „den Skandal der Spaltung“ überwinden.
<ref>[http://www.kath.net/detail.php?id=21925 Kath.net: Wortlaut des Dekrets der Bischofskongregation vom 21. Januar 2009]</ref>
Das Dekret wurde am 24. Januar bekanntgegeben. Es beinhaltet das Recht zum gültigen Empfang der Sakramente in katholischer Form, aber kein Recht, diese auszuteilen und keine Anerkennung der Bischofsämter. Diese werden erst für den Fall einer vollen Anerkennung des 2. Vatikanischen Konzils durch die Bruderschaft in Aussicht gestellt.
=== Reaktionen ===
Wegen ihres zeitlichen Zusammentreffens mit dem Bekanntwerden der Holocaustleugnung von Richard Williamson wirkte die Aufhebung der Exkommunikation als Rehabilitation von Ansichten, die führende Mitglieder der FSSPX vertreten. Dies rief anhaltende inner- und außerkirchliche Proteste hervor.<ref>[http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,603642,00.html Peter Wensierski, Spiegel Online, 19. Januar 2009: ''Problem für den Papst'']</ref>
Am 23. Januar 2009 warnte die [[Anti Defamation League]] den Vatikan schriftlich vor der bevorstehenden Wiederaufnahme Williamsons und der Piusbruderschaft in die römisch-katholische Kirche, die negative Folgen für deren Verhältnis zum Judentum haben werde. Ebenso warnte der römische Oberrabbiner [[Riccardo Di Segni]] den Papst vor negativen Folgen für das jüdisch-katholische Verhältnis und sprach von einer „tiefen Wunde“, die eine „Beendigung des Schismas“ und die „Wiederaufnahme der Lefebvristen in die Kirche“ reißen würde.<ref>[http://www.katholisches.info/?p=2561 Kath.info, 23. Januar 2009: ''Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen Bischof Williamson (FSSPX)'']</ref> Dennoch behauptete der im Vatikan für die Annäherung zuständige Kardinal Darío Castrillón Hoyos, er habe bis zum Dekret des Papstes nichts von antisemitischen Ansichten Williamsons bemerkt.
Fellay verbot Williamson am 27. Januar 2009 bis auf weiteres, Stellungnahmen zu politischen und historischen Sachverhalten abzugeben. Auch behauptete er, Williamsons Antisemitismus nicht bemerkt zu haben. Dieser würde nur von wenigen Mitgliedern der Bruderschaft geteilt.<ref>[http://www.fsspx.info/news/ Bernard Fellay: Stellungnahme des Generaloberen (Menzingen, 27. Januar 2009)]</ref>
Williamson bedauerte in einem Brief an Hoyos am 30. Januar, sein Interview sei „unbedacht“ gewesen, und entschuldigte sich beim Papst für die Folgen, allerdings ohne die Aussagen selbst zurückzunehmen. Am selben Tag bezweifelte auch Pater Florian Abrahamowicz, ein Bruderschaftsmitglied aus Nordost-Italien, den Vernichtungszweck der Gaskammern und die Opferzahlen des Holocaust:<ref>[http://www.sueddeutsche.de/politik/51/456717/text/5/ Süddeutsche Zeitung, 30. Januar 2009: ''Der Vatikan sucht einen Schuldigen'']</ref>
{{Zitat|Ich weiß, dass die Gaskammern zur Desinfektion benutzt wurden. Ich weiß nicht, ob darin Menschen zu Tode gekommen sind.}}
Weiter behauptete er, „wenn Williamson den [[Völkermord an den Armeniern]] geleugnet hätte, wäre nichts passiert“. Bereits 2007 wurde er durch eine lateinische Messfeier für den [[Lega Nord|Lega-Nord]]-Vorsitzenden [[Umberto Bossi]] bekannt.<ref>[http://derstandard.at/?url=/?id=1233250572616 Der Standard, 29. Januar 2009: ''Keine Kleinigkeit aus irgendeinem Messbuch'']</ref> Im Februar 2009 schloss die Piusbruderschaft Abrahamowicz aus.<ref>[http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,606075,00.html Spiegel Online, 6. Februar 2009: ''Piusbruderschaft schließt Holocaust-Leugner aus'']</ref>
Am 30. Januar 2009 erklärte Papst Benedikt XVI. seine volle Solidarität mit dem Judentum und forderte die Piusbruderschaft auf, die notwendigen Schritte zur vollen Kirchengemeinschaft zu tun und das 2. Vatikanische Konzil anzuerkennen. Am 1. Februar 2009 erklärte [[Bernard Tissier de Mallerais]] gegenüber der italienischen Zeitung [[La Stampa]]:<ref>http://www.exsultet.net/blog/?p=469 Interview Tissier de Mallerais in der italienischen Zeitung La Stampa vom 01. Februar 2009</ref>
:''Wir ändern unsere Positionen nicht, aber wir haben die Intention, Rom zu bekehren, das heißt, Rom zu unseren Positionen zu führen.''
Aus Protest gegen die päpstliche Wiederaufnahme eines Holocaustleugners in die römisch-katholische Kirche setzte das israelische Oberrabbinat die Beziehungen zum [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]] unbefristet aus.<ref>[http://www.tagesschau.de/ausland/papst312.html Tagesschau: ''Rabbinat setzt Beziehungen zum Vatikan aus'']</ref> Der [[Zentralrat der Juden in Deutschland]] brach den Dialog mit der katholischen Kirche vorerst ab. Der israelische Minister für Religionsangelegenheiten, [[Jizchak Cohen]], empfahl seiner Regierung am 31. Januar den Abbruch der [[Diplomatische Beziehungen|diplomatischen Beziehungen]] zum Vatikan.<ref>[http://www.tagesschau.de/inland/israel534.html Tagesschau (ARD) vom 31. Januar 2009: ''Israel droht Vatikan mit Ende der Beziehungen'']</ref>
Der belgische Theologe und Ethiker [[Jean-Pierre Wils]], tätig an der katholischen [[Radboud-Universität Nijmegen]], nannte in einem Interview mit dem holländisch-katholischen Online-Magazin ''Katholiek Nederland'' die Priesterbruderschaft eine „extrem reaktionäre und zutiefst antisemitische Gruppe, die mit Diktatoren und rechtsgerichteten Regimen sympathisiere“, und trat wegen der päpstlichen Entscheidung aus der römisch-katholischen Kirche aus.<ref>[http://www.netzeitung.de/politik/ausland/1264917.html Netzeitung, 1. Februar 2009: ''«Das Vorgehen ist eine Katastrophe»'']</ref>
Erzbischof [[Robert Zollitsch]], Vorsitzender der [[Deutsche Bischofskonferenz|Deutschen Bischofskonferenz]] übte Kritik am mangelnden Informationsfluss im Vatikan. Bei der Entscheidung, die Exkommunikation Williamsons zurückzunehmen habe man „den Papst leichtfertig ins Messer laufen lassen“. Der der zuständigen päpstlichen Kommission als Präsident vorstehende Kardinal [[Darío Castrillón Hoyos]] hätte versagt, weil er sich hätte vergewissern müssen, „was für Personen“ die Betroffenen seien. Die Theologin [[Uta Ranke-Heinemann]] nannte die Zurücknahme der Exkommunizierung einen „schweren Fehltritt“.<ref> [http://www.zeit.de/online/2009/06/papst-holocausleugner Die Zeit: ''Antisemitismus unterm Kreuz''] vom 6. Februar 2009</ref> Die deutsche Bundeskanzlerin [[Angela Merkel]] forderte den Papst am 3. Februar zu einer Klarstellung auf. <ref>[http://www.zeit.de/online/2009/07/Vatikan-reaktion-papst-kritik Die Zeit: ''Vatikan verärgert über Papst-Debatte''] vom 6. Februar 2009</ref>
Am 4. Februar 2009 verlangte das Staatssekretariat des Vatikans, Williamson müsse seine Aussagen zum Holocaust vollständig, eindeutig und öffentlich widerrufen. Andernfalls könne er keine Ämter in der katholischen Kirche übernehmen. <ref>[http://www.kath.net/detail.php?id=22030 Kathnet, 4. Februar 2009: ''Vatikan: Williamson soll Holocaust-Äußerung widerrufen'']</ref> Die „volle Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils und des Lehramts der Päpste Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II. sowie Benedikt XVI.“ sei die „unerlässliche Bedingung“ für die „künftige Anerkennung der Bruderschaft St. Pius X.“. Die Exkommunikation habe deren kirchenrechtliche Lage noch nicht verändert.<ref>[http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=263696 Radio Vatikan: ''Vatikan: „Papst kannte Williamson-Äußerungen nicht“; Williamson muss widerrufen''] vom 4. Februar 2009</ref>
Der Regensburger Diözesanbischof [[Gerhard Ludwig Müller]] erklärte in einem am 6. Februar 2009 veröffentlichten Hirtenbrief:<ref>[http://bistum-regensburg.de/default.asp?op=show&id=3452 Diözese Regensburg, 6. Februar 2009: ''«Erklärung von Bischof Gerhard Ludwig Müller zur Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Pius-Bruderschaft und zur Kampagne gegen den Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI.»'']</ref>
:''Wenn sie jetzt zur vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche zurückkehren wollen, müssen die vier illegal geweihten Bischöfe auf die Ausübung der bischöflichen Weihevollmachten verzichten. Meiner Überzeugung nach können sie allenfalls als einfache Priester eingesetzt werden.''
== Einzelnachweise ==
<references/>
== Weblinks ==
*[http://www.fsspx.info/ Offizielle Webpräsenz der FSSPX, Deutschland]
*[http://www.PIUSX.ch/ Offizielle Webpräsenz der FSSPX, Schweiz]
*[http://fsspx.at/ Offizielle Webpräsenz der FSSPX, Österreich]
*Peter J. Vere: [http://web.archive.org/web/20041015022408/http://home.earthlink.net/~grossklas/canonicalhistory.htm ''A Canonical History of the Lefebvrite Schism''] (englisch)
*[http://www.fsspx.info/media/pdf/Begleitschreiben.pdf P. Franz Schmidberger: ''Die Zeitbomben des Zweiten Vatikanischen Konzils'']; PDF-Datei der Vereinigung St. Pius X. e.V.
*[http://www.sekten-sachsen.de/wanted-p.htm#lefebvre Gerald Kluge: Beauftragter für Sekten und Weltanschauungsfragen im Bistum Dresden-Meißen]
*[http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,605239,00.html ''Wie die Piusbrüder gegen Juden, Muslime und Schwule hetzen''] - Artikel von [[Spiegel Online]] vom 3. Februar 2009
*[http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=2595 E. Steinhauer: ''Katholischer Traditionalismus und Demokratie in Deutschland : Anmerkungen zu einer "frommen" Grundrechtekritik''] Aufsatz aus: Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 14 (2002), S. 120-133.