− | Die Psychologen Nicholas Brown und Harris Friedman und der Physiker [[Sokal-Affäre|Alan Sokal]] haben die Theorie der Losada-Linie ausführlich untersucht und kommen zu dem Schluss, dass sie nicht nur falsch, sondern vollkommen unsinnig ist.<ref name="Brown">Brown NJL, Sokal AD, Friedman HL (2013): The Complex Dynamics of Wishful Thinking: The Critical Positivity Ratio. American Psychologist, Advance online publication, doi: 10.1037/a0032850</ref><ref>[http://blogs.discovermagazine.com/neuroskeptic/2013/07/16/death-of-a-theory "Positivity Ratio" Criticized In New Sokal Affair. Neuroskeptic, 16. Juli 2013]</ref><ref>[http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2013/08/29/sokal-reloaded-zur-selbstreinigungskraft-der-wissenschaft/ Ulrich Berger: Sokal reloaded: zur Selbstreinigungskraft der Wissenschaft. Scienceblogs, 29. August 2013]</ref> Den Autoren erschien es zweifelhaft, dass es eine universelle psychologische Konstante gebe, welche ein so vielschichtiges Phänomen wie menschliche Emotionen zahlenmäßig auf fünf Dezimalstellen genau beschreibt, und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Bildung oder sozialem Status der betreffenden Person. Zudem soll nicht nur eine Untergrenze des Quotienten von positiven zu negativen Emotionen von 2,9013 existieren, unterhalb dessen ein erfolgreiches Fortkommen des Individuums nicht möglich ist, sondern auch eine Obergrenze. Diese betrage laut Marcial Losada und Barbara Fredrickson (geb. 1964, Professorin für Psychologie an der University of North Carolina at Chapel Hill) "geschätzt" 11,6346.<ref name="Fredrickson">Fredrickson BL, Losada, MF (2005): Positive Affect and the Complex Dynamics of Human Flourishing. American Psychologist 60(7), 678-686</ref> | + | Die Psychologen Nicholas Brown und Harris Friedman und der Physiker [[Sokal-Affäre|Alan Sokal]] haben die Theorie der Losada-Linie ausführlich untersucht und kommen zu dem Schluss, dass sie nicht nur falsch, sondern vollkommen unsinnig ist.<ref name="Brown">Brown NJL, Sokal AD, Friedman HL (2013): The Complex Dynamics of Wishful Thinking: The Critical Positivity Ratio. American Psychologist, Advance online publication, doi: 10.1037/a0032850</ref><ref>[http://blogs.discovermagazine.com/neuroskeptic/2013/07/16/death-of-a-theory "Positivity Ratio" Criticized In New Sokal Affair. Neuroskeptic, 16. Juli 2013]</ref><ref>[http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2013/08/29/sokal-reloaded-zur-selbstreinigungskraft-der-wissenschaft/ Ulrich Berger: Sokal reloaded: zur Selbstreinigungskraft der Wissenschaft. Scienceblogs, 29. August 2013]</ref> Den Autoren erschien es zweifelhaft, dass es eine universelle psychologische Konstante gebe, welche ein so vielschichtiges Phänomen wie menschliche Emotionen zahlenmäßig auf fünf Dezimalstellen genau beschreibt, und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Bildung oder sozialem Status der betreffenden Person. Zudem soll nicht nur eine Untergrenze des Quotienten von positiven zu negativen Emotionen von 2,9013 existieren, unterhalb der ein erfolgreiches Fortkommen des Individuums nicht möglich ist, sondern auch eine Obergrenze. Diese betrage laut Marcial Losada und Barbara Fredrickson (geb. 1964, Professorin für Psychologie an der University of North Carolina at Chapel Hill) "geschätzt" 11,6346.<ref name="Fredrickson">Fredrickson BL, Losada MF (2005): Positive Affect and the Complex Dynamics of Human Flourishing. American Psychologist 60(7), 678-686</ref> |
| Die Experimente, die Losada als Grundlage für seine Theorie heranzieht, weisen Brown et al. zufolge methodische Schwächen auf und die Beschreibung sei sehr ungenau. Es wurden 60 "Business-Teams" aus jeweils acht Personen durch einen Einwegspiegel beobachtet. Zu den Randbedingungen wie der Zusammensetzung der Personengruppen nach Alter, Geschlecht, usw. oder Dauer der Zusammenkünfte werden keine Angaben gemacht. Anhand der Beobachtungen wurden "high-performance teams" und "low-performance teams" identifiziert. Während der Zusammenkünfte wurden die sprachliche Äußerungen ("speech acts") der Gruppenmitglieder protokolliert und klassifiziert, und zwar nach den drei Dimensionen "positivity-negativity", "other-self" und "inquiry-advocacy"; wie das im Einzelnen gemacht wurde, bleibt unklar. Die Größen "inquiry-advocacy" und "other-self" ordnet Losada sodann den Variablen X und Y zu, die Variable Z nennt er "emotional space".<ref name="losada99">Losada M (1999): The complex dynamics of high performance teams. Mathematical and Computer Modelling 30 (9-10), 179-192</ref> Dabei definiert er "emotional space" als Verhältnis von "Positivität" zu "Negativität" ("ratio of positivity to negativity"). Die Definition werde allerdings schon innerhalb seines ursprünglichen Artikels aus dem Jahr 1999 nicht konsequent eingehalten und in einer späteren Veröffentlichung<ref name="Losada&Heaphy">Losada M, Heaphy E (2004): The role of positivity and connectivity in the performance of business teams: A nonlinear dynamics model. American Behavioral Scientist 47, 740-765</ref> erneut geändert. Des Weiteren sage er nirgends, ob X und Y ebenfalls ''Verhältnisse'' sind, dass also z.B. X als inquiry/advocacy zu verstehen ist, oder ''Differenzen'', also X = inquiry - advocacy (beide Alternativen führten zu unterschiedlichen mathematischen Schwierigkeiten, die Losadas Anwendung der Lorenz-Gleichungen verböten). | | Die Experimente, die Losada als Grundlage für seine Theorie heranzieht, weisen Brown et al. zufolge methodische Schwächen auf und die Beschreibung sei sehr ungenau. Es wurden 60 "Business-Teams" aus jeweils acht Personen durch einen Einwegspiegel beobachtet. Zu den Randbedingungen wie der Zusammensetzung der Personengruppen nach Alter, Geschlecht, usw. oder Dauer der Zusammenkünfte werden keine Angaben gemacht. Anhand der Beobachtungen wurden "high-performance teams" und "low-performance teams" identifiziert. Während der Zusammenkünfte wurden die sprachliche Äußerungen ("speech acts") der Gruppenmitglieder protokolliert und klassifiziert, und zwar nach den drei Dimensionen "positivity-negativity", "other-self" und "inquiry-advocacy"; wie das im Einzelnen gemacht wurde, bleibt unklar. Die Größen "inquiry-advocacy" und "other-self" ordnet Losada sodann den Variablen X und Y zu, die Variable Z nennt er "emotional space".<ref name="losada99">Losada M (1999): The complex dynamics of high performance teams. Mathematical and Computer Modelling 30 (9-10), 179-192</ref> Dabei definiert er "emotional space" als Verhältnis von "Positivität" zu "Negativität" ("ratio of positivity to negativity"). Die Definition werde allerdings schon innerhalb seines ursprünglichen Artikels aus dem Jahr 1999 nicht konsequent eingehalten und in einer späteren Veröffentlichung<ref name="Losada&Heaphy">Losada M, Heaphy E (2004): The role of positivity and connectivity in the performance of business teams: A nonlinear dynamics model. American Behavioral Scientist 47, 740-765</ref> erneut geändert. Des Weiteren sage er nirgends, ob X und Y ebenfalls ''Verhältnisse'' sind, dass also z.B. X als inquiry/advocacy zu verstehen ist, oder ''Differenzen'', also X = inquiry - advocacy (beide Alternativen führten zu unterschiedlichen mathematischen Schwierigkeiten, die Losadas Anwendung der Lorenz-Gleichungen verböten). |
− | Schwerer noch als diese Ungenauigkeiten wiege laut Brown et al., dass Losada nicht mitteilt, wie er die zeit- und wertdiskreten "speech acts" in die kontinuierlichen Variablen X(t), Y(t) und Z(t) umwandelt. Dies ist zwar im Prinzip möglich, aber es gebe keine Belege, dass Losada es überhaupt versucht habe. Keiner seiner Artikel zum Thema lasse ein Bewusstsein dafür erkennen, dass ein Phänomen, dass durch eine Differentialgleichung beschrieben werden soll, zeit- und wertkontinuierlich darstellbar sein muss (eine der oben erwähnten Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des Lorenz-Gleichungssystems). Losada behauptet, dass die Zeitreihen, die das Modell erzeugt, die "allgemeinen Eigenschaften" der Zeitreihen widerspiegelt, die im Labor an den Teams beobachtet wurden. Er zeigt jedoch nirgends Belege dafür, also keine experimentellen Daten für X, Y und Z und somit auch keine Vergleiche mit Modelldaten. Auch erklärt er nicht, was er mit dem diffusen Begriff "allgemeine Eigenschaften" ("general characteristics") meint. | + | Schwerer noch als diese Ungenauigkeiten wiege laut Brown et al., dass Losada nicht mitteilt, wie er die zeit- und wertdiskreten "speech acts" in die kontinuierlichen Variablen X(t), Y(t) und Z(t) umwandelt. Dies ist zwar im Prinzip möglich, aber es gebe keine Belege, dass Losada es überhaupt versucht habe. Keiner seiner Artikel zum Thema lasse ein Bewusstsein dafür erkennen, dass ein Phänomen, dass durch eine Differentialgleichung beschrieben werden soll, zeit- und wertkontinuierlich darstellbar sein muss (eine der oben erwähnten Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des Lorenz-Gleichungssystems). Losada behauptet, dass die Zeitreihen, die das Modell erzeugt, die "allgemeinen Eigenschaften" ("general characteristics") der Zeitreihen widerspiegelt, die im Labor an den Teams beobachtet wurden. Er zeigt jedoch nirgends Belege dafür, also keine experimentellen Daten für X, Y und Z und somit auch keine Vergleiche mit Modelldaten. Auch erklärt er nicht, was er mit dem diffusen Begriff "allgemeine Eigenschaften" meint. |