Angebliche Unterdrückung nicht patentierbarer Wirkstoffe in der Medizin
Zur Verkaufssteigerung und Beliebtheitserhöhung umstrittener Substanzen und Wirkstoffe verweisen Anbieter und Befürworter häufig auf eine angebliche Unterdrückung nicht patentierbarer Wirkstoffe. Mittel mit Arzneimittelpotential würden demnach nur dann erprobt und zugelassen, wenn sie über einen Patentschutz verfügten, der den Patentinhabern lukrative Einnahmen sichere. Karl Probst behauptet sogar ein Verbot der Einführung nicht patentierbarer Arzneimittel. Ein solches Verbot gibt es nicht; die tägliche Anwendung nicht patentierbarer Wirkstoffe in der Medizin zeigt dies.
Die meisten neuen Medikamente basieren auf Naturstoffen. Sie kommen in der Natur vor, etwa in Pflanzen oder Tieren, sind mit Naturstoffen verwandt oder imitieren deren Wirkprinzip.[1]
Neu entwickelte Originalpräparate werden durch Patente zeitlich geschützt, was die Grundlage des Geschäftsmodells der forschenden pharmazeutischen Industrie ist. Nach Ablauf der Schutzfrist von zwanzig Jahren (gegebenenfalls auch einige Monate länger) können andere pharmazeutische Unternehmen Arzneimittel mit identischen Wirkstoffen (Generika) auf den Markt bringen, ohne zuvor den Wirkstoff entwickelt zu haben. Das zeitlich befristete Monopol eines erfolgreichen Wirkstoffs führt häufig zu hohen Preisen für neuartige Arzneimittel. Die Preise sinken häufig erst gegen Ende der Patentlaufzeit und somit unmittelbar vor dem Markteintritt der generischen Konkurrenz.
Wirkstoffe, für die prinzipiell kein Stoffpatentschutz beantragt werden kann, sind dennoch in der akademischen Medizin in Gebrauch und es findet Forschung zu nicht patentierbaren Substanzen statt. Zu den erfolgreichsten nicht patentierbaren Arzneimitteln gehören die Wirkstoffe der Oralen Rehydratation bei Durchfall (die WHO-Trinklösung). Diese Therapie, deren Kosten im Eurocentbereich liegen, rettet jedes Jahr mehreren Millionen Menschen das Leben.
Alternativmedizinische Produkte auf Basis von Chlordioxid oder Dimethylsulfoxid (DMSO) werden häufig mit der Begründung einer angeblichen "Unterdrückung" wegen Nichtpatentierbarkeit beworben, um von fehlender Evidenz und fehlenden Nachweisen und Belegen einer tatsächlichen Wirksamkeit und Eignung abzulenekn.
Beispiele für erfolgreiche nicht patentierbare Wirkstoffe in der akademischen Medizin
- alle Originalpräparate mit abgelaufenem Patentschutz (Generika)
- Als ein Beispiel kann das Element Lithium genannt werden. Lithium wurde erstmals 1850 als Mittel gegen Gicht eingesetzt. Es erwies sich jedoch als unwirksam. Auch andere Ansätze zur medizinischen Anwendung von Lithiumsalzen, so unter anderem gegen Infektionskrankheiten, blieben erfolglos. In den späten vierziger Jahren wurde Lithium als wirksam bei bipolaren Störungen (Manien und Depression) erkannt und trotz Nichtpatentierbarkeit weiter beforscht. Ab 1970 wurde die Lithiumtherapie in den USA eingeführt; in der Zwischenzeit waren bei Lithiumanwendungen außerhalb psychiatrischer Indikationen Nebenwirkungen und Todesfälle aufgetreten, die die Einführung verzögerten. Lithium ist auch heute (2015) laut Leitlinie Mittel der ersten Wahl und Referenzsubstanz in der Phasenprophylaxe der bipolaren Störung.[2]
- Eisen wird bei der Blutarmut (Anämie) eingesetzt.
- Traubenzuckerlösungen, Kochsalz und Elektrolyte werden täglich in großer Menge in Krankenhäusern eingesetzt
- Magnesiumsulfat (Bittersalz) gegen Präeklampsie
- Adrenalin und Atropin
- Morphin als häufig verschriebenes potentes Schmerzmittel
- Digitoxin, Noscapin
(Liste unvollständig)