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==Frühe Kritik in der Ärzteschaft==
 
==Frühe Kritik in der Ärzteschaft==
Das fragwürdige Publikationsverhalten von Sauerbruch et al. (1926) gab Anlass zur Kritik. So bemängelten Prof.&nbsp;A. Baemeister und Polizei-Medizinalrat Dr.&nbsp;P. Rehfeldt (1929): ''"Die Gerson-Herrmannsdorfersche Diät zur Heilung der Tuberkulose steht augenblicklich im Vordergrund des Interesses für die Behandlung der Tuberkulose. Leider ist diese sowohl theoretisch wie praktisch noch völlig ungeklärte und in ihren Wirkungen und Folgen noch unübersehbare Behandlungsmethode aus den medizinischen Fachblättern in die gesamte populäre Presse übergegangen. Die Tageszeitungen, die illustrierten Blätter, Frauenzeitungen usw. haben ihrem Leserkreise die günstigen Wirkungen der kochsalzfreien Ernährung zur Heilung der Tuberkulose, vor allem auch der Lungentuberkulose, als bereits feststehende Tatsache gebracht und einen Optimismus bei den Kranken und ihren Angehörigen erweckt [...], der zu ernster Sorge berechtigt."''<ref>Baemeister A, Rehfeldt P: Phosphorlebertran und die Gerson-Herrmannsdorfersche Diät zur Heilung der Tuberkulose. Münch Med Wschr, Nr.49, 2050-2053, 1929</ref>
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Das Publikationsverhalten von Sauerbruch et al. zu dieser Behandlung gab Anlass zur Kritik. So bemängelten Prof.&nbsp;A. Baemeister und Polizei-Medizinalrat Dr.&nbsp;P. Rehfeldt: ''"Die Gerson-Herrmannsdorfersche Diät zur Heilung der Tuberkulose steht augenblicklich im Vordergrund des Interesses für die Behandlung der Tuberkulose. Leider ist diese sowohl theoretisch wie praktisch noch völlig ungeklärte und in ihren Wirkungen und Folgen noch unübersehbare Behandlungsmethode aus den medizinischen Fachblättern in die gesamte populäre Presse übergegangen. Die Tageszeitungen, die illustrierten Blätter, Frauenzeitungen usw. haben ihrem Leserkreise die günstigen Wirkungen der kochsalzfreien Ernährung zur Heilung der Tuberkulose, vor allem auch der Lungentuberkulose, als bereits feststehende Tatsache gebracht und einen Optimismus bei den Kranken und ihren Angehörigen erweckt [...], der zu ernster Sorge berechtigt."''<ref>Baemeister A, Rehfeldt P: Phosphorlebertran und die Gerson-Herrmannsdorfersche Diät zur Heilung der Tuberkulose. Münch Med Wschr, Nr.49, 2050-2053, 1929</ref>
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Baemeister und Rehfeld (1929) kritisierten vor allem die hohe Dosis an Phosphorlebertran. Die eingenommene Phosphormenge pro Tag (0,025&nbsp;g) lag um ein Vielfaches über der damals angenommenen, sicheren Höchstmenge (0,001&nbsp;g): Es handelte sich also um sehr große Mengen eines stark wirkenden Giftes, welche über Monate einem tuberkulosekranken Patienten verabreicht werden sollten. <ref name='Baemeister'> </ref>
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Baemeister und Rehfeld kritisierten vor allem die hohe Dosis an Phosphorlebertran. Die eingenommene Phosphormenge pro Tag (0,025&nbsp;g) lag um ein Vielfaches über der damals angenommenen sicheren Höchstmenge (0,001&nbsp;g): Es handelte sich also um sehr große Mengen eines stark wirkenden Giftes, welche über Monate einem tuberkulosekranken Patienten verabreicht werden sollten.<ref name='Baemeister'> </ref>
    
Wird Phosphor dem Organismus zugeführt, kann dies zu Gewichtszunahme führen. In den 1930er Jahren wurde dies gerade im Bereich der TBC-Behandlung als "Behandlungserfolg" fehlinterpretiert. Nur weil der ursprünglich abgemagerte Patient zeitweise an Gewicht zunahm, bedeutete dies noch lange keinen Heilungserfolg.
 
Wird Phosphor dem Organismus zugeführt, kann dies zu Gewichtszunahme führen. In den 1930er Jahren wurde dies gerade im Bereich der TBC-Behandlung als "Behandlungserfolg" fehlinterpretiert. Nur weil der ursprünglich abgemagerte Patient zeitweise an Gewicht zunahm, bedeutete dies noch lange keinen Heilungserfolg.
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Baemeister und Rehfeldt (1929) veröffentlichten eine umfangreiche Einzelfallbeschreibung eines 26-jährigen Akademikers, der seine hauptsächlich einseitige Lungentuberkulose 3&nbsp;Monate lang bei den Autoren hatte behandeln lassen. <ref name='Baemeister'> </ref> Danach hatte er die Gerson-Diät ausprobiert, litt bereits nach wenigen Tagen an heftigen Durchfällen und entwickelte am 11.&nbsp;Tag ein juckendes, papulöses Exanthem an Gesicht, Rumpf und Extremitäten. Dieses verschwand, als der Phosphorlebertran abgesetzt wurde. Zwei Tage später begann er wieder mit der Lebertraneinnahme und erlitt 6&nbsp;Tage später einen anaphylaktischen Schock. Daraufhin unterblieb naheliegenderweise die Lebertraneinnahme, so dass sich der Patient langsam wieder erholte. Am 6.&nbsp;Tag nach diesem schweren Ereignis war er wieder bewusstseinsklar, litt aber unter Gedächtnisstörungen. Baemeister und Rehfeldt (1929) führten diese Komplikationen auf eine kontinuierliche Phosphorvergiftung zurück. Sie meinten: ''"Zusammenfassend müssen wir mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß wir die angegebene Dosierung des Phosphorlebertrans - besonders auf lange Zeit hinaus gegeben - für eine ernste Gefährdung der Kranken halten und vor der Verwendung so hoher Dosen nachdrücklich warnen. Wir halten dabei den Phosphorlebertran [...] für einen bedeutsamen Faktor in der ganzen Diätbehandlung der Tuberkulose, durch dessen Wirkung eine Reihe der erzielbaren Erfolge auch ohne Diät erklärt werden können."''
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Baemeister und Rehfeldt veröffentlichten eine umfangreiche Einzelfallbeschreibung eines 26-jährigen Akademikers, der seine hauptsächlich einseitige Lungentuberkulose drei Monate lang bei den Autoren hatte behandeln lassen.<ref name='Baemeister'> </ref> Danach probierte er die Gerson-Diät aus, litt bereits nach wenigen Tagen an heftigen Durchfällen und entwickelte am 11.&nbsp;Tag ein juckendes, papulöses Exanthem an Gesicht, Rumpf und Extremitäten. Dieses verschwand, als der Phosphorlebertran abgesetzt wurde. Zwei Tage später begann er wieder mit der Lebertraneinnahme und erlitt sechs Tage später einen anaphylaktischen Schock. Daraufhin unterblieb naheliegenderweise die Lebertraneinnahme, so dass sich der Patient langsam wieder erholte. Am 6.&nbsp;Tag nach diesem schweren Ereignis war er wieder bewusstseinsklar, litt aber unter Gedächtnisstörungen. Baemeister und Rehfeldt führten diese Komplikationen auf eine kontinuierliche Phosphorvergiftung zurück. Sie meinten: ''"Zusammenfassend müssen wir mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß wir die angegebene Dosierung des Phosphorlebertrans - besonders auf lange Zeit hinaus gegeben - für eine ernste Gefährdung der Kranken halten und vor der Verwendung so hoher Dosen nachdrücklich warnen. Wir halten dabei den Phosphorlebertran [...] für einen bedeutsamen Faktor in der ganzen Diätbehandlung der Tuberkulose, durch dessen Wirkung eine Reihe der erzielbaren Erfolge auch ohne Diät erklärt werden können."''<ref name='Baemeister'> </ref>
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Aufgeschreckt durch die Kritik von Baemeister und Rehfeldt (1929) versuchte sich Gerson (1930) in Schadenbegrenzung. In dem entsprechenden Beitrag reduzierte er plötzlich die Empfehlung des Lebertrans deutlich oder verzichtete sogar vollständig darauf. Er schob die angebliche Wirksamkeit seiner Diät auf Chlorentziehung und Überschüttung mit Vitaminen und Mineralsalzen.
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Aufgeschreckt durch die Kritik von Baemeister und Rehfeldt versuchte sich Gerson (1930) in Schadenbegrenzung. In dem entsprechenden Beitrag reduzierte er plötzlich die Empfehlung des Lebertrans deutlich oder verzichtete sogar vollständig darauf. Er schrieb die angebliche Wirksamkeit seiner Diät nun der Chlorentziehung und Überschüttung mit Vitaminen und Mineralsalzen zu.
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Erneut kritisierten Baemeister und Rehfeldt (1930) Gersons Ausführungen. <ref name='Baemeister'></ref> Sie erkannten und begrüßten korrekt, dass er nunmehr die Phosphorlebertrandosis reduziert hatte. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass es nur der Phosphor im Lebertran war, der in hohen Dosierungen zur Gewichtszunahme und damit zur nur scheinbaren Heilung der Patienten führte. Wurde die Dosierung des Phospholebertrans reduziert, war auch die Gewichtszunahme dementsprechend niedriger. Zusätzlich kritisierten die Autoren die nur scheinbar kochsalzarme Diät von Gerson. Nachberechnungen hatten ergeben, dass nicht 1,6-2,1&nbsp;g Kochsalz täglich zugeführt würden, sondern mit 7,7&nbsp; g mehr als die dreifache Menge.
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Erneut kritisierten Baemeister und Rehfeldt Gersons Ausführungen. <ref name='Baemeister'></ref> Sie erkannten und begrüßten korrekt, dass er nunmehr die Phosphorlebertrandosis reduziert hatte. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass es nur der Phosphor im Lebertran war, der in hohen Dosierungen zur Gewichtszunahme und damit zur nur scheinbaren Heilung der Patienten führte. Wurde die Dosierung des Phospholebertrans reduziert, war auch die Gewichtszunahme dementsprechend niedriger. Zusätzlich kritisierten die Autoren die nur scheinbar kochsalzarme Diät von Gerson. Nachberechnungen hatten ergeben, dass nicht 1,6-2,1&nbsp;g Kochsalz täglich zugeführt würden, sondern mit 7,7&nbsp; g mehr als die dreifache Menge.
    
==Gerson gerät in Fachkreisen unter Druck==
 
==Gerson gerät in Fachkreisen unter Druck==
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