Höhenflugtherapie

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Die Höhenflugtherapie ist eine historische und obsolete Therapiemethode zur Behandlung von Asthma und Keuchhusten, bei der die Patienten einen Flug in einem Flugzeug ohne Druckkabine durchführten und somit einem niedrigen Umgebungsluftdruck ausgesetzt waren. Unter der gleichen Bezeichnung wurden auch Behandlungen in Unterdruckkammern oder Höhendruckkammern durchgeführt.

Die so genannten "Keuchhustenflüge" (fr. vol coqueluche) zur Behandlung des kindlichen Keuchhustens reihen sich ein in die Liste von Behandlungsversuchen wie denen in Brauereien oder gar Gaswerken. Bevor Antibiotika zur Verfügung standen, wurde Keuchhusten auch mit allen möglichen und erdenklichen Mitteln wie Schneckensirup, Eichelkaffee oder mit Milch gekochtem Seehundfett behandelt.

Beobachtet wurden Besserungen bei einem Ortswechsel. Da die Kinder dazu auch in die Berge "verschickt" (oder auch an Windmühlen) wurden, ist hier möglicherweise ein Grund für Höhenflugversuche zu sehen. Als weitere Gründe wurden mögliche Erweiterungen von Bronchials- und Lungengefäßen unter Sauerstoffmangel gesehen. Sturzflüge sollten zudem das Abhusten von Schleim erleichtern.

Unterdruckversuche in Deutschland und Österreich

1939 wurden in Deutschland Behandlungsversuche bei Kindern mit Keuchhusten in Zusammenarbeit mit dem Sanitätsamt des "nationalsozialistischen Fliegerkorps" unternommenen. Die Durchführung der "Keuchhustenflüge" wurde unterstützt durch die Gruppe IV des NSFK sowie durch die Hansa-Flugdienst G.m.b.H. Bei den erkrankten Kinder wurden mehrmals Unterdruckbehandlungen mittels Flug in 3500 m Höhe oder in einer Unterdruckkammer am Boden durchgeführt. Unterschiede im Behandlungsergebniss sollen dabei nicht erkennbar geworden sein, ein Vergleich zu einer Placebobehandlung wurde nicht angestellt. Bei den Kindern die geflogen waren soll es zu einer Besserung des Zustandes in 10% der Fälle gekommen sein, am Boden in 15% der Fälle. Insgesamt zeigte sich keine Überlegenheit zu damals etablierten Behandlungen.[1] Die Ergebnisse wurden auch für "wehrmedizinische" Betrachtungen herangeszogen.[2]

Tödliche Unterdruckversuche wurden im 2. Weltkrieg auch mit KZ-Häftlingen durchgeführt.

In Österreich wurden 1954 Keuchhustenflüge durchgeführt. 1955 führte die "Salzburger Rettungsflugwacht" Flüge mit keuchhustenkranken Kindern über Salzburg durch. Dabei wurden auch Sturflüge von 4000 m auf 2000 m absolviert:

Der Pilot eines Kleinflugzeuges stürzte aus ca. 4000 Meter im Sturzflug auf knapp 2000 Meter hinunter. Dort wurde heftig der Steuerknüppel gegengezogen. Die daraus resultierende Kraft beförderte, neben Mageninhalt, sämtlicher Schleim aus den Bronchien.[3]

Nach dem 2. Weltkrieg wurden 1955 in Deutschland weitere Untersuchungen mit Höhenflügen bei Kindern mit Keuchhusten an der Universitäts-Kinderklinik Hamburg-Eppendorf durchgeführt.[4]

Frankreich und Luxemburg

In Luxemburg und auch in Frankreich waren "vols coqueluches" (Keuchhustenflüge oder "méthode strasbourgeoise", als "Strasburger Methode") ebenfalls in Gebrauch. Eine der Befürworter war der französische Arzt Max Richou. Richou wandte jedoch Unterdruckkammern an, die einen Aufenthalt auf 4000 m simulierten. Diese sollte auch bei Asthma wirksam sein. Nach Richou sei die Methode in Frankreich von einem Arzt namens W. Matter vom "Aeroclub Eslsass" erfunden worden um Keuchhusten zu behandeln.

Sauerstoffmangel und Doping im Sport

Die Unterdruckbehandlung spielt auch eine Rolle im Sortler-Doping, da ein niedriger Sauerstoffpartialdruck längerfristig zur Bildung roter Blutkörperchen führt, was dem Sportler bei normalen Druckverhältnissen Vorteile verschaffen kann, ohne dass dies durch Medikamenteneinnahmen erfolgt. Der begleitende Anstieg des Hämatokrit (höherer Anteil zellulärer Bestandteile im Blut) kann jedoch auf eine derarartige Massnahme hinweisen und zur Sperre des Sportlers (Fall C. Pechstein) führen, da international Hämatokritgrenzwerte festgelegt wurden.

Siehe auch

Literatur

  • H. G. Clamann, H. Becker-Freyseng. Über Erfahrungen mit Keuchhusten-Höhenflügen und Unterdruckkammer-Behandlungen, Vortrag in der Sitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft am 21. VI. 1939. Aussprache vgl. 1939 Nr. 44 S. 1647
  • Friedrich Pflug, Hildegard Jungheim: Über die Beeinflussung des Keuchhustens durch Höhenflüge, Journal of Molecular Medicine, Volume 18, Number 37, September 1939.
  • Flammer R. Gaswerktherapie und Schneckensirup gegen Keuchhusten, Schweiz Ärztezeitung. 2006; 87(42):1808.

Quellennachweise

  1. H. G. Clamann, H. Becker-Freyseng. Über Erfahrungen mit Keuchhusten-Höhenflügen und Unterdruckkammer-Behandlungen, Vortrag in der Sitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft am 21. VI. 1939. Aussprache vgl. 1939 Nr. 44 S. 1647
  2. Wehrmedizin, Dtsch med Wochenschr 1940; 66(3): 61-65, DOI: 10.1055/s-0028-1121446
  3. http://www.kugener.com/abfrage.php?id=1166&show=1
  4. G.-A. von Harnack: Die Beeinflussung des Keuchhustenverlaufes durch Höhenflüge, Dtsch med Wochenschr 1955; 80(25): 958-961. DOI: 10.1055/s-0028-1116552