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==Zweifelhafte Studien als Beweise==
 
==Zweifelhafte Studien als Beweise==
Die Anhänger der Bates'schen Lehre behaupten immer wieder, die Wirksamkeit des Sehtrainings sei in Studien belegt worden. Sie führen dabei zwei Studien an: jene von Kelley<ref name='Kelley'>Kelley CR: Psychological factors in myopia. Doctoral Diss., New School for Social Research, 1958 (zit. n. Hevekerl 1991).</ref> und jene von La Salle und Brown.<ref>La Salle C, Brown C: Some psycho-physiological influences in myopia. Unveröff. Diplomarbeit, Los Angeles (zit. n. Hevekerl 1991)</ref> Bei Kelleys Studie handelt es sich um eine Doktorarbeit aus den USA, die in Europa nicht erhältlich ist. Bei der Studie von La Salle und Brown handelt es sich um eine unveröffentlichte Diplomarbeit aus Los Angeles. Beide Studien sind in Europa im Original nicht erhältlich. Man ist deshalb auf indirekte Zitate angewiesen, um nähere Informationen über diese Studien zu erhalten.
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Die Anhänger der Bates'schen Lehre behaupten immer wieder, die Wirksamkeit des Sehtrainings sei in Studien belegt worden. Sie führen dabei zwei Studien an: jene von Kelley<ref name='Kelley'>Kelley CR: Psychological factors in myopia. Doctoral Diss., New School for Social Research, 1958 (zit. n. Hevekerl 1991).</ref> und jene von La Salle und Brown.<ref>La Salle C, Brown C: Some psycho-physiological influences in myopia. Unveröff. Diplomarbeit, Los Angeles (zit. n. Hevekerl 1991)</ref> Bei Kelleys Studie handelt es sich um eine Doktorarbeit aus den USA, die in Europa nicht erhältlich ist. Man ist deshalb auf indirekte Zitate angewiesen, um nähere Informationen über diese Studien zu erhalten.
    
===Die Kelley-Studie===
 
===Die Kelley-Studie===
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Kelley verwendete zur Beweisführung der Wirkung des Bates'schen Trainings<ref name='Kelley'></ref> also eine ungenaue Untersuchungsmethode, die zudem stark von subjektiven Komponenten (dem Formerkennungsvermögen) und nicht von objektiven opthalmologischen Veränderungen am Auge beeinflusst wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass die Patienten ihre Erkennungsrate durch Übungseffekte nach oben drücken konnten. Eine methodisch ungenaue, mit gerade einmal fünf Probanden besetzte Dissertation kann keinen Beweis für ein Sehtraining darstellen.
 
Kelley verwendete zur Beweisführung der Wirkung des Bates'schen Trainings<ref name='Kelley'></ref> also eine ungenaue Untersuchungsmethode, die zudem stark von subjektiven Komponenten (dem Formerkennungsvermögen) und nicht von objektiven opthalmologischen Veränderungen am Auge beeinflusst wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass die Patienten ihre Erkennungsrate durch Übungseffekte nach oben drücken konnten. Eine methodisch ungenaue, mit gerade einmal fünf Probanden besetzte Dissertation kann keinen Beweis für ein Sehtraining darstellen.
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===Die Studie von La Salle und Brown===
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Die Dipl.-Psychologin Eva Hevekerl gibt Rohdaten der Sehschärfenprüfung von "15&nbsp;Personen" an, die "nach der Bates-Methode für 1,5&nbsp;bis 15&nbsp;Monate trainiert" worden seien.<ref>Hevekerl EM: Kurzsichtigkeit. Zum Einfluss psychologischer Faktoren und einer verhaltensmedizinischen Intervention. Schriftliche Arbeit zur Diplom-Hauptprüfung im Fach Psychologie am IFP Freie Universität Berlin, Institut für Psychologie, Berlin 1991, S.49</ref> Blickt man auf die Rohdaten, stellt man fest, dass die Anzahl der Probanden bereits innerhalb weniger Zeilen von 15&nbsp;auf 12&nbsp;Personen sank, da Hevekerl nur Sehschärfe-Daten für 12&nbsp;Personen (2&nbsp;Männer, 10&nbsp;Frauen) aufführt.
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Die amerikanische Diplomarbeit von La Salle und Brown gibt die Abstände zwischen Proband und Optotypentafeln in ft. (=feet) an. Die dort aufgeführte Tabelle verdeutlicht die geringen Erfolge. Bei zwei der 12&nbsp;Probanden (Pat. 10 und 11) war nach fast einjährigem Training weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge eine Verbesserung festzustellen. Bei den Probanden Nr.1 und&nbsp;2 war die Sehschärfe jeweils eines Auges unverändert, das andere hingegen nur minimal verändert. Ein Drittel der 12&nbsp;Patienten profitierte demnach entweder gar nicht oder fast nicht von der Bates'schen Therapie.
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Bei den Probanden Nr.3-9 (also bei sieben Teilnehmern) waren die Erfolge auf beiden Seiten so minimal, dass sie sich problemlos durch Ablesefehler der Sehtafeln (durch den Untersucher) bei der Sehschärfenprüfung erklären lassen. Ebenso sind Lerneffekte (durch den Probanden) beim Ablesen der Sehtafeln als Erklärungsursache möglich. Zu solchen Ablesefehlern bzw. Lerneffekten kann es rasch kommen. Da man die Sehschärfenprüfung bei Kurzsichtigen (und alle Probanden in der Studie von La Salle und Brown<ref>La Salle C, Brown C: Some psycho-physiological influences in myopia. Unveröff. Diplomarbeit, Los Angeles (zit. n. Hevekerl 1991)</ref> waren offensichtlich kurzsichtig, wie die Sehschärfen-Daten zeigen) dann abbricht, wenn zwei oder mehr Ziffern, Buchstaben, Landolt- oder Snellen-Symbole pro Zeile falsch erkannt werden, ist es denkbar, dass der Untersuchende (aus Unachtsamkeit oder Fehlinterpretation ungenauer Probandenangaben) die Prüfung 1-2&nbsp;Reihen zu spät abbricht und somit eine höhere Sehschärfe attestiert, als eigentlich korrekt ist. Ebenso möglich ist es, dass der Proband, der die Sehschärfenprüfung bereits mehrfach über sich hat ergehen lassen, die Sympbole auf der Tafel mittlerweile so gut kennt, daß er durch Raten seine Fehlerquote minimieren kann. Dies kann ihn durchaus ebenso über 1-2&nbsp;Zeilen hinwegretten, so dass er dadurch eine scheinbar größere Sehschärfe erreicht, die in Wirklichkeit aber nicht besteht. Addieren sich sowohl Untersucher- als auch Probandenfehler, so sind Ungenauigkeiten in der Sehschärfenprüfung in Bereichen von 0,25 und darüber möglich.
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Dass diese Fehlerquelle nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt eine Studie zum Sehtraining bei&nbsp;55 mittelgradig kurzsichtigen High-School-Studenten, die von Angi et al. durchgeführt wurde.<ref>Angi et al.: Changes in myopia, visual acuity, and psychological distress after biofeedback visual training. Optom Vis Sci, 73, 35-42, 1996</ref> Die Sehschärfe, die sich vermeintlich unter Verwendung der subjektiven Optotypen-Messung (Sehtafeln) gebessert hatte, zeigte sich bei einer untersucherunabhängigen, deutlich objektiveren, maschinell unterstützten Sehschärfenprüfung als nicht vorhanden. Als Grund für diesen scheinbaren Widerspruch sehen die Autoren eine erhöhte foveation time bei der Optotypen-Messung. Da die Kinder in der Sehphase bei den Optotypen-Tafeln nicht zeitlich begrenzt waren und beliebig lange auf die Optotypen sehen konnten, erreichten sie eine längere Belichtungszeit und somit eine höhere Treffsicherheit als beim standardisierten maschinellen Messverfahren. Zudem konstatierten die Autoren auch einen gewissen Lerneffekt der Kinder bei diesen sich wiederholenden Optotypen-Messungen.
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Welche Sehtafeln verwendet wurden und wie groß die Fehlerrate hätte sein können, kann aus den vorliegenden Angaben zur Studie von La Salle und Brown in der Arbeit von Hevekerl nicht genau entnommen werden.<ref>Hevekerl EM: Kurzsichtigkeit. Zum Einfluss psychologischer Faktoren und einer verhaltensmedizinischen Intervention. Schriftliche Arbeit zur Diplom-Hauptprüfung im Fach Psychologie am IFP Freie Universität Berlin, Institut für Psychologie, Berlin 1991</ref> Hevekerl erwähnt die Art der verwendeten Sehtafeln von La Salle und Brown nicht. Vergleicht man die Schrittfolge der einzelnen Probanden, so sind deren Sehschärfenangaben interessanterweise z.T. völlig andere als jene, die nach Axenfeld (1980) für Optotypengrößen üblich sind. Besonders fallen hier Angaben wie '20/800', '20/600' oder '20/300' auf.
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Aus der Studie von La Salle und Brown auf Basis der von Hevekerl berichteten Daten lässt sich demnach kein Effekt des Bates'schen Augentrainings nachweisen, der über den methodenspezifischen Messfehler der Sehschärfenprüfung hinaus geht. Zudem hatte ein Drittel der 12&nbsp;Probanden (fast) gar nicht und nur zwei Probanden (16,6%) ein wenig (mutmaßlich aufgrund von Lerneffekten von Sehtafel-Symbolen bei sich wiederholender Sehschärfenprüfung) profitiert. Beim Rest der Patienten bewegte sich der angebliche Behandlungserfolg eindeutig im Bereich der Fehlerquote der Sehschärfenbestimmung.
      
== Fazit==
 
== Fazit==
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==Seriöse Studien==
 
==Seriöse Studien==
Die Medizin beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit der Untersuchung der Wirkung von verschiedenen Augentrainingsverfahren. Allerdings handelt es sich nicht um Verfahren nach Bates, [[Augen- und Sehtraining nach Gollub und Selby|Gollub oder Selby]], sondern primär um [[Biofeedback]]verfahren. Eine der zentralen Behauptungen der Bates'schen Anhänger ist es, durch Entspannungs- und Konzentrationsübungen zu besserem Sehvermögen zu kommen. Dies fordert den Vergleich mit seriösen Studien heraus, die mittels Biofeedback versuchten, eine Verbesserung der Sehschärfe zu erreichen oder zumindest eine Verschlechterung von Kurzsichtigkeit mit zunehmendem Lebensalter zu stoppen.
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Die Medizin beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit der Untersuchung der Wirkung von verschiedenen Augentrainingsverfahren. Allerdings handelt es sich nicht um Verfahren nach Bates, [[Augen- und Sehtraining nach Gollub und Selby|Gollub oder Selby]], sondern primär um Biofeedbackverfahren. Eine der zentralen Behauptungen der Bates'schen Anhänger ist es, durch Entspannungs- und Konzentrationsübungen zu besserem Sehvermögen zu kommen. Dies fordert den Vergleich mit seriösen Studien heraus, die mittels Biofeedback versuchten, eine Verbesserung der Sehschärfe zu erreichen oder zumindest eine Verschlechterung von Kurzsichtigkeit mit zunehmendem Lebensalter zu stoppen.
    
So zeigt die Studie von Balliet et al., in der 17&nbsp;Kurzsichtige mit einem computerbasierten Optometer ihre Sehschärfe in der Ferne durch Biofeedbacktraining bessern sollten, nicht einmal eine Verbesserung bei kurzfristiger maximaler Konzentrationssteigerung.<ref>Balliet et al.: The training of visual acuity in myopia. J Am Optom Assoc, 53, 719-724, 1982</ref> Die Studie von Koslowe et al., in der 15 Versuchs- und 15&nbsp;Kontrollpersonen u.a. hinsichtlich der Sehschärfe untersucht wurden, konnte ebenfalls keinen Vorteil des Augentrainings aufzeigen.<ref>Koslowe et al.: Evaluation of accomotrac biofeedback training for myopia control. Optom Vis Sci, 68, 338-343, 1991</ref>
 
So zeigt die Studie von Balliet et al., in der 17&nbsp;Kurzsichtige mit einem computerbasierten Optometer ihre Sehschärfe in der Ferne durch Biofeedbacktraining bessern sollten, nicht einmal eine Verbesserung bei kurzfristiger maximaler Konzentrationssteigerung.<ref>Balliet et al.: The training of visual acuity in myopia. J Am Optom Assoc, 53, 719-724, 1982</ref> Die Studie von Koslowe et al., in der 15 Versuchs- und 15&nbsp;Kontrollpersonen u.a. hinsichtlich der Sehschärfe untersucht wurden, konnte ebenfalls keinen Vorteil des Augentrainings aufzeigen.<ref>Koslowe et al.: Evaluation of accomotrac biofeedback training for myopia control. Optom Vis Sci, 68, 338-343, 1991</ref>
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Das Augentraining nach Bates erlebt in den letzten Jahren in New-Age-Kreisen eine gewisse Renaissance. Das Augentraining - auch jenes nach Bates, Gollub oder Selby - mag aufgrund der eingebauten Entspannungsübungen eine lösende Wirkung auf innere Verspannungen oder subjektiv empfundenen Stress haben. Unglaubwürdig ist jedoch die Behauptung von Seh- oder Augentrainern, mit solchen Verfahren die Sehleistung zu erhöhen oder gar die Sehschärfe zu verbessern. Bis heute konnte in fast 100 Jahren keine glaubwürdige, seriöse Studie diese Behauptung belegen.
 
Das Augentraining nach Bates erlebt in den letzten Jahren in New-Age-Kreisen eine gewisse Renaissance. Das Augentraining - auch jenes nach Bates, Gollub oder Selby - mag aufgrund der eingebauten Entspannungsübungen eine lösende Wirkung auf innere Verspannungen oder subjektiv empfundenen Stress haben. Unglaubwürdig ist jedoch die Behauptung von Seh- oder Augentrainern, mit solchen Verfahren die Sehleistung zu erhöhen oder gar die Sehschärfe zu verbessern. Bis heute konnte in fast 100 Jahren keine glaubwürdige, seriöse Studie diese Behauptung belegen.
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==Siehe auch==
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*[[Wladimir Zhdanov|Zhdanov Methode]] nach Wladimir Zhdanov
    
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
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* Bates WH: Rechtes Sehen ohne Brille. Grimma, 1931 (zit. n. Hevekerl 1991).
 
* Bates WH: Rechtes Sehen ohne Brille. Grimma, 1931 (zit. n. Hevekerl 1991).
   
[[category:Therapie in der Pseudomedizin]]
 
[[category:Therapie in der Pseudomedizin]]
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[[category:Optik]]
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